Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.09.2014

Grüne Sachsen - Chancen nutzen oder - verpassen ,,,

 
Ex-Fraktionschefin der Grünen verlässt Landtag. Vergeblicher Kampf für Schwarz-Grün. Antje Hermenau war in ihrer Partei isoliert

Dresden. Sie ist wortgewaltig wie kaum eine andere. Wenn Antje Hermenau in den vergangenen Jahren am Rednerpult des Landtags stand, ging es zur Sache. Heftig austeilen konnte die Ex-Fraktionschefin der Grünen, und oft genug hatte sie die Lacher auf ihrer Seite. Unvergessen ist noch ihr Ausspruch zur FDP vor vier Jahren, der von der Landespressekonferenz den Ehrentitel "Schlagzeile des Jahres" erhielt. "Wenn ich mit der sächsischen FDP auf Augenhöhe irgendetwas besprechen will, müsste ich mich flach auf den Boden legen." Wohlgemerkt, das war 2010, als die Liberalen noch mit der Union auf der Regierungsbank saßen.

Ohne Zweifel hat die mittlerweile 50-Jährige den sächsischen Grünen ein Jahrzehnt lang ihren Stempel aufgedrückt. Ja, mehr noch, Hermenau war das Gesicht der Öko-Partei, blitzschnell im Denken und Reden und auch noch finanzpolitisch versiert. Allerdings hat sie auch eine entscheidende Schwäche, die sie mit einem anderen Finanzer teilt: Wie Georg Milbradt (CDU) versucht sie stets ihren Kopf durchzusetzen, geht stur geradeaus. Und wie der Ex-Regierungschef hört sie ungern auf kritische Hinweise, wenn diese nicht ins eigene Weltbild passen. So ist es kein Zufall, das beide ein ähnliches politisches Schicksal ereilt.

Das hat sich bereits seit Langem angedeutet. Hartnäckig und mit Inbrunst zerstritt sich Hermenau mit ihren internen Widersacher, dem linken Milieu-Grünen Johannes Lichdi. Und der ging ebenso vehement auf sie los. Am Ende hatten sich beide so ineinander verhakt und verkämpft, dass der Scherbenhaufen unübersehbar war.

Stets rätselten Mitstreiter wie die politische Konkurrenz über die Motivlage der Grünen. Warum kämpft Hermenau mit solcher Leidenschaft fürs schwarz-grüne Projekt? Warum lässt sie keinen Platz mehr für jene, die das - womöglich nicht nur aus schlechten Gründen - ein wenig anders sehen? Die Antwort ist einfach. Hermenau kämpft aus Überzeugung. Sie empfindet Schwarz-Grün als Auftrag und ihre Berufung, als ein Ziel, um das man mit Sendungsbewusstsein ringt.

Hermenau wurde 1964 in Leipzig geboren, saß 1989 dort mit am Runden Tisch. Bereits im folgenden Jahr gehörte sie zu den Gründern der sächsischen Grünen, und danach ging es ruck, zuck: Ab 1990 saß sie vier Jahre lang im sächsischen Landtag, danach zehn Jahre im Bundestag in Berlin - um 2004 zurückzukehren nach Sachsen. Und umgehend führte sie die in der außerparlamentarischen Opposition vor sich hin darbenden Grünen zurück in den Landtag - was auch 2009 und erst jetzt wieder gelang.

Das ist eine beachtliche Leistung, auch wenn Hermenau stets ihren ganz eigenen Umgang gepflegt hat. Legendär sind ihre freundschaftlichen Rauchertreffs mit dem früheren CDU-Fraktionschef Steffen Flath im Innenhof des Landtags, wo es wohl auch um politische Vorabsprachen ging. Schließlich waren Flath und Hermenau die beiden Vorkämpfer für die Verankerung der Schuldenbremse im Land.

Dies und ihre zur Schau getragene Nähe zu Unionspolitikern kamen aber nicht bei allen Grünen gut an. Das hat sie in Kauf genommen. "Die Fähigkeit zu heucheln ist mir nicht gegeben", hat Hermenau mal über sich selbst gesagt. So kann man es auch ausdrücken. Spätestens nach dem äußerst mageren Abschneiden bei der Wahl vor drei Wochen, als der Öko-Partei gerade noch so der Wiedereinzug in den Landtag gelang, wurde die Luft dünner für Hermenau. Mit den beiden Parteichefs Claudia Maicher und Volkmar Zschocke saßen nun zwei Grüne im Parlament, die dort zwar Neulinge sind, aber ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben.

Dass das nicht unbedingt in ihren Sinne sein kann, merkte Hermenau, als Maicher schon kurz nach der Wahl auf Distanz zu Schwarz-Grün ging. Den Schuss hatte Hermenau gehört. Um ihr Lieblingsprojekt zu retten, verzichtete sie auf den Job der Fraktionschefin, um so wenigsten den Weg zu öffnen für Sondierungsgespräche mit der Union. Als auch das schiefging, blieb ihr nur der komplette Ausstieg.

Für die Grünen im Lande ist das zwar bitter, aber keineswegs nur ein Verlust. Denn als Frontfrau war Hermenau längst isoliert, rechts von ihr kommen bei den Grünen nur noch Michael Weichert und anschließend die Wand. So ist es kein Zu- fall, dass sich am Wochenende aus­gerechnet ein Unionschrist zu Wort ­meldete. "Antje Hermenau ist eine Vollblutpolitikerin", meinte der CDU-Finanzexperte Jens Michel. "Wer auch immer bei den Grünen auf sie folgen wird, er muss riesengroße Fußstapfen ausfüllen."

Von Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
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