Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa, 20:56 Uhr, 22.12.2014

«Pegida»-Bewegung wächst weiter - 17 500 demonstrieren in Dresden

 
In Dresden singen «Pegida»-Anhänger Weihnachtslieder, während die Gegner lautstark protestieren. Die Forderungen nach einer angemessenen Reaktion auf die «Pegida»-Bewegung werden lauter.

Dresden (dpa/sn) - Das islamfeindliche «Pegida»-Bündnis verbucht trotz zunehmender Kritik weiter Zulauf. Bei ihrer zehnten Demonstration in Folge mobilisierten die «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) am Montagabend in Dresden nach Schätzungen der Polizei rund 17 500 Menschen - 2500 mehr als in der vergangenen Woche und damit mehr denn je. Parallel dazu zogen 4500 Gegendemonstranten durch die Stadt, rund 400 Menschen versammelten sich zu einem ökumenischen Friedensgebet in der Kreuzkirche. Am kommenden Montag verzichtet «Pegida» auf eine Kundgebung in Dresden.

Auch in mehreren anderen Städten waren Gegenaktionen geplant. In München demonstrierten 12 000 Menschen gegen «Pegida», etwa 2000 Teilnehmer gingen in Kassel gegen eine Kundgebung unter dem Motto «Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes (Kagida)» auf die Straße. Zur Kundgebung selbst kamen nur 165 «Kagida»-Befürworter.

«Pegida» schürt nicht nur Ressentiments gegen Asylsuchende, sondern greift auch allgemein Zukunftsängste der Menschen auf. Experten rechnen Teile der «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» dem rechtsextremen Spektrum zu. Genährt werden die Proteste nach Ansicht von Sozialforschern aber auch von diffusen Abstiegsängsten.

Zwei Tage vor Heiligabend hatte das «Pegida»-Bündnis an seinem Entstehungsort Dresden zum «gemeinsamen Weihnachtsliedersingen» vor der Semperoper eingeladen, um erneut gegen eine vermeintliche «Überfremdung» Deutschlands mobilzumachen. Die Oper wollte keine Kulisse bieten und schaltete kurzerhand ihre Kandelaber und den Weihnachtsbaum aus. Eine Videoprojektion auf die Fassade der Oper und der Sempergalerie, mit der Oper und Kunstsammlungen für eine weltoffene Gesellschaft warben, wurde von «Pegida»-Anhängern immer wieder zu stören versucht.

Rund 4500 Anti-«Pegida»-Demonstranten zogen nach Angaben der Polizei lautstark mit Trillerpfeifen und Tröten Richtung Innenstadt. Dort protestierte das Bündnis «Dresden Nazifrei» in Hör- und Sichtweite der «Pegida»-Kundgebung. Auch viele Familien waren unter den Gegnern. Auf Spruchbändern der Demonstranten hieß es unter anderem: «Gegen Rassismus und religiösen Fanatismus». Am Rande kam es zu ein paar Rangeleien. Nach Angaben der Polizei wurde ein Gegendemonstrant verletzt. Einzelheiten dazu waren zunächst nicht bekannt.

Vor der Kundgebung hatten die Kirchen in Dresden ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gesetzt. Der evangelische Landesbischof Jochen Bohl kritisierte, dass «Pegida» ihre Kundgebung als Weihnachtsliedersingen ausgewiesen habe. «Ich sehe darin den Versuch, ein christliches Symbol und eine christliche Tradition zu instrumentalisieren für eine politische Aktion», sagte Bohl der Deutschen Presse-Agentur.

Die Politik sucht derweil weiter nach einer Antwort auf die Proteste und ihre Organisatoren. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich gegen Gespräche mit den Anführern von «Pegida» aus. «Mit Rassisten in Nadelstreifen haben wir nicht zu reden», sagte er beim Besuch eines Flüchtlingsheims in Suhl. Richtig sei aber, das Gespräch mit den Teilnehmern zu suchen, die fürchteten, dass Flüchtlinge ihnen Arbeitsplätze wegnehmen könnten.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einer Dämonisierung der Bewegung. Grünen-Chef Cem Özdemir wies Forderungen nach einem Dialog zurück. Er halte nichts von «so einer weinerlichen Haltung» im Umgang mit «Pegida», sagte er dem RBB. «Klartext ist angesagt und nicht dieses Gesülze, was ich da zum Teil höre von manchen Kollegen von mir.»

Altkanzler Gerhard Schröder rief Bürger und Politik auf, sich öffentlich gegen die Bewegung zu stellen. Unter dem Motto «Aufstand der Anständigen» hatte er im Jahr 2000 nach einem Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge zum Protest gegen Rechts aufgerufen.

Der Chef der Dresdner Staatskapelle, Christian Thielemann, warnte davor, die «Pegida»-Demonstranten vorschnell zu verurteilen. «Pegida ist ein Sammelbecken für die Unzufriedenen in der Gesellschaft», sagte er der «Dresdner Morgenpost» (Dienstag). Die Politik werde für die vielen unterschiedlichen Probleme unterschiedliche Lösungen finden müssen.

Nach einer Prognose des Bundesamtes für Migration wird die Zahl der Asylbewerber in Deutschland 2015 weiter steigen. «Wir rechnen bisher im nächsten Jahr mit 200 000 Erstanträgen und 30 000 Folgeanträgen», sagte Präsident Manfred Schmidt.

Jörg Schurig (Dresden

dpa jos/raz yysn z2 hro
222056 Dez 14

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