Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 06.07.2015

Dresdner OBM-Wahl: Gedämpfter Jubel bei Sieger Hilbert

 
Helma Orosz sieht Nachfolge in guten Händen / Eva-Maria Stange macht als Ministerin weiter . Von Thomas Baumann-Hartwig und Ingolf Pfeil 

Dresden. War es eine Trauerfeier? Die Jahrestagung der Melancholiker? Wie eine Siegesfeier sah es nun wirklich nicht aus, was da gestern Abend hoch über Dresden am Elbhang stattfand. Der unabhängige Bewerber Dirk Hilbert (FDP) hatte zur Wahlparty auf das noble Schloss Eckberg am Elbhang geladen, doch von Partystimmung keine Spur. Selbst das geplante Feuerwerk fiel aus - in Dresden ist es schwierig, eine Genehmigung für ein solches Spektakel zu erhalten, da musste das Stadtoberhaupt natürlich mit gutem Beispiel vorangehen und verzichten.

Ähnlich verhalten ging es in einem Lokal in der Dresdner Innenstadt zu. Eine Viertelstunde nach Schließung der Wahllokale stand dort Karl-Siegbert Rehberg auf dem Podium. Der Soziologieprofessor ist der Kopf der Wählervereinigung "Gemeinsam für Dresden", die Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) für die OB-Wahl nominiert hatte. "Wir haben die richtige Kandidatin aufgestellt", erklärte Rehberg schon mal vorsichtshalber. Selbst wenn die Ergebnisse so sein sollten, wie sie die "Phantasieempirie" eines Professor Donsbach vorhergesagt habe. Der TU-Kommunikationswissenschaftler hatte für eine Umfrage der Dresdner Neuesten Nachrichten 36 Prozent für Stange und 47 Prozent für Hilbert als Stimmungsbild vor der Wahl erfragt, bei 16 Prozent Unentschlossenen. Die Methode fand Rehberg abenteuerlich, dass die Konsequenz für Stange aber Realität werden könnte, schienen die Unterstützer schon zu ahnen. Eine Parteifunktionärin hatte da bereits zum Sekt gegriffen. "Zum Mutantrinken", flachst sie. Wenig später musste sie einsehen, wie unangenehm es sein kann, recht zu haben. Nach den ersten Zahlen lagen fast 20 Punkte zwischen Stange und Hilbert. Da hoffte die Wählervereinigung und die sie unterstützenden Parteien SPD, Grüne, Linke und Piraten noch, dass zunächst die bürgerlich geprägten Randlagen der Stadt solche Zahlen hervorbringen.

Dass die Stimmung auch auf dem Schloss nicht einmal überkochte, als Hilbert seinen Wahlsieg verkündete, lag auch daran, dass sich genug Gäste auf der Feier zeigten, deren Spitzenkandidat Hilbert nicht gewesen ist. "Ich habe gesagt, Dirk Hilbert ist der zweitbeste Kandidat für dieses Amt", erklärte Christian Hartmann, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes. Artig gratulierte er dem Wahlsieger, doch der Stachel von mageren 15 Prozent im ersten Wahlgang für CDU-Bewerber Markus Ulbig saß tief. Zumal es in der CDU durchaus Überlegungen gab, in der rot-grün-roten Kandidatin Eva-Maria Stange (SPD) das kleinere Übel zu sehen. Die Wissenschaftsministerin ist 58 Jahre alt und wäre nach sieben Jahren nicht wieder angetreten. Hilbert steht mit 43 in der Blüte seiner Jahre und ist in einer beneidenswerten Situation: Erfolge kann er für sich verbuchen, Misserfolge hingegen dem rot-grün-roten Stadtrat in die Schuhe schieben.

Zu dieser Zeit traf Eva-Maria Stange bei ihren Unterstützern ein, es gab viel Beifall. Kurz vor der Live-Schaltung eines Fernsehsenders reichte ihr Ehemann Bernd ein Smartphone mit dem aktuellsten Ergebnisstand. Da war fast alles ausgezählt, auch die linke Innenstadt. Zehn Punkte Rückstand blieben. Sollte sich das bestätigen, sagte Stange da, werde sie Hilbert gratulieren. Die Basis klatschte tapfer. SPD-Landeschef Martin Dulig umarmte Stange. "Dresden bekommt nicht die beste Oberbürgermeisterin, aber Sachsen behält die beste Wissenschaftsministerin", sagte er später dieser Zeitung.

Entspannt sah es auf dem Schloss Alt-Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die im vorigen Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. "Ich habe Dirk Hilbert die Daumen gedrückt", gestand sie, "und weiß meine Nachfolge in guten Händen."

Der Wahlsieger kündigte eine deutschlandweite Kampagne für Dresden an. "Ich will in anderen Regionen mit den Menschen über Pegida ins Gespräch kommen und zeigen, was für eine tolle Stadt Dresden ist." Er werde die Landeshauptstadt zur Musterregion für die Integration von Flüchtlingen entwickeln, so der neue OB. Sprache und Beschäftigung seien die Schlüssel dazu. Eine harte Arbeitswoche liege noch vor ihm, dann habe er drei Wochen Urlaub. Die Heimat seiner Ehefrau Su Yeon Südkorea und Japan stehen auf dem Reiseplan. Seine Zukunft in der FDP ließ Hilbert gestern offen. "Ich werde weiter keine Rechte eines FDP-Mitglieds wahrnehmen und in Ruhe überlegen." Ein prominentes sächsisches FDP-Mitglied argwöhnte, Hilbert werde wohl in Bälde seinen Austritt kundtun. Auch das war wohl ein Grund dafür, dass es selbst in FDP-Kreisen nicht besonders hoch herging bei der Wahlparty von Dirk Hilbert hoch über Dresden.

Karl Nolle im Webseitentest
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