Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17.58 Uhr, 27.11.2002

Milbradt im Visier - Zweifel an Darlehens-Version der Staatsregierung -

Hauptbelastungszeuge Rittinghaus in Erklärungsnot
 
Dresden (ddp-lsc). In der vermeintlichen CDU-Spendenaffäre werden Zweifel sowohl am Hauptbelastungszeugen als auch an der Argumentation der Staatsregierung laut. Dem Hamburger Magazin «Stern» liegen nach eigenen Informationen Unterlagen vor, die gegen die von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) vertretene Version sprechen, nach der die Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) vier Millionen Mark mehr Fördergeld wegen eines zurückzuzahlenden Darlehens in gleicher Höhe erhalten habe. Die Staatsregierung wies die Vorwürfe am Mittwoch zurück. Das Magazin sei «nicht auf dem aktuellen Erkenntnisstand». Indes brachte der frühere Aufsichtsratsvize der SAG, Werner Kathemann, den ehemaligen SAG-Vorstandschefs Ulf Rittinghaus in Erklärungsnot.

Rittinghaus gilt als Hauptbelastungszeuge in der vermeintlichen Affäre. Seinen Angaben zufolge soll Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) ihm vor der Landtagswahl 1999 als Gegenleistung für eine Spende in Höhe von drei Millionen Mark (rund 1,53 Millionen Euro) für eine Imagekampagne des Landes einen erhöhten staatlichen Zuschuss versprochen haben. Schommer nennt seinen Vorschlag dagegen eine «scherzhafte Bemerkung». Er hat rechtliche Schritte gegen Rittinghaus angekündigt.

Von diesem wie auch von SAG-Betriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Manfred Schürer war an Eides statt versichert worden, dass der Aufsichtsrat über den angeblichen Deal zwischen Staatsregierung und Sachsenring informiert gewesen sei. Dies hat Aufsichtsratsvize Kathemann mittlerweile dementiert. Im Kontrollgremium sei zwar über die Imagekampagne «Sachsen für Sachsen» gesprochen worden, «aber stets unabhängig von Fördermitteln», wird Kathemann in Presseberichten zitiert.

Dass es im Vergleich zu einem früheren Vertragsentwurf für den Verkauf des «Zentrums für Mikroelektronik» (ZMD) an die SAG im Jahr 1998 tatsächlich zu einer Aufstockung der Fördermittel um vier Millionen Mark kam, begründete die Staatsregierung zuletzt mit einem Darlehen in eben dieser Höhe. Dies erklärte Ministerpräsident Milbradt, damals sächsischer Finanzminister, auf eine entsprechende «Stern»-Anfrage auch schriftlich.

Das Magazin beruft sich nun jedoch auf Unterlagen, nach denen der Kredit mit «Forschungs- und Entwicklungsförderung zur Aufrechnung» gebracht werden sollte. Die Beihilfe von 29 Millionen Euro sei demnach zur Deckung des Jahresdefizits von ZMD und der bis dahin unterlassenen Investitionen gewährt worden, nicht aber zur Rückzahlung des Darlehens. Von dem Vier-Millionen-Kredit sei auch in einem Schreiben der Bundesregierung an die EU-Wettbewerbsbehörde nicht die Rede gewesen.

Für Regierungssprecher Christian Striefler ist diese Argumentation «nicht nachvollziehbar». Nach wie vor gebe es in den Akten keine Hinweise, die auf einen Zusammenhang zwischen der PR-Kampagne und dem Verkauf von ZMD hindeuten könnten, sagte er am Mittwoch in Dresden. Nach einem Beschluss der Staatsregierung vom Dienstag soll der sächsische Rechnungshof den Verkauf von ZMD an die SAG prüfen. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Karl Nolle will seine Fraktion die EU-Kommission einschalten. Sie solle klären, ob die Staatsregierung unter Kurt Biedenkopf (CDU) beim Verkauf von ZMD gegen EU-Bestimmungen verstoßen hat.

(Weitere Quellen: Kathemann in «Leipziger Volkszeitung» und «Dresdner Neuesten Nachrichten»; Nolle in Pressemitteilung; Striefler auf ddp-Anfrage)
(Von Tino Moritz)

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