Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 5, 02.06.2007

Keine Ruhe für Generalstaatsanwalt Schwalm vor dem Ruhestand

Rechtsexperte erhebt schwere Vorwürfe — Oberster Staatsanwalt soll Ermittlungen in der Paunsdorf-Affäre unterdrückt haben — Justizminister lässt alte Akten prüfen.
 
Dresden. Die letzten Monate vor seinem Ruhestand hatte sich Sachsens Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm sicher ruhiger vorgestellt. Es könnte noch einmal ungemütlich werden. Nicht nur, dass in Sachsen seit Wochen Gerüchte über mafiöse Netzwerke in der sächsischen Justiz, Polizei und Verwaltung die Runde machen, seit dieser Woche sieht sich der oberste sächsische Staatsanwalt selbst massiven Vorwürfen ausgesetzt. Er soll Ermittlungen in der so genannten Paunsdorf-Affäre behindert haben.

Hans-Ullrich Paeffgen, einst Jura-Professor in Dresden und heute Hochschullehrer in Bonn, hat eines der dubiosesten Kapitel sächsischer Politik zurück ans Licht der Öffentlichkeit geholt. In einer juristischen Schrift, die der „Freien Presse" vorliegt, geht er auf 20 Seiten auf Ungereimtheiten und Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften bei der Vermietung des Behördenzentrums Sachsen im Leipziger Paunsdorf-Center ein. Damit untermauert er den Verdacht, dem schon ein Untersuchungsausschuss des Landtages in den Jahren 2000 bis 2004 nachgegangen war, wonach dem Freistaat bei der Anmietung des Behördenzentrums ein beträchtlicher Schaden entstanden ist. Pikanterweise war der Vermieter, der Kölner Bauunternehmer Heinz Barth, ein enger Freund des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU). Dass dieser dem befreundeten Bauunternehmer über Gebühr bei der Vermietung der mehr als 53.000 Quadratmeter Fläche geholfen hat, wird zwar vermutet, es wurde aber nie bewiesen.

Der Landesrechnungshof hatte den komfortablen Mietervertrag 1996 in seinem Bericht kritisiert und damit einen politischen Streit zwischen CDU-Mehrheitsregierung und Opposition ausgelöst. Der Freistaat mietete 1994 im Bürokomplex Räume für das Sächsische Staatsarchiv, die Polizeidirektion Leipzig, das Institut für Länderkunde sowie das Sondereinsatzkommando der Polizei.

Vereinbart wurden ein Preis von über 23 Mark je Quadratmeter und eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren. Das Finanzministerium hatte jedoch bei Vertragsverhandlungen im März 1993 schon bei einem Mischmietpreis von nur 20,50 Mark Bedenken angemeldet.

Vorwürfe nie richtig geklärt

Dass die Vorwürfe nie richtig aufgeklärt wurden, dafür hat Hochschullehrer Paeffgen jetzt einen Mitschuldigen benannt – Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm. Dieser habe die Ermittlungen seiner Staatsanwälte gegen Biedenkopf unterdrückt. Paeffgen geht noch einen Schritt weiter. Er legt nahe, gegen Schwalm ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung einzuleiten.

Der Schriftsatz des Hochschul-Professors löste im sächsischen Justizministerium Betriebsamkeit aus. Minister Geert Mackenroth (CDU) hat die Unterlagen der seinerzeit ermittelnden Leipziger Staatsanwaltschaft nach Dresden beordert und die dortige Staatsanwaltschaft mit der Prüfung beauftragt. So soll herausgefunden werden, ob der Generalstaatsanwalt wirklich die Ermittlungen beeinflusst hat.

Dabei hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle schon am Ende des Untersuchungsausschusses im Februar 2004 die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft in diesem verworrenen Verfahren heftig kritisiert. Seine mittlerweile mehr als drei Jahre alte Rede wird plötzlich wieder hochaktuell: „Die Justiz, genauer, die an die Weisungen des Justizministers gebundene Staatsanwaltschaft, noch genauer die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Arbeit nicht getan, weil sie entweder versagt hat oder daran gehindert worden ist. Die in Rede stehenden Vorwürfe wegen Paunsdorf werden teils in vorauseilendem Gehorsam, teils auf Bitten von oben nicht verfolgt. Nennen die Juristen dies nicht Strafvereitelung im Amt?"

Verjährung ist umstritten

Der „Freien Presse" liegt ein Schriftstück vor, das vermuten lässt, dass die Generalstaatsanwaltschaft im März 2000 ins Auge gefasste tiefergehende Ermittlungen in der Affäre verhinderte. Eine seinerzeit mit dem Fall beauftragte Leipziger Staatsanwältin wollte Ermittlungen einleiten, um eine befürchtete Verjährung möglicher Straftaten zu umgehen. Als sie dies mit einer Staatsanwältin der Generalstaatsanwaltschaft diskutierte und darauf hinwies, dass dann auch der damalige Ministerpräsident als Beschuldigter erfasst und vernommen werden müsste, kam die Order, „alles so zu lassen, wie es ist".

Eine Strafanzeige aus dem Jahre 2002 von Nolle gegen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wegen des Verdachts der Untreue beim Behördenzentrum Paunsdorf wurde damals mit dem Verweis auf eine Verjährung von der Staatsanwaltschaft nicht weiterverfolgt. Dabei ist strittig, ob mögliche strafbare Handlungen, aus denen für den Freistaat Sachsen bei der Anmietung des Behördenzentrums ein finanzieller Schaden entstanden sein könnte, überhaupt schon verjährt wären. Rechtsexperte Paeffgen und auch andere Juristen sind der Meinung, dass bei einem Dauerschuldverhältnis (langjähriger Mietvertrag) eine solche Verjährung erst nach Ende des Vertrages einsetzt. „Sie stützen damit meine damalige und heutige Auffassung auf Nichtverjährung, die letztlich nur gerichtlich geklärt werden könnte und nicht durch eine Basta-Entscheidung des Generalstaatsanwaltes. Eine Strafanzeige wegen Strafvereitelung prüfe ich", sagte Karl Nolle der „Freien Presse".
Von Udo Lindner

Karl Nolle im Webseitentest
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