Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 02.07.2007

Strafanzeige gegen Generalstaatsanwalt

SPD-Landtagsabgeordneter Karl Nolle wirft Jörg Schwalm Strafvereitelung im Amt vor
 
Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle verfügt über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Wo er Unrecht vermutet, schreitet er zur Tat und stellt Strafanzeigen. Das bekommt jetzt auch Sachsens Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm zu spüren. Nolle wirft ihm und einer jetzt am Landgericht tätigen Vorsitzenden Richterin Strafvereitelung im Amt vor.

Dresden. Im Januar 2002 erstattete der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle Strafanzeige gegen den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU). Als Obmann im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss des Landtages war er zur Überzeugung gelangt, dass der Ministerpräsident Anfang der 199oer Jahre seinen persönlichen Einfluss genutzt habe, um einem befreundeten Bauunternehmer bei der Vermietung des Behördenzentrums in Paunsdorf zu helfen – zum finanziellen Nachteil Sachsens.

Rechnungshof: Vorgaben des Haushaltsrechts nicht beachtet

Der Landesrechnungshof hatte 1996 moniert, dass beim Abschluss der Mietverträge alle haushaltsrechtlichen Vorgaben außer Acht gelassen wurden. Allein für die Anmietung eigentlich nicht benötigter Flächen ging der Rechnungshof seinerzeit von einem jährlichen Schaden für den Freistaat von rund 664.000 Euro aus. Bei einer Gesamtlaufzeit des Vertrages über 25 Jahre summiert sich der Schaden auf rund 16 Millionen Euro.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Sachsen reagierte sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, aus dem Prüfungsbericht strafrechtliche Handlungen abzuleiten. So schrieb Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm am 14. Mai 1998 an den Leitenden Oberstaatsanwalt in Leipzig: „Ich bitte zu berücksichtigen, dass allein der Verstoß gegen Haushaltsrecht noch nicht den Anfangsverdacht der Untreue begründet. Sollten Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Schädigung des Staatshaushaltes sich im Zuge der bisherigen Überprüfung nicht ergeben, so rege ich an, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nunmehr abzusehen." Für Nolle ein deutliches Signal des „Chefs" an seine Unterstellten. Im Juni 1998 entschied die Staatsanwaltschaft, von einem Ermittlungsverfahren abzusehen.

Dies wiederholte sich Anfang 2002, als Nolle Strafanzeige gegen Biedenkopf gestellt hatte. Diesmal aber aus anderem Grund. Die Generalstaatsanwaltschaft wies die Anzeige zurück, weil der Vorgang bereits verjährt sei. Daran zweifelte seinerzeit nicht nur Nolle, sondern auch der Strafrechtler Knut Amelung. Seiner Auffassung nach wählte die Generalstaatsanwaltschaft eine Argumentation, die schon damals nicht dem aktuellen Stand der Rechtssprechung entsprach. Für den Beginn einer Verjährungsfristkomme es demnach nicht auf den Mietvertrags-Beginn an, sondern auf den Zeitpunkt, an dem der finanzie lle Nachteil für den Freistaat in voller Höhe eingetreten ist – also erst nach Ende des Mietvertrages.

Professor bewertet Einstellung als evidenten Rechtsbruch

Die gleiche Meinung vertrat jüngst der Rechtsprofessor Hans-Ulrich Paeffgen. In einem Festvortrag im Februar dieses Jahres arbeitete er nochmals die Paunsdorf-Affäre auf und kam zum Schluss, dass die Einstellung der Ermittlungen einen evidenten Rechtsbruch dargestellt habe. Das wiederum hat Nolle jetzt veranlasst, seine Strafanzeige wegen Strafvereitelung zu stellen. Der Generalstaatsanwalt selbst dürfte dem gelassen entgegensehen, hatte er doch schon nach Bekanntwerden des Vorwurfes von Paeffgen von unsinnigen Vorwürfen gesprochen.

Das wiederum hat Nolle dazu gebracht, seine Anzeige nicht bei den sächsischen Stellen einzureichen, sondern direkt beim Generalbundesanwalt, mit der Bitte, eine nicht in Sachsen beheimatete Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen zu beauftragen. „In Sachsen hat sich vielerorts das Prinzip durchgesetzt, dass strafrechtliche Ermittlungen weniger nach den Vorgaben der Strafprozessordnung als der politischen Opportunität zu beurteilen sind. Ich bin aber gespannt, ob angesichts der vermuteten Korruptionsaffäre es in Sachsen immer noch so leicht ist, derartige Ermittlungen zu unterdrücken", so Nolle.
Von Udo Lindner

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