Karl Nolle, MdL

Plenum des Sächsischen Landtages, 18. Sitzung, 20.05.2005

Beibehaltung des Status Ziel 1 Region für Sachsen - Zur Neustrukturierung der EU-Regionalpolitik

"Damit erklärt man aber trotz, der Riesenfortschritte, Ostdeutschland auf Dauer zu einer abgehängten Region. - Ich will das auf keinen Fall."
 
Meine Damen und Herren der demokratschen Fraktionen!

Gegenwärtig gehören alle ostdeutschen Flächenländer zu den sog. Ziel-1-Regionen, (neuerdings auch Ziel-Konvergenz-Regionen genannt), da deren DurchschnittsBIP weniger als 75% des EU-Durchschnitts ausmacht.

So flossn bzw. fließen in der Programmperiode 2000 bis 2006 über 20 Mrd. Euro in die neuen Bundesländer, knapp 5 Mrd. davon allein nach Sachsen.

Für den Förderzeitraum 2007 bis 2013 plant die EU-Kommission nun eine umfassende Neustrukturierung der EU-Regionalpolitik. Neben einer Neuaufteilung der Fördermittel ist auch eine Neugestaltung der nationalen Beihilferegelungen zu erwarten, was besonders für die Höhe der anwend-baren Fördersätze von Bedeutung ist.

Für die Zeit nach 2007 kommt es darauf an, jenen Regionen, die infolge der Erweiterung und dem damit einhergehenden stärkeren Entwicklungsge-fälle innerhalb der EU aus statistischen Gründen 2007 nicht mehr zu den Ziel-Konvergenz-Gebieten gehören werden, maximale Fördersätze zu erhalten.

In Sachsen betrifft dies voraussichtlich nur den Regierungsbezirk Leipzig, dessen Durchschnitts BIP bezogen auf eine EU-25 von EUROSTAT für das Jahr 2002 mit 76,0% berechnet wurde. Für den Regierungsbezirk Dresden wurden 75,1 % ermit-telt, während der Durchschnitt der Jahre 2000-2002 bei 74,95 % liegt.
Im übrigen Bundesgebiet verlieren voraussichtlich der Regierungsbezirk Halle und die Regionen Brandenburg Südwest und Lüneburg ihren Höchstförderstatus.

Hier müssen Bund und Länder gemeinsam gegenüber der EU-Kommission einen Weg durchsetzen, der den Interessen der betroffenen Gebieten ge-recht wird.

Meine Damen und Herren!

Es geht in dieser Sache nicht um eine Verbesserung der Finanzausstattung gegenüber dem status quo, sondern schlichtweg darum, den betroffenen Gebieten auch nach 2006 genügend Beihilfen als Nachteilsausgleich gewähren zu dürfen.

Diese Gebiete sind in ihrer Entwicklung nicht dadurch besser und leistungsfähiger geworden, dass der EU noch ärmere Staaten beigetreten sind!

Der Vorschlag der EU-Kommission diese vom so-genannten „statischen Effekt“ betroffenen Regio-nen lediglich als Fördergebiete nach Art. 87 Abs. 3 c) EGV einzustufen, gestattet künftig weder Betriebsbeihilfen noch die bei horizontalen Beihilfen zulässigen Regionalzuschläge zu gewähren.

Zusätzlich führt die vorgesehene degressive Fördermöglichkeit des Kommissions-Vorschlags ab den Jahren 2010/2012 vor allem bei größeren Investitionen, etwa bei Investitionen der Kraftfahrzeugindustrie zu Subventionswerten von lediglich noch 4,5 % bis 7 %. Damit lassen sich aber die in Ostdeutschland fortbestehenden Nachteile nicht ausgleichen.

Meine Damen und Herren!

Wie lässt sich der weitere Status als originäres Konvergenz-Gebiet für ganz Ostdeutschland über das Jahr 2007 hinaus begründen?

Zunächst fällt auf, dass die sächsischen Gebiete Leipzig und Dresden sehr dicht an bzw. auf der 75%-Schwelle liegen. Dabei hat es 2002/2003 eine flutbedingte Sonderkonjunktur gegeben, die auf keinen Fall als Berechnungsgrundlage dienen darf.

Des weiteren hat die EU-Kommission in ihrem 3. Kohäsionsbericht dargelegt, dass die Maßeinheit BIP in Kaufkraftstandards auch Schwächen aufweist: Eine dieser Schwächen besteht darin, dass die in-nerstaatlichen Transferleistungen nicht quanti-fiziert in die Berechnung einbezogen worden sind.

Darüber hinaus spiegeln die BIP-Zahlen nicht die tatsächliche Wirtschaftskraft der ostdeutschen Re-gionen wider, da Transferleistungen von außen, wie z.B. in die Sozialsysteme, die Rechnung ver-fälschen. Das tatsächliche, auf eigener Kraft be-ruhende Wirtschaftspotential beträgt daher in den Jahren 2001 bis 2003 auch in den betroffenen ostdeutschen Gebieten nur 67 % des Durch-schnitts BIP einer EU-25.

Eine rechtliche Lösung wäre die Verankerung des originären Ziel-1-Status für die vom statistischen Effekt betroffenen Gebiete in Art. 5 Abs. 1 der neuen StrukturfondsVO

Meine Damen und Herren!

Der Solidarpakt II hat eine Perspektive bis 2019.

Die Perspektive des Nachteilsausgleichs für die ostdeutsche Wirtschaft geht ebenso weit über 2019 hinaus wie die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West.

Das Einfachste ist natürlich die Behauptung: Aufbau Ost sei zu Ende.

Damit tun wir uns aber keinen Gefallen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Damit erklärt man, trotz der Riesenfortschritte, Ostdeutschland auf Dauer zu einer abgehängten Region. Ich will das auf keinen Fall.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU - Heinz Lehmann, CDU: Es geht doch! - Dr. Martin Gillo, CDU: Unser Mann!)

Karl Nolle im Webseitentest
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