Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.11.1999

Marlies Volkmer wird Chefin

SPD sucht Neuanfang / Diskussion um Verhältnis zur Bundespolitik
 
DRESDEN. Die Entscheidung war denkbar knapp: Der SPD Unterbezirk Dresden-Elbe-Röder wählte mit 38 Stimmen Marlies Volkmer zur neuen Parteichefin. 37 Sozialdemokraten stimmten für Manfred Müntjes. "Knapp dafür, ist auch gewählt. Das war ein hartes Stück Arbeit." Druckerei-Chef und Landtagsabgeordneter Karl Nolle grinste übers runde Gesicht. Im Hintergrund hatte er die Fäden für die Wahl von Marlies Volkmer gezogen. Die Partei brauche einen Neuanfang. René Vits wurde Stellvertreter für die Region Dresden, Andreas Schurig für Meißen und Udo Schmidt für Riesa/Großenhain. Derzeit ist die SPD zerstrittener denn je. Von guten und schlechten Genossen, von linken und rechten war auf dem Parteitag am Sonnabend die Rede. Strippenzieher, Telefon-Kungelei und Selbstherrlichkeit hatte der Volkmer-Flügel dem bisherigen Vorsitzenden Manfred Müntjes vorgeworfen. Müntjes wurde zum alleinigen Schuldigen für die herben Niederlagen bei den Wahlen in diesem Jahr auserkoren. Er hatte den Unterbezirk in den vergangenen fünf Jahren geführt.
Mitgliedern bildet Dresden das Herzstück. Bei dieser Weitläufigkeit habe Müntjes versucht, einen Großteil der Probleme am Telefon zu klären. "Hätten wir mehr telefoniert, würden wir vielleicht auch mehr miteinander als übereinander reden", wehrte er sich gegen den Vorwurf der Telefon-Kungelei. Auch Albrecht Leonhardt, SPD-Fraktionschef im Stadtrat, lehnte es ab, Müntjes die gesamte Schuld zuzuschieben. "Wenn wir jemanden wählen, haben wir auch die Pflicht, ihn zu unterstützen. Was haben denn die Kritiker bisher gemacht?" Um Harmonie in der Partei bemüht sich nun Marlies Volkmer. Deshalb will die 52-jährige Ärztin und Landtagsabgeordnete zuerst auch jene Ortsvereine aufsuchen, die gegen sie votiert hatten, um sie von sich zu überzeugen. "Wir müssen im Vorstand zu arbeitsfähigen Strukturen kommen", sagte sie. Auch ihre Kontakte zur Bundespolitik wolle sie nutzen, um sächsiche Interessen stärker durchzusetzen. Das Verhältnis zur Bundespolitik gehört zu den Streitthemen in der Partei. In einem vom Ortsverein Neustadt eingebrachten und vom Parteitag angenommenen Initiativantrag heißt es ausdrücklich: Der Erfolg der rot-grünen Bundesregierung sei unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg auf kommunaler Ebene. Kritik sollte hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden, forderte Marlies Volkmer. Andere Genossen sehen das anders: "Gerade im Wahlkampf haben wir alle Prügel für die Bundespolitik abgefasst", sagte ÖTV-Vertreterin Siegrid Müller. Stärker als bisher wolle die SPD ihren Standpunkt gegenüber CDU und der PDS verdeutlichen.
(von Bettina Klemm)