Karl Nolle, MdL

Berliner Zeitung, 28.07.2007

Millionenskandal um Leipziger Sparkasse

Die Aufsichtsbehörde BaFin ermittelt wegen dubioser Kreditgeschäfte. Die Affäre bringt Oberbürgermeister Jung und Vorgänger Tiefensee in Bedrängnis
 
LEIPZIG. Die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig (SKL), eins der größten kommunalen Geldinstitute Ostdeutschlands, steht im Zentrum eines Millionenskandals. Über Jahre hinweg sollen Freunde des scheidenden Sparkassenchefs Peter Krakow und deren Geschäftspartner bei Kreditgeschäften vorschriftswidrig bevorzugt worden sein. Aus umfangreichen Unterlagen und Prüfberichten, die der Berliner Zeitung vorliegen, geht hervor, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in mindestens zehn Einzelfällen gegen die SKL ermittelt. Der Skandal könnte auch Oberbürgermeister Burkhard Jung und dessen Amtsvorgänger, den heutigen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, in Bedrängnis bringen. Der Oberbürgermeister ist als Verwaltungsratschef oberster Aufseher über die Sparkasse in Leipzig.

Unmissverständliche Drohung

Die Dimension des bislang erst in Ansätzen bekannten Skandals scheint sogar dazu angetan, den Fortbestand des Geldinstitutes in Frage zu stellen. Das hat die BaFin den Leipziger Sparkassenvorstand in unmissverständlicher Deutlichkeit wissen lassen. In einem Schreiben der Bankenaufsicht vom 20. Februar 2007 heißt es, dass es nach den bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen und Informationen und den bereits erfolgten "zum Teil sehr gravierende(n) . Prüfungsfeststellungen . keineswegs auszuschließen ist, . personen- oder institutsbezogene bankaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen".

Die Sparkasse selbst hatte erst spät erste personelle Konsequenzen aus den BaFin-Ermittlungen gezogen. Zunächst war nur ein Sachbearbeiter gefeuert worden. Inzwischen muss ein Vorstandsmitglied das Haus im kommenden Monat verlassen, mit einem weiteren Vorstandsmanager wird über eine vorzeitige Vertragsauflösung verhandelt. Und auch Sparkassenchef Krakow muss seinen Abschied vorziehen: Statt zum Jahresende wird er nun zum 31. August in den Ruhestand geschickt.

Die Vorwürfe der BaFin gegen die Sparkasse wiegen schwer. Ganz offen schon wird von Bankenuntreue und Unterschlagung geredet. Auch die Leipziger Staatsanwaltschaft, die bislang eher zurückhaltend zu Kreditgeschäften der Sparkasse ermittelt hatte, wird wieder aktiv. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Affäre um den "Sachsen-Sumpf", in der der Justiz Strafvereitelung in politisch brisanten Verfahren unterstellt wird.

In den Verfassungsschutzakten über die kriminellen Netzwerke in Sachsen tauchen die Vorgänge aus den Jahren 2001 bis 2006 um die Leipziger Sparkasse allerdings nicht auf. Für den SPD-Oberbürgermeister Jung und seinen Vorgänger Tiefensee aber, die in der kritischen Zeit als Verwaltungschefs der Sparkassenleitung eigentlich genau auf die Finger hätten schauen müssen, könnte der Skandal dennoch ungemütlich werden, auch wenn sie in die Machenschaften des Bankenvorstandes nicht involviert waren.

Vor allem Jung aber muss sich zudem die Frage gefallen lassen, warum er so lange tatenlos geblieben ist, obwohl die Vorwürfe gegen die Sparkasse immer konkreter wurden. Dass etwa die BaFin-Anfragen von einem durch den Sparkassenvorstand mandatierten Rechtsanwalt bearbeitet wurden, der selbst in eines der umstrittenen Kreditgeschäfte verstrickt war, muss Jung nicht gewusst haben. Aber als er im April davon erfuhr, griff er immer noch nicht hart durch. Insider wollen denn auch nicht ausschließen, dass Jungs Stillhalten mit einem Kredit zu tun haben könnte, den er von der Sparkasse für den Kauf seines Hauses erhalten haben soll.

Im Zentrum der seit Ende 2006 laufenden BaFin-Ermittlungen stehen mehrere Finanzgeschäfte der Sparkasse mit dem Leipziger Bauunternehmer Oliver Hirt und dessen Geschäftspartner Franz Rembold. Hirt, Rembold und Sparkassenchef Krakow sind seit Jahren eng befreundet. Man spielt zusammen Golf, Krakow ist Mieter zweier Eigentumswohnungen, die Hirt und Rembold gehören. Vervollständigt wird das Quartett seit einiger Zeit durch den aus Frankfurt am Main stammenden Rechtsanwalt Johannes Schamburg.

Hirt und Schamburg waren 2003 bei einer Dresdner Technologiefirma eingestiegen, was die Sparkasse mit insgesamt 4,6 Millionen Euro finanzierte. Im Januar 2005 wurde der Kredit auf Schamburgs Frankfurter Firma Dorana umgeschuldet und auf insgesamt 13 Millionen Euro erhöht. Zwei Millionen davon waren Anwalt Schamburg zur "freien investiven Verfügung" zugedacht, wie es im Vertrag heißt.

Der WHD/Dorana-Kredit verstößt aus Sicht der BaFin gravierend gegen die geltende Kreditrisikostrategie der Sparkasse. Auch sei für die - von Sparkassenchef Krakow persönlich angewiesene - Auszahlung der zwei Millionen Euro an Schamberg kein Verwendungsnachweis erstellt worden, kritisiert die BaFin.

Ob die zwei Millionen als so genannte kick-back-Zahlung an Beteiligte des Geschäfts geflossen sind, wird von den Prüfern denn auch nicht ausgeschlossen. Auffällig findet es die BaFin jedenfalls, das Schamburg auch bei einem anderen Kreditvertrag mit der Sparkasse eine ungewöhnliche Sonderzahlung erhielt. Dabei ging es um den von der Sparkasse voll finanzierten Kauf eines Wohnhauses in Leipzig. Schamburg, der zu der Käufergemeinschaft gehörte, und seine Frau erhielten demnach für "Baubetreuung und Vermittlung" 350 000 Euro.

Auffällige Bevorzugung

Suspekt ist der Bankenaufsicht auch der von der Sparkasse 2001 finanzierte Kauf eines Wohn- und Geschäftshauses in Markkleeberg durch Hirt und Rembold. Ein Jahr später verfügte SKL-Chef Krakow - gegen Widerstand im eigenen Vorstand - die Einmietung einer Sparkassenfiliale in dem Gebäude.

Eine auffällige Bevorzugung erlebten die beiden Krakow-Freunde Hirt und Rembold auch bei einem Renommierprojekt der Leipziger Sparkasse, der von dem Geldinstitut 1999 gegründeten Medienstiftung. Die mit allerlei Leipziger Prominenz gespickte Stiftung zog 2001 zur Miete in die "Villa Ida" im Stadtteil Gohlis ein, die Hirt und Rembold gehört, damals allerdings schon mehr als ein Jahr leerstand.

Fast zeitgleich mit dem Einzug kaufte die Sparkassenstiftung zwei benachbarte Grundstücke hinzu, die Hirt und Rembold erst einen Monat zuvor erworben hatten. Die beiden machten bei dem schnellen Weiterverkauf einen Schnitt von rund 100 000 Euro. Das blieb aber nicht ihr einziger Gewinn: Die Sparkassenstiftung bedachte 2005 die Baufirma der beiden mit einem Millionenauftrag - der Errichtung eines "Mediencampus" auf dem neuen Grundstück neben der "Villa Ida".
Andreas Förster