Karl Nolle, MdL

Junge Welt - jW- Tageszeitung, 24.10.2011

Inszenierte Empörung: Sächsische Landtagsabgeordnete setzen Stimmungsmache gegen SPD-Politiker Nolle fort

 
Die Kritik, die der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle in der vergangenen Woche im jW-Interview an den gegen Nazigegner gerichteten Ermittlungsmethoden von Staatsanwaltschaft und Justiz im Freistaat äußerte, sorgt weiter für Aufregung.

Benjamin Karabinski, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, hatte mit Hilfe der rechten Postille Junge Freiheit die Kampagne gegen Nolle eröffnet und ausgerechnet den engagierten Antifaschisten bezichtigt, nicht nur den Freistaat und seine »rechtsstaatlichen Institutionen«, sondern »letztlich auch alle Bürger Sachsens« zu diffamieren (siehe jW vom 21.10.). Der CDU-Innenpolitiker Christian Hartmann legte am Freitag nach – ebenfalls in der Internetausgabe der Jungen Freiheit.

»Polizei und Justiz haben die ihnen durch Verfassung und Gesetz übertragenen Aufgaben pflichtgemäß im Interesse und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger erfüllt«, behauptete der Landtagsabgeordnete. Er forderte – ausgerechnet in dem Rechtsaußenblatt –, bei der Bewertung der Justizschelte nicht zu vergessen, wer die Kritik an den sächsischen Behörden in welcher Zeitung geäußert habe.

»Wer sich ausgerechnet in der Jungen Freiheit zur Wort meldet, sollte nicht mit dem Finger auf andere zeigen«, kommentierte Dirk Panter, Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der sächsischen Sozialdemokraten, Hartmanns Einlassungen am Sonntag im Gespräch mit jW. Ähnlich äußerte sich Heinrich Fink, Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). »Nach der massiven staatlichen Repression gegen die Antifaschisten, die im Februar in Dresden den traditionellen Naziaufmarsch verhindert haben, verwundert mich kaum mehr, daß sowohl FDP- und CDU-Abgeordnete als auch die sächsische Staatsanwaltschaft ausgerechnet die Junge Freiheit nutzen, um den engagierten Demokraten Karl Nolle zu attackieren«, sagte der ehemalige Rektor der Berliner Humboldt-Universität.

Tatsächlich hatte auch Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, in den Chor der Nolle-Kritiker eingestimmt. Dessen Aussagen seien »absurd« und zeugten von »Unkenntnis grundlegender Prinzipien der Aufgaben und der Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft«, so Haase gegenüber der Jungen Freiheit. Der Oberstaatsanwalt wies zudem den Vorwurf zurück, seine Behörde kriminalisiere friedliche Demonstranten. Selbst der juristische Dienst des Bundestages aber hatte im Zusammenhang mit den Dresdner Vorgängen von rechtswidrigen Verfolgungsmaßnahmen gesprochen. Datenschutzbeauftragte, Bürgerrechtler und Juristen hatten zudem sowohl die nahezu uferlose Überwachung der Telekommunikation im Februar in Dresden als auch die Aufhebung der Immunität des sächsischen Linksfraktionschefs André Hahn scharf kritisiert. Gegen Hahn laufen wegen seiner Teilnahme an antifaschistischen Protesten 2010 Untersuchungen (jW berichtete).

»Die Staatsanwaltschaft muß sich mit Blick auf die Ermittlungen gegen André Hahn schon den Vorwurf der Willkür gefallen lassen«, meint Johannes Lichdi, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. Obwohl auch er sich an Blockaden beteiligt habe, werde nur gegen den Linke-Politiker juristisch vorgegangen, so Lichdi am Sonntag gegenüber jW.

Mit Karl Nolle solidarisierte sich unterdessen auch Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der sächsischen Linksfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender seiner Partei. Nolle sei ein »höchst glaubwürdiger Politiker, der den Mut hat zuzuspitzen«. Zudem habe der Sozialdemokrat im jW-Interview einzig ausgesprochen, was bereits zahlreiche Experten vor ihm kritisiert hätten
Von Markus Bernhardt