Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland, 10.08.2018

Linke Sammlungsbewegung: Sammlung ist eine Frage der Bewegung ...

 
Andrea Ypsilanti sieht Wagenknechts Sammlungsbewegung als Versuch einer Antwort auf die sozialdemokratische und sozialistische Leerstelle

Die Inszenierung passt. Im Dezember der Auftakt mit den Interviews von Wagenknecht und Lafontaine, die Erwartungen schürten. Im Januar die Gerüchte, wer Unterstützer*in sei könnte. Jetzt die Eröffnung der Internet-Plattform mit Dylan und Clips, aber ohne Text.

Andrea Ypsilanti ist Abgeordnete im Hessischen Landtag. Von 2007 bis 2009 war sie Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Sie initiierte das Insitut Solidarische Moderne mit, das sich seit Jahren für eine innerlinke Vernetzung einsetzt.

Man könnte meinen, der legendäre Steve Jobs stelle sein neues iPhone vor. Aber tatsächlich geht es um etwas Wichtiges: Einen neuen, linken Aufbruch. Doch ob solch ein etatistisch, dramatisiertes Experiment von oben nach unten gelingt, ist zunächst einmal offen.

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass es ein großes Bedürfnis nach Sammlung ausserhalb des Parteienspektrums gibt. Keine der Parteien, schon gar nicht die »Volksparteien«, scheinen eine Antwort auf das Gefühl und den Alltagsverstand breiter Bevölkerungsschichten zu haben, dass es »so nicht weitergehen kann« und »sich was ändern muss«. Die Verunsicherungen, die Nöte, aber auch der dringende Wunsch und die Hoffnung auf Veränderung des festgefahrenen Status quo der großen Koalition in Deutschland, wie der durch die europäischen Verträge festgezurrten, neoliberalen europäischen Verhältnisse, werden von der herrschenden Klasse nur mit einem bleiernen, uninspirierten, undemokratischen oder gar reaktionären »weiter so« beantwortet. Die Hoffnung auf eine sozialdemokratische und sozialistische Antwort in Deutschland und Europa bleibt weitgehend unbeantwortet, mit Ausnahme von England und Portugal.

Die Initiative, von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine angestoßen, soll also die Antwort auf die sozialdemokratische Leerstelle in der Bundesrepublik sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Den Vergleich, den die Initiator*innen allerdings mit Podemos und Syriza und so fort wagen, ist für mich falsch. Diese Bewegungen sind aus der Gesellschaft heraus von unten entstanden, mit der Besetzung der öffentlichen Räume und Plätze und den konkreten Widerstandsprojekten im den austeritätsgeplagten Ländern, Kommunen und Organisationen und haben sich dann erst Form und Führung gegeben. Die Sammlung »Aufstehen« ruft quasi von oben zur Bewegung auf. Das ist etwas gänzlich anderes und es muss sich herausstellen, ob aus der Sammlung eine Bewegung werden kann.