Karl Nolle, MdL

ddp - Presseagentur, 25.05.2001

Rechnungshof rügt Gästehaus-Verwaltung der Staatsregierung

Brüggen widerspricht Bericht in Teilen - Opposition sieht sich bestätigt
 
DRESDEN. Der Bericht des sächsischen Landesrechnungshofs zu den Wohnverhältnissen von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) setzt die Staatsregierung unter Druck. Die Behörde bemängelte am Freitag, dass Personal aus dem Dresdner Regierungsgästehaus ohne vertragliche Grundlage auch für private Zwecke des Regierungschefs eingesetzt wurde. Rechnungshofs-Präsident Hans-Günter Koehn bezifferte die Aufwändungen dafür auf 80.000 bis 100.000 Mark jährlich und regte - ohne konkrete Summen zu nennen - die Prüfung von Nachforderungen an. Ins Visier der Behörde geriet auch die Kaltmiete von 8,15 Mark für Biedenkopfs Räumlichkeiten in der Dresdner Immobilie. Koehn hält 13 Mark für angemessen.
Die Staatskanzlei kündigte zusammen mit dem Finanzministerium Nachbesserungen an, widersprach dem Bericht aber in einigen Punkten deutlich. Die Opposition sieht sich in ihren Vorwürfen in der so genannten Miet- und Gästehausaffäre bestätigt, reagierte aber dennoch uneinheitlich. PDS-Fraktionschef Peter Porsch forderte den Ministerpräsidenten zur Nachzahlung einer Summe in sechsstelliger Höhe auf. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, Thomas Jurk, verlangte Biedenkopfs Rücktritt, was die CDU umgehend zurückwies. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der die Debatte mit ins Rollen gebracht hatte, wertet den für Landtag und Staatskanzlei verfassten Bericht als «Schlag in das Gesicht der Staatsregierung».

Zu den weiteren Kritikpunkten des Rechungshofs zählt das mietfreie Arbeitszimmer in Biedenkopfs Wohnung. Insgesamt widersprach Koehn der Auffassung, beim Ministerpräsidenten ließen sich private und dienstliche Belange nicht trennen. Dies müsse - trotz Schwierigkeiten in der Praxis - zumindest rechnerisch möglich sein. Zurückhaltend äußerte er sich zur Höhe möglicher Nachzahlungen, über die letztlich die Verwaltung entscheide. Sie müssten unter den genannten jährlichen Kosten von 80.000 bis 100.000 Mark liegen, da die Staatskanzlei bislang keine Ansprüche gegenüber dem Regierungschef geltend gemacht habe. Biedenkopf hatte unlängst eine Summe von 70.000 Mark ins Gespräch gebracht, die Angabe aber nicht präzisiert.

Ein offener Konflikt entbrannte über die Frage, wer für die bereits 1994 vom Rechnungshof gerügten Miss-Stände verantwortlich ist. Koehn sprach von offensichtlichen Kommunikationsproblemen innerhalb der Staatskanzlei. Deren Chef, Georg Brüggen (CDU), bezeichnete es dagegen als «nicht nachvollziehbar», warum die Prüfbehörde ihre Beanstandungen nicht weiterverfolgt habe. Er kündigte zugleich Regelungen für den künftigen Einsatz von Gästehaus-Personal in Biedenkopfs Wohnung am Chiemsee an - die im Zweifelsfall zu dessen Ungunsten angewendet werden sollen. Zugleich verteidigte der Staatskanzleichef die Miete des Ministerpräsidenten - unter anderem hätten die Wohnungen im Gästehaus keine Einzelküchen. Im Übrigen habe Biedenkopf davon ausgehen können, dass nach einem 1997 geschlossenen Vertrag alle Fragen geklärt seien.

Rückendeckung erhielt der Ministerpräsident auch von der CDU-Landtagsfraktion. Deren Vorsitzender Fritz Hähle wies die Oppositionskritik zurück, die lediglich auf die Beschädigung Biedenkopfs ziele. Im Übrigen gehe die CDU aber davon aus, dass für die Zukunft klare Regelungen getroffen werden. Unter anderem befasse sich der Landtags-Finanzausschuss in der kommenden Woche mit den Fragen.

(Quellen: Koehn, Porsch, Nolle vor Journalisten in Leipzig; Brüggen in einem Brief an den Vorsitzenden des Landtags-Finanzausschuss; Jurk, Hähle, Finanzministerium in Pressemitteilungen)