Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 14.06.2001

Opas Uhr tickt wieder richtig

Partei und Fraktion wollen Frieden mit Kurt Biedenkopf
 
DRESDEN. Zum Sekt gibt es Histörchen. Dort drüben - Hausherr Kurt Biedenkopf und Gattin Ingrid weisen die Richtung - war jene Poststelle, wo die ersten der bis heute 10 000 Bürgerbriefe ankamen. Ja, ja, am Anfang war es besonders schwer in diesem Provisorium, das die Stasi einst als Gästehaus errichtete. Manchmal 35 Leute unter einem Dach. Aber zum Glück zieht man bald um.

Sachsens CDU-Kreischefs, die am Dienstagabend zum Essen auf der Dresdner Schevenstraße geladen sind, zeigen sich beeindruckt. Fast kommt Verlegenheit auf, als ihnen Biedenkopf auch noch die Uhren zeigt. Eine stammt von seinem Opa. So viele nette Worte vom Gastgeber.

Dem widersprach dann auch keiner, als Biedenkopf zum politischen Teil des Abends überging. Die Angriffe gegen ihn seien Teil einer Kampagne, mit der die Bundes-SPD ihre Macht vergrößern will. Sachsen soll mit Hilfe von Rot-Rot erobert werden. Verhindern könne das nur eine starke Landes-CDU, die sich nicht in Personalangelegenheiten zerreibt. Mit der für 2003 geplanten Amtsübergabe bleibt genügend Zeit für eine erfolgreiche Wahlschlacht, beruhigt Biedenkopf.

Trotz Rechenexempel: Rechnungshof abgebügelt

Die Vertreter der Parteibasis, die nur wenige Tage zuvor eine zügige Nachfolgeregelung gefordert hatten, nicken. Auch als Biedenkopf erklärt, die später notwendige Personalentscheidung könne zudem nicht vornehmlich im CDU-Landesvorstand fallen, weil dort "streitbefangene Personen" sitzen, wird der versteckte Hinweis auf den ehemaligen Finanzminister und CDU-Landesvize Georg Milbradt ohne Widerspruch akzeptiert.

Das harmonische Treffen auf der Schevenstraße zeugt vom Klimawechsel. Nach den monatelangen Negativschlagzeilen setzt eine Mehrheit in Partei und Fraktion jetzt offenbar auf Ruhe. Nach dem De-Facto-Aufschub in der leidigen Personaldebatte bekam Biedenkopf auch wichtige Rückendeckung durch die CDU-Fraktion, die den Schlussstrich unter der Gästehaus-Affäre vorbereitet.

Mehrheitlich entschieden die CDU-Abgeordneten gestern, den Rechnungshofbericht zur Schevenstraße am kommenden Montag im Finanzausschuss lediglich "zur Kenntnis zu nehmen". Den politischen Ritualen zufolge werden damit die Forderungen der Prüfbehörde, die auf einer weit höheren Nachzahlung als den von Biedenkopf eingestandenen 123 000 Mark besteht, offiziell abgelehnt. Zwar gab es sowohl in der Fraktion als auch zuvor im CDU-Arbeitskreis Finanzen vereinzelte Gegenstimmen. Mit der Entscheidung ist jedoch klar, dass der affärengeplagte Ministerpräsident unter das Schutzschild der Mehrheitsfraktion schlüpfen darf. Ohne Belang blieb, dass Rechnungshofpräsident Hans-Günther Koehn in einem Schreiben an CDU-Fraktionschef Fritz Hähle, das der SZ vorliegt, die offenen Forderungen zuvor nochmals plausibel erläuterte. Der Abgeordnete Georg Milbradt enthielt sich gestern übrigens der Stimme und verwies dabei auf die Staatsanwaltschaft. Tatsächlich wird seit kurzem ermittelt - gegen Unbekannt im Finanzministerium. Nicht gegen Kurt Biedenkopf.
(Gunnar Saft)