Karl Nolle, MdL

DNN, 02.11.1999

Gegenwind für Manfred Müntjes

Landtagsabgeordenete Marlies Volkmer will im SPD-Unterbezirk Dresden-Elbe-Röder Vorsitzende wer
 
DRESDEN. Die über 850 SPD-Mitglieder in und um Dresden stehen vor einer Kampfabstimmung um den Chefposten im zweitgrößten sächsischen SPD-Unterbezirk, Dresden-Elbe-Röder. Die Landtagsabgeordnete Marlies Volkmer will beim Parteitag am 20. November will gegen Manfred Müntjes antreten, der seit fünf Jahren im Amt ist.
Müntjes hatte sich nach der Kommunalwahl Mitte Juni nur knapp im Vorsitz behaupten können. Bei einer Sondersitzung am 22. Juni hatte fast die Hälfte des Unterbezirksvorstands, dem auch Volkmer als Beisitzerin angehört, für den eigenen Sturz, den Rücktritt des gesamten 16köpfigen Gremiums gestimmt. Genossen aus dem Ortsverein Dresden-Gruna um den Schatzmeister des Unterbezirks, Martin Schwan, kritisierten Müntjes Ende Juni in einem Brief an alle Parteimitglieder hart. Sie forderten, die nächsten fünf Jahre zur "grundlegenden inhaltlichen, personellen, organisatorischen und atmosphärischen Erneuerung" zu nutzen. Müntjes habe "leider fast ohne Rücksicht auf Parteiinteressen" den Ausbau eigener Positionen betrieben, Gefolgsleute belohnt und Gegner bestraft.
Als Nachfolger für den 37-jährigen Müntjes war der Verleger und jetzigen Landtagsabgeordneten Karl Nolle im Gespräch, doch der winkte ab. Für die regulären Vorstandswahlen am 20. November wurde in den vergangenen Wochen René Vits gehandelt, Direktkandidat bei der Landtagswahl, Euro-Betriebsrat im Dresdner Werk des US-Autoteilezulieferers Federal Mogul und Mitbegründer der Arbeitsloseninitiative Dresden. Vits habe auf eine Kandidatur verzichtet, aber seine Mitarbeit im Vorstand angeboten, sagte Müntjes gestern.
An Stelle von Vits will nun die 52-jährige Ärztin und Landtagsabgeordnete Marlies Volkmer Müntjes an der Spitze des Unterbezirks ablösen. Sie sei von ihrem Ortsverein Klotzsche/Pieschen zur Kandidatur vorgeschlagen worden, sagte Volkmer gestern den DNN. "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagte Müntjes zu dem Zweikampf um den Vorsitz. Für den Landtagswahlkampf hatten sich Müntjes und seine parteiinternen Gegner auf eine Art Burgfrieden geeinigt. Der hielt offenbar auch über er den 19. September hinaus: "Die Situation ist so, dass die Kollegen, die sich kritisch geäußert haben, weiterhin der Auffassung sind, dass wir dringend eine Veränderung brauchen", sagte Müntjes den DNN. Auch er befürworte Veränderungen. Die aber ließen sich nicht dadurch erreichen, indem man ihm und dem Chef der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat, Albrecht Leonhardt, allein die Schuld am Wahlergebnis zuschiebe. In Meißen - dort sitzt Müntjes im Kreistag - und in Radebeul habe man gegen den negativen Trend hinzugewonnen, in Chemnitz und in Leipzig - trotz Sympathieträger OB Wolfgang Tiefensee - habe die SPD deutlich mehr verloren als in Dresden.
Das schwache Abschneiden der SPD in der Landeshauptstadt, wo sie zwei von elf Stadtratsmandaten verlor, führt Müntjes auf schlechte Außendarstellung der Parteiarbeit zurück: "Uns ist es nicht gelungen, eine klare Position in der Stadt zu vermitteln", sagte Müntjes. Dazu habe auch beigetragen, dass sich die von der SPD gestellten Bürgermeister öffentlich gestritten hätten. Schuld wies er auch dem ehemaligen Landesvorsitzenden Karl-Heinz Kunckel zu, der die Dresdner SPD zu einem Konsenskurs mit der CDU und dem christdemokratischen Oberbürgermeister Herbert Wagner gedrängt habe.
Nach dem verheerenden Landtagswahlergebnis sieht Müntjes für die SPD eine Chance, wenn sich die Partei öffne: Man müsse endlich erkennen, "dass die Ausgrenzungspolitik gegenüber den ehemaligen SED-Mitgliedern ein Fehler war."
Müntjes, Geschäftsführer des Vereins EuroPractica, der Auslandpraktika für Arbeitnehmer und Arbeitslose vermittelt, stammt aus Mühlheim in Nordrhein-Westfalen und löste 1994 Jörg Floßmann als SPD-Vorsitzenden ab. In einer Kampfabstimmung konnte er sich damals gegen Ursula Häring und Helmut Grabowski durchsetzen. Seither hatte er keinen Gegenkandidaten mehr. Volkmer ist seit 1990 Landtagsabgeordnete und machte sich einen Namen als sozial- und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.
Bei diesem Treffen mit Greta Wehner war die Welt noch in Ordnung: Inzwischen erlebte die sächsische SPD das Debakel zu den Landtagswahlen und zwischen Marlies Volkmer (re.) und Manfred Müntjes wird es zur Kampfabstimmung um die Führung des Unterbezirks Dresden-Elbe-Röder kommen.
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(von Stefan Alberti)