Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 14.12.2001
Die Ehefrau als Königsmörderin
Kurt Biedenkopf ist als sächsischer Ministerpräsident am Ende - die CDU diskutiert schon sein Rücktrittsdatum
DRESDEN. Welch bittere Ironie. Seit Wochen beschäftigt sich Sachsens CDU mit der KM-Frage: Wer wird der Königsmörder sein? Traut sich Georg Milbradt, der CDU-Vorsitzende? Wagt es ein älteres Kabinettsmitglied, dem Ministerpräsidenten die bittre Wahrheit zu überbringen? Oder Fraktionschef Fritz Hähle? Hat sich erledigt - der "Rabatt-Vorfall" der Biedenkopfs bei Ikea, bei dem Ehefrau Ingrid die Hauptrolle gespielt haben soll, hat die KM-Frage entschieden: Kurts Ehefrau ist die Königsmörderin, wenngleich aus Versehen.
Der fragwürdige Kassenkampf dürfte, da ist man in Dresden sicher, als Kollateralschaden das beschleunigte Karriereende von Ehemann Kurt bewirken. Die Frage lautet nur noch: wann? Mehr noch als die Billigmietaffäre aus dem Sommer, die hemmungslose Nutzung von Dienstautos und Personal durch Ehefrau Ingrid und die angebliche Lüge des Ministerpräsidenten in einem Untersuchungsausschuss hat der Ikea-Vorfall die CDU aufgebracht. Die Sache ist so eindeutig wie beschämend. "Das alles ist nicht mehr zu ertragen", sagte ein CDU-Mann am Donnerstag.
Biedenkopf wollte nach der Bundestagswahl 2002 zurücktreten. Doch nach der "Schnorrer-Affäre" - am Donnerstag durch neue Vorwürfe über großzügige Rabatte bei Karstadt angereichert - hat Biedenkopf nicht mehr das Heft in der Hand.
Schon in der Fraktionssitzung am Mittwoch traf er auf eisiges Schweigen. Der frühere Innenminister Heinz Eggert empfahl Biedenkopf, seine Terminplanung zu überdenken. CDU-Vorsitzender Milbradt soll ihm die Pistole auf die Brust gesetzt haben: "Kurt, da kommt doch hoffentlich nicht noch mehr? Bei einer von Milbradt geforderten Fraktionssondersitzung am Donnerstagmittag sollen vier CDU-Abgeordnete Biedenkopfs Rücktritt gefordert haben, weil der Ministerpräsident zuvor im Landtag gestreut habe, Milbradt habe am Morgen seine Ablösung verlangt.
Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass Biedenkopf vor Weihnachten aufhört. Ein unmittelbarer Rücktritt wäre ein Schuldeingeständnis. "Definitiv ausgeschlossen", teilte die Staatskanzlei mit. Am heutigen Freitag wird er im Landtag sprechen: Die SPD hat das Thema "Der Ministerpräsident und die Wahrheit" aufgerufen. Und am 10. Januar, hat Biedenkopf der CDU zugesagt, werde er noch einmal im "Paunsdorf-Untersuchungsausschuss" aussagen.
Der Ausschuss befasst sich mit einem Bürobau eines Duz-Freundes Biedenkopfs in Leipzig, den der Ministerpräsident übers Normalmaß gefördert haben soll. Zudem kursieren Anschuldigungen, Ingrid Biedenkopf sei finanziell daran beteiligt.
Der 10. Januar gilt in der CDU deshalb als "magisches Datum". Dann könne Biedenkopf noch einmal Punkte machen und sein Karriereende halbwegs erträglich gestalten. 18 Tage danach wird er 72 Jahre alt, das sei genau die richtige Zeit, um Schluss zu machen. In der CDU heißt es, Biedenkopf habe nach dem "Ikea-Vorfall" und der "katastrophalen Medienlage" begriffen, dass ihm die Zeit zwischen den Fingern verrinne. Seine Versuche, den ungeliebten Milbradt als Nachfolger zu verhindern, gelten als endgültig gescheitert. Finanzminister Thomas de Maizière, den Biedenkopf zuletzt als Kronprinzen für die Landtagswahl 2004 aufbauen wollte, habe längst das Lager gewechselt.
So bestätigt sich wohl in Sachsen, was Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen, der früheren Heimat Biedenkopfs, schon immer vermuteten: "Wenn der Bieko mal stürzt, dann über seine Frau."
(Bernhard Honnigfort)