Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 15.12.2001
Biedenkopf deutet vorzeitigen Rücktritt an
Sächsische Unionskreise bestätigten, dass parteiintern noch kein definitiver Rücktrittszeitpunkt vereinbart worden sei
Dresden - Der unter Druck stehende sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) schließt einen sofortigen Rücktritt aus und will seine Nachfolge in einem geordneten Verfahren regeln. Allerdings deutete er am Freitag in Dresden an, dass er sein Amt womöglich früher als bisher beabsichtigt niederlegen will. Bisher hatte er für eine Machtübergabe stets einen Termin nach der Bundestagswahl genannt. Nun bezeichnete er dieses Datum nur noch als "Zeitrahmen". Der wegen diverser Affären ins Gerede geratene CDU-Politiker, der einräumte, dass er sich aktuell in Turbulenzen befinde, sagte: "Über diesen Zeitrahmen entscheide ich selbst."
Sächsische Unionskreise bestätigten, dass parteiintern noch kein definitiver Rücktrittszeitpunkt vereinbart worden sei. Für möglich gehalten wird, dass Biedenkopf im Frühjahr seine Demission verkündet. Anbieten würde sich als frühestes Datum der 28. Januar: Dann feiert er seinen 72. Geburtstag. Selbst Biedenkopf-Kritiker sind sich sicher: "Jetzt ist erst einmal der Dampf raus, in den nächsten drei Wochen herrscht Ruhe." Auch die CDU-Fraktion, aus der vereinzelte Rücktrittsforderungen laut geworden waren, stellte sich am Freitag hinter ihren Regierungschef und applaudierte ihm demonstrativ.
Biedenkopf hatte in einer Aktuellen Stunde gegen ihn erhobene Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Immobilienaffäre zurückgewiesen. Beim Bau eines Behörden- und Einkaufszentrums in Leipzig-Paunsdorf soll Biedenkopf, so die Opposition, massiv zu Gunsten des mit ihm eng befreundeten Investors Karl Barth interveniert haben. Daraus sei dem Freistaat - er hat in dem Komplex zu aus heutiger Sicht nachteiligen Konditionen Behörden untergebracht - ein Millionenschaden entstanden. Der Vorgang beschäftigt seit über einem Jahr einen Untersuchungsausschuss, vor dem Biedenkopf nach Ansicht von PDS und SPD die Unwahrheit gesagt hat. "Ungeheuerliche Vorwürfe", empörte sich Biedenkopf in einer kämpferischen Rede, "es hat keine unzulässige Einflussnahme stattgefunden". Sein Engagement für Barth stellte er als üblichen Akt der Investorenbetreuung dar.
Briefdokumente belegen, dass Biedenkopf Wünsche des Unternehmers zu Mietkonditionen und einer Kaufoption direkt an untergeordnete Stellen durchgestellt hat. Für den Betroffenen stellt das kein Problem dar: Er habe nur Informationen des Investors weitergereicht. Die Dokumente seien rechtswidrig von dem Untersuchungsausschuss in die Öffentlichkeit gelangt. Am 10. Januar wird Biedenkopf ein zweites Mal vor den Untersuchungsausschuss geladen. Seine Rabattaffäre - bei Ikea hatte das Ehepaar Biedenkopf gegen die Gepflogenheiten des Möbelhauses einen Nachlass erstritten - begründete der Regierungschef mit sozialem Engagement. Dafür würden er und seine Frau jährlich einen Betrag von 10 000 bis 20 000 Mark aufwenden: "Wir sind nicht von Geiz getrieben."
Die Opposition forderte Biedenkopfs Rücktritt. "Ein Jahr der Zumutungen neigt sich dem Ende", sagte PDS-Mann Peter Porsch und warf Biedenkopf "ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit" vor.
(Von Uwe Müller)