Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.01.2002

Das letzte Wort hat das Parlament

Der Landtag und nicht allein die CDU entscheidet über den Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf
 
Seit der Neujahrsansprache des Ministerpräsidenten, die von Kurt Biedenkopf (CDU) als seine letzte offizielle Rede bei einem Jahreswechsel bezeichnet wurde, läuft im Freistaat der Countdown für den Machtwechsel. Der CDU-interne Kampf um die künftige Besetzung des Premiersamtes muss bald entschieden werden. Mit einem raschen Wechsel an der Spitze der Regierung ist aber nicht zu rechnen, im Gegenteil. Selbst CDU-Landeschef Georg Milbradt, der als neuer Ministerpräsident bereitsteht ("Wenn es die Partei will"), kann bei einem Rücktritt Biedenkopfs nicht sofort in die Staatskanzlei am Dresdner Elbufer wechseln.

Die sächsischen Christdemokraten, die bei der Landtagswahl 1999 mehr als die Hälfte der Wählerstimmen errangen, wollen im Fall des Biedenkopf-Rückzuges zunächst einen Sonderparteitag einberufen. Auf dem sollen die Delegierten über einen Nachfolger entscheiden. Möglich ist, dass sich dabei mehrere Bewerber um den Zuschlag bemühen. Doch sollte sich Milbradt dann wie bei seiner Wahl zum Parteichef erneut per Kampfkandidatur durchsetzen, wäre dies für ihn auch nur ein Etappensieg. Laut Verfassungsartikel 60 wird Sachsens Ministerpräsident allein von den Mitgliedern des Landtages gewählt. Die Empfehlung des Parteitages hat deshalb für die 120 Abgeordneten keine bindende Wirkung. Das Parlament kann dem Personalvorschlag nachkommen oder sich völlig unabhängig für eine andere Person entscheiden. In der Praxis hat das Votum der Parteitagsdelegierten jedoch Gewicht, weil die CDU mit 76 Abgeordneten zurzeit über die absolute Mehrheit verfügt. Sollten alle christdemokratischen Parlamentarier die Entscheidung ihrer Landespartei akzeptieren, wäre die Wahl nur eine Formsache. Weil aber über einen neuen Ministerpräsidenten stets geheim abgestimmt wird, verbleibt auch für einen offiziellen CDU-Kandidaten ein Rest an Unsicherheit.

Theoretisch wären beim Rücktritt des Regierungschefs auch Neuwahlen möglich, wie es die SPD fordert. Dafür müsste sich allerdings der Landtag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auflösen. Einen solchen Schritt lehnt die CDU-Fraktion jedoch kategorisch ab. Damit bleibt es bis 2004 bei der bestehenden Sitzverteilung im Landtag. Zu gravierenden Änderungen wird es dagegen schon in diesem Jahr im Kabinett kommen. Laut Ministergesetz müssen beim Rücktritt Biedenkopfs auch alle zehn Staatsminister ihr Amt aufgeben. Sie sind lediglich angehalten, die Amtsgeschäfte bis zur Wahl des neuen Regierungschefs weiterzuführen. Der künftige Ministerpräsident entscheidet anschließend in eigener Regie, wen er von Biedenkopfs Ex-Ministern erneut ins Kabinett beruft oder wer sich neue Aufgaben suchen muss.

(Von Gunnar Saft)