Karl Nolle, MdL

DNN, 09.01.2002

Rückzug auf Raten

Kommentar von Jürgen Kochinke
 
DRESDEN. Seit Monaten ist Sachsens Politik nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wo Sachfragen zur Debatte stehen müssten, gibt es Personalquerelen, viel Irrationalität und noch mehr Lähmung. Grund sind die Affären rund um Regierungschef Kurt Biedenkopf, der Stück für Stück abrücken muss von einem alten Traum: einem Abgang in Würde. Das ist tragisch für einen Regierungschef mit unbestreitbar großen Verdiensten.

Weil er den richtigen Zeitpunkt versäumte, hat er nun nicht mehr die Kraft, seine Nachfolge aktiv zu gestalten. Dazu passt das Prozedere von gestern: Biedenkopf machte nicht reinen Tisch mit Blick nach vorn, er präsentierte vielmehr die Ankündigung einer Ankündigung. Damit setzt sich der quälende Prozess der Ungewissheit fort, der nur eine Ursache hat: Biedenkopfs Skepsis gegenüber Milbradt.

Den will Biedenkopf immer noch verhindern und weiß doch genau, dass ihm die Mittel dazu fehlen. Letztlich sind ihm die Hände gebunden. Seinen Intimfeind kann er nur demontieren, wenn dieser Fehler macht - oder auf Kosten der Partei. Das Erste ist unwahrscheinlich, das Zweite aber passt nicht zum Staatsmann Biedenkopf, der gern in die Geschichtsbücher eingehen würde.

Heraus kommt ein Rücktritt auf Raten, nichts weiter als Handeln durch Unterlassen, das Gegenteil von Politik. Milde lächelnd inszeniert ein Denkmal seinen eigenen Sinkflug. Auch das ist tragisch.
(Jürgen Kochinke)