Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 10:45 Uhr, 10.01.2002

Vom Milbradt-Rauswurf bis zum Ikea-Rabatt

Das Affären-Jahr 2001 des Kurt Biedenkopf
 
2001 war das Affären-Jahr des Kurt Biedenkopf (CDU). Der Ministerpräsident stand seit Jahresbeginn unter Druck - er kam aus der eigenen Partei, der Opposition und der Öffentlichkeit. ddp dokumentiert nachfolgend die wichtigsten Stationen:

30. Januar: Biedenkopf entlässt seinen Finanzminister Georg Milbradt (CDU). Grund ist ein Streit um die offene Nachfolge Biedenkopfs nach der Landtagswahl 2004. Die Entlassung ruft heftigen Unmut in der sächsischen CDU hervor.

26. Februar: Biedenkopf sagt vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss im Landtag aus. Die Abgeordneten wollen klären, ob der Regierungschef zugunsten eines befreundeten Bauunternehmers Einfluss auf eine Behörden-Ansiedlung in dem Leipziger Büro-Komplex genommen hat. Biedenkopf weist die Vorwürfe zurück, es sei ihm allein darum gegangen, eine Investition nach Leipzig zu holen.

28. März: Nach einer Reihe von Krisentreffen beschließt der
CDU-Landesvorstand, den für November angesetzten Landesparteitag auf September vorzuverlegen. Eine Kandidatur Milbradts zum Parteichef gilt als möglich. Damit würde der von Biedenkopf gefeuerte Minister zum heißesten Anwärter auf dessen Nachfolge.

2. April: Die «Dresdner Morgenpost» berichtet über einen Einsatz des vom Freistaat bezahlten Personals im Gästehaus der Staatsregierung auch in den privaten Räumen des Ehepaars Biedenkopf. Zugleich werden Zweifel laut, ob die Miete von 8,15 Mark pro Quadratmeter (kalt) für die Privat-Wohnung zu niedrig angesetzt ist. Die Mietaffäre nimmt ihren Anfang.

1. Mai: Nach der Rückkehr von einer mehrwöchigen USA-Reise äußert sich Biedenkopf erstmals selbst zu den Vorwürfen. In den Räumen des Gästehauses lasse sich Privates und Dienstliches nicht trennen, betont er. Daher sei er der Ansicht, dass mit der Miete sowie den Betriebskosten auch die private Inanspruchnahme des Personals abgegolten ist.

2. Mai: Ein Bericht der Staatskanzlei bringt deutliche Versäumnisse bei der Bewirtschaftung des Gästehauses ans Licht. Die Prüfungen sprechen den Ministerpräsidenten jedoch auch von dem Vorwurf frei, zu wenig Miete für die Privaträume bezahlt zu haben. Allerdings muss Biedenkopf möglicherweise für den Einsatz von Mitarbeitern in seinem Privat-Haus am bayerischen Chiemsee mehrere Tausend Mark an die Steuerbehörden zahlen. Außerdem wird den Biedenkopfs voraussichtlich noch in Rechnung gestellt, dass sie Familienangehörige in Zimmern des Gästehauses untergebracht haben. Biedenkopf erklärt, in allen offenen Fragen solle im Zweifel zu seinen Ungunsten entschieden werden.

8. Mai: Biedenkopf verlangt die Aufstellung klarer Regelungen für die Bewirtschaftung des Gästehauses. In einem Schreiben an Finanzminister Thomas de Maiziere (CDU) bittet er den Ressortchef, dass «der weitere Verbleib» von ihm und seiner Frau in der Schevenstraße «durch unmissverständlich und unanfechtbare Erklärungen abschließend geregelt wird». Eine entsprechende Vorlage erwarte er bis Ende Mai.

12. Mai: Das Nachrichten-Magazin «Der Spiegel» berichtet, Biedenkopf habe sich im September 1999 von einem befreundeten bayerischen Bauunternehmer zu einem Gratis-Aufenthalt auf einer Luxusyacht in Monte Carlo einladen lassen. Für die geschäftlichen Interessen des selben Unternehmers habe sich Biedenkopf vorher persönlich eingesetzt. Der «Focus» berichtet, Ingrid Biedenkopf habe sich bei der Vertragsgestaltung persönlich für die Mieter im Gästehaus eingesetzt.

14. Mai: Biedenkopf sieht weiterhin keinen Anlass für persönliche Konsequenzen aus den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen. Die Anschuldigungen gegen ihn seien haltlos. Er wertet die jüngsten Angriffe als «Machtkonflikt». Die PDS verlangt unterdessen, in einer Landtagssondersitzung am 16. Mai geheim über einen Antrag abzustimmen, mit dem Biedenkopf zum Rücktritt aufgefordert werden soll.

30. Mai: Der Ministerpräsident zahlt wegen der Mietaffäre rund 120 000 Mark an den Freistaat zurück. Die Summe setzt sich aus Zahlungen für die private Nutzung von Personal des Freistaates und von Dienstwagen zusammen. Die Mietkonditionen für das Gästehaus werden neu geregelt.

6. Juni: Biedenkopf und seine Frau kündigen ihrer Umzug nach Radebeul an. In dem Dresdner Vorort haben sie eine Wohnung angemietet.

31. August: In der Paunsdorf-Affäre erhebt der ehemalige Leiter des Leipziger Liegenschaftsamtes, Norbert Steiner, vor dem Untersuchungsausschuss schwere Vorwürfe gegen das Ehepaar Biedenkopf. Beide hätten Einfluss auf die Verhandlung der Mietkonditionen genommen.

4. September: Der Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Giesen rügt die Arbeit im Büro Ingrid Biedenkopfs. Die Verarbeitung personenbezogener Daten in dem mehrfach von der Opposition kritisierten Büro sei in «vielen Fällen rechtswidrig und unzulässig».

15. September: Die sächsische CDU wählt Milbradt zu ihrem neuen Vorsitzenden. Er setzt sich gegen den von Biedenkopf favorisierten Umweltminister Steffen Flath durch.

Ende November: In der Paunsdorf-Affäre wird ein Brief des mit Biedenkopf befreundeten Bauunternehmers an den Ministerpräsidenten aus dem Jahr 1993 bekannt. Er stützt den Verdacht der Einflussnahme Biedenkopfs auf die Mietkonditionen.

8. Dezember: Die «Sächsische Zeitung» berichtet über einen unüblichen Rabatt für die Biedenkopfs bei einem Einkauf bei Ikea.

12. Dezember: Biedenkopf räumt bei einer Sitzung der
CDU-Landtagsfraktion Fehler in der Ikea-Affäre ein.

14. Dezember: Biedenkopf lehnt in einer aktuellen Debatte im Landtag einen sofortigen Rücktritt ab. Er kündigt aber an, seinen Zeitplan zum Rückzug aus dem Amt noch einmal zu überdenken. Dieser sah bislang vor, dass er nach der Bundestagswahl 2002 im September den Staffelstab an seinen Nachfolger übergibt.

30. Dezember: In einem Interview mit der «Welt am Sonntag» gibt Biedenkopf Spekulationen um einen baldigen Rückzug neue Nahrung. «Die Dinge nähern sich einem Punkt, an dem man sich fragt, ob das alles noch Sinn macht», sagt er.

ddp/kfr/lam

101045 Jan 02