Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.02.2002

Hochwasser in der Elbe, Flaute im Kabinett

Die Biedenkopf-Regierung tagt zwar noch regelmäßig, entscheidet aber nichts mehr
 
Im Dresdner Regierungsviertel gibt es liebgewonnene Rituale. Eines besteht darin, dass Regierungssprecher Michael Sagurna am späten Dienstagmittag die Öffentlichkeit informiert, welche wichtigen Entscheidungen die Ministerrunde um Premier Kurt Biedenkopf (CDU) getroffen hat, nachdem das Kabinett zuvor wie jeden Dienstag pünktlich neun Uhr zu seiner wöchentlichen Sitzung zusammengekommen war.

In letzter Zeit musste Sagurna dabei aber häufig auf Sparflamme kochen. Statt schlagzeilenträchtiger Gesetzentwürfe präsentierte er politische Beinahe-Banalitäten. Dazu gehörte eine Meinungsumfrage, deren wichtigsten Ergebnisse längst allen Medien bekannt waren. Eine Woche später folgte dann der Versuch, mit der Vorstellung des "Telematikberichts" zu beeindrucken. Doch auch das misslang. Am Ende blieb nur hängen, dass der Freistaat in der Gunst angehender IT-Spezialisten als Studien- und Arbeitsort nach hinten gerutscht ist. Für etwas Abwechslung sorgte diesen Dienstag die jährliche Kriminalitätsstatistik. Dafür war aber ein Kunstgriff nötig. Der üblicherweise im März fällige Bericht wurde vorgezogen.

Die zunehmende Sprachlosigkeit des Regierungssprechers hat einen Grund. Seit Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit dem 18. April seinen Rücktrittstermin bekanntgegeben hat, hält bei der Kabinettsarbeit schleichend der Stillstand Einzug. Viele Fachminister lehnen sich bewusst zurück: Routine statt Risiko. Und so sorgt derzeit einzig das Hochwasser in der Elbe, das fast die Stufen der Staatskanzlei erreicht hätte, für ein wenig Aufregung.

Sächsische Steuerreform: Heringszins abgeschafft

Dabei gibt es eigentlich viel zu tun, denn die Liste der unerledigten Hausaufgaben ist lang. Seit Monaten ist beispielsweise die mit Spannung erwartete Novelle für ein neues Datenschutzgesetz überfällig. Auch gibt es immer noch keine Entscheidung über die Finanzierung des City-Tunnels in Leipzig, der künftig eine zügige Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und München garantieren soll. In den Landkreisen wartet man unterdessen auf die seit Jahren versprochene Verwaltungsreform. Ein Konzept gegen die Abwanderung der Jugend ist genau so wenig in Sicht wie eine abgeschlossene Schulnetzplanung. Ganz zu schweigen vom angekündigten Sofort-Programm für wirtschaftlich notleidende Regionen.

Nun schlägt die Opposition - halb besorgt, halb vergnügt - Alarm und warnt vor einer monatelangen Lähmung. "Das Land nimmt Schaden, weil die CDU-Regierung ihren Aufgaben nicht nachkommt", kritisiert PDS-Fraktionschef Peter Porsch. Und er legt den Finger in eine weitere Wunde. Auch das per Volksentscheid im Oktober 2001 beschlossene Sparkassengesetz sei überfällig und müsse sofort in Kraft gesetzt werden. Die SPD-Fraktion macht Druck, indem man bewusst auf die Bremse tritt. Die Universitäten sollen auf den geplanten Hochschulvertrag und damit auf einen "halbherzigen Konsens" verzichten, so der aktuelle Aufruf. Damit torpediert man ausgerechnet das einzige Projekt, das Noch-Premier Biedenkopf erklärtermaßen bis April erledigt sehen will. Doch dessen Zeit wird knapp. Mancher Christdemokrat ahnt bereits, dass sie nicht reichen könnte. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle räumt ein: "Schön, wenn der Vertrag bis April steht. Sonst ist auch das eine Aufgabe für die neue Regierung."

Allein Finanzminister Thomas de MaiziSre (CDU) nutzt die Flaute, um sich unerledigten Dingen zu widmen. So befreite er jetzt die Stadt Leisnig vom Heringszins. Der war seit 1504 in Form einer Tonne Fisch für das Schloss Mildenstein fällig, ab 1616 war ein Geldbetrag nach Dresden abzuführen. Nachdem man das aber jahrhundertelang "vergaß", verzichtete de MaiziSre nun auch offiziell auf diese Steuer - beim zünftigen Fischessen. Terminstress hat er nicht. Nächste Woche fällt die Kabinettssitzung ganz aus. Zum Glück ist Fasching.

(von Gunnar Saft)