Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 23.02.2002

Die Ära nach der Ära

Nach dem Rücktritt erwarten Kurt Biedenkopf monatlich 12 000 Euro und hintere Bankreihen im Landtag
 
Wenn Kurt Biedenkopf am Vormittag des 18. April seinen angestammten Platz auf dem Podium des Dresdner Landtags einnimmt, macht er das zum letzten Mal als sächsischer Ministerpräsident. Bereits nach einer knappen halben Stunde, einigen organisatorischen Wortmeldungen und einem Wahlakt wird er die fünf Schritte zum Rednerpult nehmen, um seinem Nachfolger zu gratulieren. So sieht es jedenfalls das bisher inoffizielle Protokoll vor.

Danach beginnt für den CDU-Politiker Biedenkopf die Ära nach der Ära. Politisch bleibt dem 72-Jährigen bis Herbst 2004 sein Landtagsmandat. Finanziell kann sich der Ministerpräsident a. D. auf ein bequemes Auskommen freuen. Der Bund der Steuerzahler hatte kürzlich ausgerechnet, dass ihm allein für seine Zeit in Sachsen ein lebenslanges Ruhegehalt von monatlich 6 896 Euro zusteht. Inzwischen weiß man aber mehr. Zusammen mit den Ansprüchen, die sich Biedenkopf während seiner Zeit als Politiker in Nordrhein-Westfalen und im Bundestag erworben hat, stehen ihm nach SZ-Informationen sogar 12 000 Euro zu. Läuft das Landtagsmandat in Sachsen ab oder gibt es Biedenkopf vorfristig auf, sind es noch 8 000 Euro.

Für Kurt Biedenkopf dürfte es aber weniger eine Geldfrage sein, ob er seine eigene Ankündigung wahr macht, in Sachsen mindestens bis 2004 politisch präsent zu sein. Nach den CDU-internen Querelen um den vorgezogenen Machtwechsel will nicht mehr jeder Christdemokrat ausschließen, dass der beim Wahlvolk als "Landesvater" beliebte Ex-Premier Sachsen schon früher den Rücken kehrt. Zumindest in einem Interview erklärten Biedenkopf und seine Frau Ingrid vor wenigen Wochen, ihnen gefalle es im eigenen Haus am bayerischen Chiemsee auch sehr gut.

Theoretisch ist es sogar möglich, dass sich Biedenkopfs neben ihrem Radebeuler Domizil auf ihren Zweitwohnsitz an den Chiemsee zurückziehen, ohne dass der ehemalige Regierungschef sein Abgeordnetenmandat in Dresden aufgeben muss. Die Teilnahme an den monatlichen Sitzungen des sächsischen Landtages sind für keinen der 120 Abgeordneten Pflicht. Nur das Sitzungsgeld von 35,80 Euro wird bei Nichterscheinen einbehalten.

Schwierig: Nach zwölf Jahren zurück ins Glied

Doch an ein solches "Auswärts-Spiel" mag in der CDU-Fraktion zurzeit niemand glauben. Wenn es Probleme mit Biedenkopfs Wechsel in den normalen Parlamentsbetrieb geben sollte, so liegen die woanders, ist man überzeugt. Nach zwölf Jahren als Ministerpräsident sei es sicher nicht leicht, sich sofort als einfaches Mitglied in der 76-köpfigen Fraktion zu integrieren. Dass Kurt Biedenkopf bis heute kein eigenes Büro im Parlament hat, sorgt dagegen für Gelassenheit. Lediglich ein Besprechungszimmer stand dem Ministerpräsidenten bisher exklusiv zur Verfügung. Doch dieses Privileg wird sein Nachfolger übernehmen, und für Biedenkopf wird zurzeit entsprechender Ersatz gesucht.

Als heikler gilt eine andere Frage: die Sitzordnung im Parlament. In der ersten Reihe der CDU-Fraktion wird für den Ministerpräsidenten traditionell ein Platz frei gehalten. Auch diesen Anspruch wird Biedenkopf an seinen Nachfolger abtreten müssen. Und damit wird es problematisch. Auf der vorderen Bank, deren Plätze außerdem dem Fraktionschef, dessen Stellvertretern, dem Fraktionsschatzmeister und den Beisitzern zustehen, ist der Anbau eines zusätzlichen Stuhls technisch kaum möglich. Bisher ist aber keiner der Würdenträger der CDU-Fraktion bereit, seinen eigenen Platz für Kurt Biedenkopf zu räumen. Sachsens Ministerpräsident a. D. müsste damit in den hinteren Reihen platziert werden. Ein Politikum, das die Gemüter in der Mehrheitsfraktion heftig bewegt.
Von Gunnar Saft