Karl Nolle, MdL

Westfälische Rundschau, 06.01.2001

Dresdens SPD will Dezernenten zurück

OB-Kandidat: Stüdemann lehnt Angebot ab
 
DORTMUND/DRESDEN. Stadtrat Jörg Stüdemann, vor gerade einem Vierteljahr von Dresden nach Dortmund gewechselt, könnte theoretisch schon wieder seine Sachen packen: Der Opposition im Dresdener Stadtparlament ist der OB-Kandidat verloren gegangen. Dresdens SPD, in höchster Not, möchte Stüdemann zurück holen - fünf Monate vor der Wahl. Der aber denkt gar nicht dran.

Wie der 44-jährlge gestern bestätigte, hätten ihn seit seinem Amtsantritt in Dortmund - und der war erst im September vergangenen Jahres - mehrere Anfragen erreicht. Der Oppositionsclub im Dresdner Stadtrat (bestehend aus SPD, Grünen und PDS) möchte den Neu-Dortmunder als Kandidaten für die Oberbürgermeister. Wahl in Sachsens Landeshaupstadt in den Ring schicken. Stüdemann soll gegen den amtierenden OB Herbert Wagner ins Feld ziehen. Der wird von der Ratsmehrheit aus CDU, FDP und DSU gestützt. Und die dürften sich eins ins Fäustchen lachen.

Bei der Opposition ist die blanke Not ausgebrochen, ihr Bislang-Kandidat, der Unternehmer Karl Nolle, leider mit diversen Ungeschicklichkeiten behaftet, hat vor zwei Tagen das Handtuch geworfen. Im Juni soll aber schon gewählt werden. Kein Wunder, dass die Opposition in Dresden Stüdemann jetzt erst recht dicke Tränen nachweint.

Natürlich hatte Stüdemann schon zu Dresdner Zeiten vorsichtig eine mögliche Kandidatur ausgelotet - aber angesichts einer arg zerstrittenen Opposition schnell die Finger davon gelassen. „Nein", erklärte er gestern auf WR-Anfragc, „das kommt für mich nicht in Frage." Er sei bereits bei der Vorstellungsrunde in Dortmund danach befragt worden. Er habe sich für Dortmund entschieden und werde auch „mit ganzer Kraft für Dortmund arbeiten" Punkt. Stüdemann, Dezernent für Kultur, Sport und Freizeit, hat kein Parteibuch, gilt aber als der SPD und den Grünen nahestehend. Von Rot-Grün ist er auch gewählt worden.
(von Gregor Beushausen)

Kommentar: Der Autor Gregor Beushausen hat hier einiges "vermischt". Einmal ist nicht die SPD wieder an ihn herangetreten, sondern die Bürgerinitiative OB-für-Dresden. Karl Nolles Ungeschicklichket bestand darin, eine Ikone, König Kurt, nach den Normen und Werten zu fragen die er von seinen seiner Familie mitbekommen hat, eine in diesem Land offensichtlich extrem minoritäre Frage. Zum anderen ist Karl Nolle leider nicht Kandidat der Opposition geworden, obwohl sich die SPD sehr dafür eingesetzt hat. In Ermagelung anderer einigungsfähiger Kandidaten aus PDS und Grünen hat man sich bisher auf keinen gemeinsamen Kandidaten verständigen können.

Karl Nolle hat durch seinen Rücktritt von der OB-Kandidatur den Weg für neue tragfähige Kandidatenvorschläge der Oppositionsparteien freigemacht. Dazu ist inzwischen auch eine Bürgerinitiative gekommen, die einen Kandidaten finden will. Sie hat nochmal in Dortmund angerufen. Der von Stüdemann angegebene Grund nicht in Dresden zu kandidieren, die zerstrittene Opposition, ist in der Tat der reale Hintergrund. Stüdemann wäre die Idealbestzung für den OB gewesen. Wie soll aber, was 10 Jahre nicht finktioniert hat, von heute auf morgen klappen, wenn die Akteure dafür die gleichen Personen geblieben sind und "eine verlässliche konsequente (auch) SPD-Opposition fehlt", wie Stüdemann feststellt.

Inzwischen dreht sich scheinbar alles um das Phantom Berghofer, von dem niemand sagen kann, für welche Politik und welchen Politikstil er steht. Sicher kommen seine Unterstützer, wenn sie Sozialdemokraten oder gar Spitzensozialdemokraten sind, nicht daran vorbei, zu sagen, welche Gründe es gibt, einen vorbestraften Spitzen-SED-Kader den Dresdnern und der Dresdner SPD zu empfehlen. Tausende ehemalige Führungskader der SED sind auf Grundlage von Gesetzen, welche die SPD initiiert und getragen hat, aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden. Herr Berghofer könnte im Landesdienst oder bei der Stadtverwaltung Dresden nicht einmal Referent, geschweige denn Referats- oder Abteilungsleiter werden. Wo ist hier die politische Linie, hängt man künftig nur noch die Kleinen? Ist das alles Schnee von gestern? Sind die Erfahrungen der vom Regime geschundenen Menschen, von zusammen über 100 Jahren Zuchthaus Bautzen, die zu Recht auch in der SPD ihre politische Heimat gefunden haben, nichts mehr wert? Für was haben sie eigentlich gesessen und sind um ihr Lebensglück gebracht worden? Oder ist diese Frage auch altmodisch? An die Spitze gehören andere, aber keine Nomenklaturfürsten. Soviel Seife zum Händewaschen und soviel Kreide zum Fressen, wie nötig, wird man kaum auftreiben, warum auch.
KARL NOLLE.