Karl Nolle, MdL

Sächsischer Landtag/Plenum 7.10.2005, 07.10.2005

Zur Fortführung der gewerblichen Investitionszulage

Rede des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Karl Nolle
 
Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der demokratischen Fraktionen,

um die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen auf durchschnittliches Westniveau zu senken muss sich die Zahl der Erwerbstätigen in Ostdeutschland dramatisch erhöhen.

Wollten wir den Mangel an Beschäftigung und die hohe Arbeitslosigkeit durch Neuansiedlungen von Großunternehmen nachhaltig lösen, dann brauchten wir allein in Sachsen noch ca. 100 BMW-Ansiedlungen. Das dies bei allen notwendigen Anstrengungen eine unrealistische Erwartung ist, darüber sollten wir uns eigentlich, jedenfalls außerhalb der Märchenstunden in Wahlkampfzeiten, einig sein.

Ja, wir freuen uns über jeden neuen Investor einer Großansiedlung, die unser sozialdemokratischer Wirtschaftsminister Thomas Jurk von den Standortvorteilen Sachsens überzeugen kann. Und wenn es dann ein Großinvestor ist, der wie Porsche nicht als erstes die Hand aufhält, umso besser.

Nein, wir haben keine Illusionen, die Masse der notwendigen Arbeits-, und nicht zu vergessen, der Ausbildungsplätze kann künftig weiter nur im Mittelstand entstehen, dies ist der eigentliche Wirtschaftsmotor und hier müssen unsere wirtschaftspolitischen Anstrengungen immer wieder ansetzen. Und hier sind eben nicht nur Förderung von Wachstum sondern immer mehr auch Konsolidierungs-Anstregungen und Konsolidierungshilfen für die im harten Wettbewerb stehenden Mittelständler notwendig.

Besonders deshalb, weil die Arbeitsplatzefffekte bei Förderung mittelständischer Unternehmen um ein vielfaches, nämlich um den Faktor 5 bis 10 größer sind als bei den gehätschelten Großunternehmen.

Mittelstand, das war vor fünf Jahren in Sachsen wie eine Monstranz, die die Politik vor sich hertrug, real spielte der Mittelstand eine weniger wichtige Rolle im Bewusstsein sächsischer Wirtschaftspolitiker. Wir Sozialdemokraten waren damals die ersten, die unter meiner Federführung, eine umfassende Analyse und programmatische Thesen zu einer sächsischen Mittelstandsinitiative vorgelegt haben. Damals hätten wir noch Geld für mittelständische Wirtschaftsförderung gehabt, das uns leider heute für die nachhaltige Förderung des Mittelstandes fehlt.

Anrede,

hier in Sachsen hat die berühmte Pferdeäpfeltheorie lange Zeit fröhliche Urständ gefeiert und sie feiert heute immer noch. Diese Theorie, hat sich nicht nur hartnäckig in der Wirtschaftspolitik gehalten, sondern hat inzwischen auch begonnen sowohl die Grundsätze christlicher Soziallehre wie der Werte des sozialdemokratische Sozialstaats als modernes Gesellschaftsmodell zu ersetzen.

Diese Theorie ist verblüffend einfach: Sie geht davon aus, dass man die großen Pferde nur ordentlich füttern und fürsorglich pflegen muss, dann produzieren diese solch wunderschöne Pferdeäpfel, dass dann die vielen kleinen Spatzen ohne Not satt werden können.

Das ist ungefähr so, wie die Theorie von der Senkung des Spitzensteuersatzes, die dann angeblich mehr Steuereinahmen, mehr Wachstum und Beschäftigung verspricht.

Anrede,

wir reden hier ja über Geld und Wirtschaftsförderung und da sollten wir uns auch mit einem offensichtlich immer weiter wachsenden geldfressenden Moloch befassen, dem größten Feind des Mittelstandes, nämlich der Bürokratie. Ein Beispiel gefällig?

Da möchte ein mittelständisches Unternehmen eine neue Lager und Produktionshalle bauen. Abgesehen davon, dass die Damen beim Bauamt den Unternehmer tatsächlich fragen, warum er eigentlich eine neue Lagerhalle braucht, wo doch heute das Lager moderner Unternehmen sich auf der Straße fahrenden LKWs befindet. Abgesehen davon, erklären die Damen vom Bauamt, und das unter vielen Zeugen, das mit der Grenzbebauung, der der Nachbar zugestimmt hat, würde nicht genehmigt, da auf dessen Grundstück PKW-Garagen ca 50 cm von der Grenze entfernt gebaut waren. Wäre der Abstand nur 30 cm, wäre eine Baugenehmigung kein Problem.

Der Unternehmer ließ sich aber nicht ins Bockshorn jagen, einigte sich mit dem Nachbarn und kaufte ihm einen Grundstückstreifen von 36 cm mal 46 Meter ab, ließ es notariell besiegeln und innerhalb drei Wochen als Vormerkung ins Grundbuch eintragen. Damit waren die Garagen nur noch 14 cm von der neuen Grundstücksgrenze entfernt.

Abgesehen davon, dass nun, nach der Eintragung ins Grundbuch, auf einmal selbst die Vormerkung nicht ausreichen sollte, teilte die Dame des Bauamtes einige Wochen später dem erstaunten Unternehmer mit, sein Bauantrag wäre ohne Einschränkung nun doch genehmigt und der Kauf des Grundstücksstreifens wäre unnötig gewesen, wofür sie sich ganz sehr entschuldigen möchte, aber sie hätte wohl eine falsche Baurechtsauskunft gegeben, was ihr leid tun würde.

Der Unternehmer rief flugs seinen Nachbarn und den Notar an und machte den ganzen Grundstückskauf wieder rückgängig, was etwas weniger kostete als alles so zu lassen, wie es war - aber immerhin einige tausend Euro. Resultat: Viel Geld und einige Wochen Zeit für ein Unternehmen verloren.

Ich finde, das war doch ein schönes Bürokratiebeispiel für Wirtschaftsförderung in der Stadt Dresden, von der Martin Gillo einmal sagte, "wir von AMD haben keinen Tag auf irgendeine Genehmigung gewartet."

Ein Grundstück von 36 cm Breite und 46 Meter Länge sinnloserweise gekauft zu haben, weil sich eine Bauamtsdame geirrt hat. Die Urkunde rahme ich mir ein. Der Unternehmer bin nämlich ich.

Anrede, nun zurück zur Investionszulage. Das Hauptziel unser sächsischen Mittelstandspolitik muss die Verbesserung der Wirtschaftskraft, der Eigenkapitalsituation und damit die Verbesserung der Finanzausstattung der Unternehmen sein. Dies wird noch weit mehr als 20 Jahre notwendig sein. Deshalb ist die Investitionszulage gerade für den Mittelstand eines der wichtigsten Förderinstrumente gewesen und wird es auch für die Zukunft bleiben.

Um diese Instrument weiter auf hohem Niveau für die Zukunft zu erhalten, hat die Koalition diesen Antrag formuliert. Umso mehr haben mich, und ich bin mir sicher, auch einige CDU Abgeordnete der Koalitionsfraktion, die seltsamen Vorschläge von Ministerpräsident Althaus aus Thüringen geärgert, die Investitionszulage nach 2011 abzuschaffen.

Leider hat sich dieser Forderung im Wahlkampf auch unser Landesvater Georg Milbradt angeschlossen und sich damit in offenem Gegensatz zum Koalitions-Beschluss von CDU und SPD Landtagsfraktionen gesetzt.

Nun ist gottseidank der Wahlkampf vorbei, in dem, wie man sieht, immer wieder, selbst routinierte Politiker, an offensichtlich politischer Inkontinenz leiden und einfach nicht das Wasser halten können.

Solcherart befremdliches Verhalten unter Adrenalinschock war ja peinlicherweise sogar bis in Elefantenrunden hinein deutlich sichtbar.

Nun ist die Wahl vorbei und wir wollen gemeinsam für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates kämpfen. Wir wollen die unbedingte Fortsetzung der Investitionszulage.

Und wir werden dieses bewährte Instrument nicht zur Disposition stellen, ohne ein neues - vielleicht noch effektiveres - Instrument im Geigenkasten zu haben. Dies ist aber nicht in Sicht.

Danke