Karl Nolle, MdL

Dresden, Plenarsaal Sächsischer Landtag, 12.07.2000

Wer heute an der Ausbildung unserer Kinder spart, bezahlt morgen teuer

Internet in der Wissensgesellschaft
 
Nach den losgetretenden Diskussionen um die Finanzen unseres Landes, um Kürzungen, Streichungen und Schließungen bei Schulen und Hochschulen sind wir Sozialdemokraten nicht sicher, ob wir in diesem hohen Haus wirklich noch übereinstimmen in den Grundwahrheiten und Werten unserer Gesellschaft.

Wenn der für seine Besonnenheit bekannte Rektor der TU-Dresden, Prof. Achim Mehldorn, ich glaube kein Sozialdemokrat, aus der Kiepe springt, dann müssen die ungeheuerlichen Zumutungen unseres freistaatlichen großen Streichorchesters, unter der Leitung seiner Majestät und mit tatkräftiger Unterstützung begeisterter Dissonanzen und Hofschranzen, dann müssen diese Zumutungen schon mehr sein als nur der Sturzflug von Kürzungsapologeten, von Pfennigfuchsern und von Zahlenjongleuren.

Innerhalb eines Jahres können die sächsischen Wähler sehen, was aus den professoralen Schönfärbereien, der Wahlversprechen, unserer patentierten Christdemokraten im Lande geworden ist. - Eine üble Luftblase.

Wir wollen mal sehen, ob 10 Jahre nach der Wende noch soviel Mumm bei den ehemaligen Rebellen, die heute dieses Parlament füllen, zu finden ist, dass Sie meine Damen und Herren die Worte NEIN und ZIVILCOURAGE noch in Handeln umsetzen können.
Dazu ist dann bei den Haushaltsberatungen genügend Gelegenheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses hohe Haus sollte sich, im Interesse der Zukunft unseres Landes einig sein in der Grundüberzeugung:

Wer heute an den Kindern und ihrer Ausbildung spart, aus welchen Gründen auch immer, wird morgen teuer bezahlen müssen. Das ist die Kernfrage unserer heutigen Diskussion.
Wir können über Technologie- und Gründerzentren reden.
Wir können über Wagniskapital reden.
Wir können über den Einstieg ins IT-Zeitalter reden.

Aber zuerst müssen wir über die Ausbildung unserer Kinder reden, über das Wissen in der Wissensgesellschaft.

Kreativität und Innovation sind die Voraussetzung für neue Produkte, sind die Voraussetzung für neue Unternehmen. sind die Voraussetzung für zukunftsträchtige Jobs.

Das bedeutet:
Nur wenn unsere Kinder in der Lage sind, innovativ zu denken, werden sie auch kreative Lösungen erarbeiten können. Wir müssen also zuerst in die Köpfe und Gehirne unserer Menschen investieren. Und erst dann lohnen sich wirklich Wagniskapital und Gründerzentren. Zäumen wir also das Pferd von vorne auf.
Und machen Sie es, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nicht der Regierung Ihrer Majestät nach. Diese Regierung rennt in den wichtigsten Zukunftsfragen orientierungslos auf der Koppel herum.
Mit kontinuierlicher und langfristiger, mit qualitativer und quantitativer Planung hat das selten zu tun.

Meine Damen und Herren, die Internet-Gesellschaft ist in der Realität längst da.
Sie muss aber auch in den Köpfen der Menschen ankommen. Sie muss in den Schulzimmern ankommen. Und sie muss in den Universitäten und Berufsschulen ankommen.

Unsere Schulen sind derzeit nicht in der Lage, Informatikinteressierten und hoch talentierten jungen Menschen ausreichene, fachgerechte adäquate Angebote zu machen. Meine Fraktion setzt sich deshalb für ein flächendeckendes System von Begabtenförderung in ganz Sachsen ein. Wie es gehen kann, wird in Dresden seit vielen Jahren gezeigt.

Das hiesige Schülerrechenzentrum ist eine bundesweit einmalige Einrichtung.
Es verfügt über hervorragende Erfahrungen bei der Begabtenförderung im Bereich Informatik und Elektronik. Das Interesse der Schüler ist gross. Aus Dresden und seinem Umland sind zur Zeit 114 Schülerinnen und Schüler eingeschrieben. Viele von ihnen haben hervorragende Ergebnisse bei "Jugend forscht" oder beim Informatikwettbewerb erreicht.

Ein solches Rechenzentrum, eine Talentfarbrik, lohnt sich. Das wird auch unterstrichen durch aktuelle Engagement der Technischen Universität Dresden und eines grossen Dresdner Chi-Herstellers. Beide holen sich vom Rechenzentrum ihren Nachwuchs. Ein solches Zentrum ist ganz offensichtlich eine Investition in die Zukunft.

Hier kann die Politik ansetzen und hier muss die Politik ansetzen.
Denn ganz ohne die Politik geht es eben auch nicht.

Deshalb fordert meine Fraktion eine derartige Elite-förderung in ganz Sachsen.
Wir müssen unsere Kinder fit machen für die Zukunft.
Die Förderung von fünf Computer-Kids muss doch wichtiger sein als 5 km Schwarzdeckenprogramm. Die Investoren und Unternehmen von morgen wollen intelligente Köpfe und keine Beton-Köpfe.

Der Freistaat ist hier gefordert, Anreize zu schaffen.
Er braucht solche Einrichtungen ja gar nicht allein zu unterhalten.
Ich denke, wir sollten hier durchaus die Computer-Branche und die Universitäten in die Pflicht nehmen. Sie wären im übrigen auch der Garant dafür, dass das Angebot in solchen Rechenzentren nicht an der Nachfrage und Aktualität vorbei geht.

Wichtig dafür ist natürlich auch ein erstklassiger Anschluß an die schnellen Datennetze. Die Staatsregierung lässt sich hier ständig für ihren Datenhighway feiern. Aber, dieser Datenhigway ist ein exclusiver Club nur für die Staatsregierung und Landeseinrichtungen.

Warum werden die Kommunen und Kreise nicht an den Datenghighway angeschlossen?
Warum werden die Schulen nicht an den Datenhighway angeschlossen?
Warum werden die Berufsschulen - vor allem die mit IT-Berufen - nicht an den Datenhighway angeschlossen?

* Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU,

eigentlich müßten Ihnen unser Ansinnen doch aus dem Herzen sprechen.
Gerade für die sächsischen Regionen, das Voigtland, die Lausitz oder das Erzgebirge sind die neuen Kommunikationstechnologien eine riesige Chance.
Wenn wir in den bisher abgehängten Regionen Innovationsinseln schaffen, schaffen wir gleichzeitig ein Stück Zukunft und Hoffnung.

Deshalb möchte ich Sie nachhaltig auffordern, stimmen Sie unserem Antrag zur Einrichtung von Schülerrechenzentren zu.

Das die Entwicklung in der IT-Branche schnell verläuft, wissen wir mittlerweile. Offenbar verläuft sie für die Staatsregierung etwas zu schnell.
Sie ist sich über das Ausmaß des Umbruchs noch gar nicht im klaren.

Die Antwort der Staatsregierung auf den PDS-Antrag ist eigentlich ein Witz.
Nur leider ist er nicht zum Lachen.

Die Staatsregierung wird den Anforderungen der IT-Branche an unsere Gesellschaft, überhaupt nicht gerecht.

Meine Damen und Herren,

Sachsen hätte im weltweiten Wettbewerb der IT-Branche eine gute Ausgangsposition. Wir haben ein hochmodernes Telekommunikationsnetz.

Wir haben kreative und umbrucherfahrene Menschen.
Aber wir haben keine Regierung, die Klarheit hat über die nächsten einzuleitenden Schritte - so steht es in Ihrer Antwort auf den PDS-Antrag.

Mit dieser Antwort hat die Staatsregierung auch das duale Ausbildungssystem de facto aufgegeben.

Wahrscheinlich hat die Regierung realisiert, dass die Ausstattung der Berufsschulen katastrophal ist.
Sie sollte sich deshalb besonders auf eine erstklassige Ausstattung der Berufsschulen konzentrieren.

Was wir hier heute sparen, werden wir in wenigen Jahren teuer bezahlen.

meine sehr geehrten Damen und Herren
Daneben hat der Wirtschaftsminister ja auch angekündigt, sich für neue Formen der IT-Ausbildung einzusetzen.

Nun, bisher haben wir noch nicht viel gehört.
Vielleicht ist das auch auf dem kurzen Weg vom Wirtschaftsministerium zur Staatskanzlei verlorengegangen.

Dort wird fleißig versucht, in der Zuständigkeit für klassische Medienpolitik, vom Roman zu Rundfunk, Film und Fernsehen noch eine Lücke für die n e u e n Medien zu finden, die so garnicht dort reinpassen wollen.

Meine Damen und Herren, so werden wird Sachsen abgehängt.
Wie sagte gestern unser Ministerpräsident auf dem Sommerfest der Landespresse ?
"Sachsen ist kein neues, sondern ein altes Bundesland" und es ist ein armes Land", sagt er sonst.

Eben, das älteste Land, im doppeltem Sinne, weil uns die Jugend und jeder der Beine hat, wegläuft, vor dem Wolkenphilosophen aus der Staatskanzlei.