Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.07.2007

Lüge und Verrat werfen Schatten auf Geheime

Im Verfassungsschutz wurde mehr als bisher bekannt gegen die Regeln verstoßen.
 
Fehler bei der „operativen Arbeit“, bei der „Aktenvernichtung“ und „Geheimnisverrat“ –der neue Chef des Verfassungsschutzes, Reinhard Boos, hat nach wenigen Tagen im Amt eine ganze Reihe von Missständen bei der Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) festgestellt und in einem elfseitigen Bericht festgehalten, über den gestern informiert wurde.

Besonders ein Teil der Beobachtungsergebnisse zum sogenannten Komplex Abseits III sind angeblich zweifelhaft. Dabei geht es um Machenschaften zwischen Immobilienmaklern und Beamten aus der Justiz in Leipzig, wobei auch Korruption, Geheimnisverrat und Kinderprostitution im Spiel gewesen sein sollen.

Quellenschutz aufgehoben

Um die Missstände darzustellen, hob der Verfassungsschutzchef gestern faktisch den Quellenschutz auf und erklärte, dass ein Mitarbeiter des Geheimdienstes einen aktiven Polizeibeamten als Auskunftsperson geführt habe, der vor Jahren leitend bei der Bekämpfung der OK in Leipzig tätig gewesen sei und 2006 wichtige Informationen geliefert habe. Bei der Bewertung seiner Auskünfte und beim Vergleich mit bisher gewonnenen Erkenntnissen habe ein Mitarbeiter des Geheimdienstes gegen Grundregeln wie das Vier-Augen-Prinzip und die interne Kontrolle verstoßen und auch gelogen. Dadurch wurden die Informationen des Polizisten möglicherweise überbewertet. Erst jetzt stellt sich heraus, dass die Erkenntnisse, die der Polizist 2006 mitteilte, dem Verfassungsschutz bereits aus Akten der Justiz bekannt waren. „Das ist so, als wenn Sie einen Teebeutel zweimal aufgießen“, sagte Boos. Das heiße nicht, dass diese Informationen falsch seien. Aber nun müsse die Staatsanwaltschaft klären, wie belastbar diese Fakten sind, die vom Verfassungsschutz übergeben wurden. Der amtierende Innenstaatssekretär Klaus Fleischmann sprach gestern von „vergifteten Akten“ und kündigte weitere personelle Konsequenzen an, sollten sich die vorläufigen Erkenntnisse bestätigen.

Die undichte Stelle im Geheimdienst ist trotz intensiver Ermittlungen noch nicht gefunden worden. Der Geheimnisverrat dauere auch nach seinem Amtsantritt an, sagte Boos. Er betonte, dass derzeit die Missstände lediglich die Arbeit eines Mitarbeiters beträfen, nicht das Amt insgesamt und auch nicht das komplette Referat zur Beobachtung der OK. Bei anderen Beobachtungskomplexen seien bisher keine Regelverstöße festgestellt worden.
Von Thomas Schade