Karl Nolle, MdL

Redebeitrag für die Sondersitzung des Sächsischen Landtages vom 31.08.2007 zum Thema Sachsen LB, 31.08.2007

Brandstifter und Biedermänner (mit einem Schluß nach einem "Märchen" von Friedrich Dürrenmatt)

Wie die Sächsische Landesbank abbrannte und sich nun die Brandstifter als Feuerwehr feiern lassen.
 
Redaktioneller Hinweis:

Die nachfolgende Rede wurde für die Sondersitzung des Sächsischen Landtages geschrieben. Da die Redezeit der SPD auf 15 Minuten und meine Redezeit, bei aller Wichtigkeit des Themas, auf ganze sieben Minuten begrenzt wurde (die Redezeit wird im Verhältnis der Wahlergebnisse zum Landtag verteilt), konnte ich im Landtag nur stichpunktartig vortragen. Deshalb wird die die eigentlich notwendige und geplante 50 Minuten-Rede hier veröffentlicht.




Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Februar 2004 ist die Landesbank Sachsen in der öffentlichen Kritik. Es begann mit einem Artikel der „Welt“ „Leben wie Gott in Leipzig“. Eines erscheint heute sicher, mit dem „Leben wie Gott in Leipzig“ ist es jetzt endgültig vorbei. Nicht weil die Aufsichtsorgane der Sachsen LB bei den zahlreichen Höhepunk-ten der diversen Krisen und Affären eingeschritten sind, nicht weil der Finanzminister als oberste Aufsicht durchgegriffen und nicht weil der Ministerpräsident eingegriffen hat – nein, weil „Leben wie Gott in Leipzig“ nicht zur sprichwörtlichen würt-tembergischen Sparsamkeit passt.

Was haben wir nicht alles gehört und erlebt: Vetternwirtschaft, Maitressenwirtschaft, Günstlingswirtschaft, Bespitzelung und Intransparenz. Die Diskussion über die Sachsen LB hatte sich in den letzten Jahren auf drei Themenschwerpunkte fokussiert: die Aktionärsauseinandersetzungen um die MDL Mitteldeutsche Leasinggesellschaft AG, der die Zukunft genommen wurde, um maßlos überteuerte Immobilienankäufe der Real Immobilien GmbH und um erhöhte und intransparente Risiken bei der Bank und besonders deren Investment-Tochter in Dublin, bei der SLBE.

Bei allen Affären und Krisen blieben sich Sachsen LB, deren Aufsichtsorgane, Finanzministerium und Regierungsspitze treu: Krisenmanagement gab es nicht. Anschuldigungen und Kritiken wurden als ungerechtfertigt bis diffamierend zurück gewiesen, Desinformationen wurden verteilt, Halbwahrheiten berichtet um erst dann einzulenken, wenn man mit dem Rücken an der Wand stand. So war es bei der MDL AG: Nicht die Einsicht in einen höchst überfälligen Vergleich hatte die Bank zum Handeln gebracht, sondern der Umstand, dass die Gegenseite mit einem juristischen Husarenstück der Bank jegliche weitere Manövrierfähigkeit genommen hatte. - Trotz des Wechsels zahlreicher Vorstände in den letzten Jahren haben weder Sachsen LB noch deren Aufsicht irgendetwas dazu gelernt. Aus aktuellem Anlass möchte ich zitieren, was ich in diesem Hause schon einmal – nämlich auf die Regierungserklärung des MP zur Sachsen LB am 09.03.2005 – zitiert habe:

Dieter Soika, Chef-redakteur der Freien Presse Chemnitz, schrieb:
„Politische Affären laufen meist nach einem einfachen Strickmuster ab: Erste Stufe: Desinformation. Die Beteiligten geben sich als Unwissenden aus und behaupten, sie hätten noch nie von der Sache gehört. Zweite Stufe: Schuldzuweisungen. Die Akteure spielen das Un-schuldslamm und wollen glauben machen, andere hätten die Sache zu verantworten. Dritte Stufe: Verfolgungswahn. Die Täter schminken sich zu Opfern um und beklagen, dass Me-dien und Opposition eine Kampagne gegen sie führten. Vierte Stufe: Wohltäter. Wenn alles Ablenken, Vertuschen, Leugnen und Verdrehen nichts mehr nützt, rechtfertigen die Verantwortlichen ihr Treiben damit, sie hätten es doch nur gut gemeint. … Verlorenes Vertrauen kann nur wieder hergestellt werden, wenn Offenheit herrscht, wenn Reden und Handeln nachprüfbar eine Einheit bilden, wenn auf der Hand liegende Fehler eingestanden und daraus Kon-sequenzen gezogen werden“.

Damals habe ich auch Ulli Gericke von der Börsenzeitung zitiert:

„Krisenmanagement sieht anders aus. Obwohl die Sachsen LB seit Monaten wegen ihres ungenügenden Schatten-ratings „BBB+“ unter verschärfter Beobachtung steht, spielt das Land als Gewährträger toter Käfer“.

Beide Aussagen treffen heute zu wie damals. Es hat sich nichts geändert. Der „tote Käfer“ ist erst dann aufgewacht, als er drohte von der fallenden Sachsen LB zerquetscht zu werden.

Am Freitag, 10.08.2007 verkündet die Bank, sie sei von der US-Immobilienkrise nicht betroffen und verfüge über „ausreichende Liquidität“. Das war eine reine Beruhigungspille – zu diesem Zeitpunkt gab es bereits permanente Krisensitzungen in Leipzig und Dublin um das Ausmaß möglicher Risiken auszuloten. – Nur zwei Banktage nach dieser Mitteilung hat die Bank ihren Kreditausschuss gebeten aus dem Conduit Ormond Quay Risiken in Höhe von € 5 Mrd. herausnehmen zu dürfen und in die eigene Bilanz zu übertragen; der Kreditausschuss hat zugestimmt. – Nur weitere drei Tage später am 17.08. stellte die Sachsen LB eine Ah-hoc-Mitteilung ein und berichtete über die solidarische Rettungsaktion der öffentlich-rechtlichen Banken. Angesichts dieses € 17,3 Mrd. Kredites bemühte sich der Finanzminister zu betonen, dass die Liquidität der Sachsen LB nun mehr dauerhaft und nachhaltig gesichert sei. Ein voreiliger Trugschluss - wiederum nur wenige Tage später musste die Bank erneut Liquiditätsengpässe einräumen.

Die viel gepriesene solidarische Rettungsaktion der öffentlichen Banken hatte von Anfang an einen Haken: der Kredit war ausschließlich und zweckgebunden für das Conduit Ormond Quay und ist bis heute nicht gezogen, weil sich die Experten noch über die Bedingungen der Auszahlung streiten. Die anderen Conduits der Sachsen LB, sowie deren eigene Geschäfte waren von diesem solidarischen Kredit nicht betroffen. Der Notverkauf unserer, der sächsischen Landesbank an einem gesetzlich geschützten Sonntag musste geschehen, weil die Sachsen LB am Ende der Tage offenbar nicht in der Lage war, fälligen Zahlungsverpflichtungen zwischen € 250 und € 400 Mio. nachzukommen – weil die Bank angeblich illiquide war. Als Alternative zum Notverkauf blieb nur noch das noch größere Desaster, Schießung der Bank durch BAFIN und Bundesbank.

Bis heute ist allerdings höchst unklar, woher diese vermeintliche Liquiditätslücke denn kam. Es stellt sich die Frage ob die Sachsen LB Notverkäufe von Wertpapieren in der Unzeit vorgenommen hat um neue Liquidität zu generieren oder Verbindlichkeiten abzulösen und wenn ja, wer dies veranlasst hat und wenn ja, zu welchen echten Verlusten dies geführt hat. Weiter stellt sich die Frage, ob es denn bisher zu irgendwelchen echten Ausfällen bei den umstrittenen Wertpapieren der Sachsen LB gekommen ist oder nicht. Und wenn, dann stellt sich weiter die Frage, ob dies echte und realisierte Verluste waren oder „lediglich“ Bewertungs-verluste, weil die aktuellen Marktwerte der Papiere unterhalb von deren Nominalwert liegen. Gab es Nachschussverpflich-tungen für den Fall, dass die Marktwerte der Papiere unter den Nominalwert fallen?

Hierzu möchte ich Antworten des Finanzministers hören. Und Herr Metz, auf eine ganz klare Frage möchte ich auch eine klare Antwort haben: Trifft es zu, dass die etwa € 250 Mio., die als Verlust bei der Bank definitiv entstanden sein sollen und die ja die vermeintliche Illiquidität und damit den Notverkauf auslösten daher kommen, dass Wertpapiere unterhalb ihres Nominalwertes verkauft wurden und die Bank den Minderwert ausgleichen musste? Trifft das zu? War die drohende Illiquidität daher Folge einer Entscheidung (und wessen Entscheidung?), Wertpapiere in der Unzeit zu verkaufen? War es so? Und wenn es so war: Warum erfolgte der Notverkauf der Wertpapiere? Der Verkauf von Wertpapieren, die ein Tripple-A Rating haben sollen und bei denen es noch keine Ausfälle gegeben haben soll?

Vieles ist unklar und muss aufgearbeitet werden. Die Hektik mit der der Verkauf der Sachsen LB angewickelt wurde, macht nachdenklich. Auch, dass unser Ministerpräsident geschimpft hat, der Vorstand der Bank sei in der Krise „handlungsunfähig“ gewesen und dessen Zahlen seien unzuverlässig gewesen. Das sagte jener Ministerpräsident, der in der Vergangenheit nichts anderes zu tun hatte, als darauf zu verweisen, dass er seit 2001 kein Mandat mehr habe und „aktuell nicht unterrichtet sei“?

Diejenigen, die uns heute den Notverkauf der Landesbank Sachsen an die LBBW als „Erfolg“ preisen, als Ergebnis ihrer bewahrten Ruhe und eines guten Krisenmanagements und des Umstandes, dass sie noch davon absahen in der Krise der Bank zurück zu treten, sollten endlich inne halten und sich um ihre tatsächlichen Aufgaben kümmern. Märchen zu erzählen gehört nicht in die primäre Zuständigkeit eines Finanzministeriums und nicht zu der einer Staatskanzlei. Das Märchen von Dresden: Weder in der Sachsen LB, noch in deren Gremien, noch bei der Rechtsaufsicht, noch im SMF, noch in der Staatskanzlei wurden irgendwelche Fehler gemacht. Schuld am Desaster der Bank ist der böse Kapitalmarkt, der der Bank übel mitgespielt hat und ein Abgeordneter der SPD, der ständig negativ über die Bank berichtet.

Das Desaster hätte ja am Freistaat noch vorbei gehen können – so geht die unglaub-liche Geschichte weiter – wenn der Vorstandsvorsitzende der WestLB Fischer nicht gefallen und der unterschriftsreife Über-nahmevertrag mit der WestLB unterzeichnet worden wäre. Und nur durch den besonnenen und ruhigen Einsatz von Finanz-ministerium und Staatskanzlei sei die kleine Sachsen LB nunmehr in „einem sicheren Hafen“ gelandet. Richtig hieran ist allenfalls die Bemerkung „natürlich haben wir eine derbe Klatsche bekommen“ – auch wenn „Klatsche“ nicht unbedingt das beschreibt, was auf den Freistaat zukommen wird.

Meine Damen und Herren, die LBBW zahlt uns genau genommen gar nichts, sondern gibt uns Anteile an ihrer Bank. Bei einem Eigenkapital der LBBW von ca. € 19 Mrd. wird der sächsische Einfluss und Anteil mit Sicherheit nicht groß sein. Weder der Kaufpreis steht heute fest, noch wissen wir, ob der Freistaat und in welcher Höhe für Risiken aus dem Conduit Ormond Quay in Anspruch genommen werden wird. Die LBBW hat ca. 12.000 Mitarbeiter und unter denen sind eine Menge von Profis. Ich frage mich nur, wer im Freistaat Sachsen denn die Bilanz 2007 der Sachsen LB, die von der LBBW vorgelegt wird um den Kaufpreis festzulegen, prüfen und bewerten will? Wer hat hier in Dresden die Expertise den Dschungel von tatsächlichen Verlusten, drohenden Verlusten, Rückstellungen, Bewertungsänderungen und dergleichen zu durchdringen? Unser Finanzminister? Wer in der Staatsregierung ist denn in der Lage sich ein wirklich eigenes Bild von möglichen Risiken in diesen außerbilanziellen Conduit Ormond zu machen, für den der Freistaat mit seiner Gewährträgerhaftung bis zu € 17,3 Mrd. haftet?

Angesichts der sich zuspitzenden Lage gab es wohl kaum eine Alternative zum Notverkauf der Sachsen LB. Die eigentliche Krise, die Finanzkrise für uns ist beim besten Willen nicht er-ledigt. Sie dauert an und wird uns noch Monate oder gar Jahre beschäftigen und in dieser Zeit ist es unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass Freistaat und Sparkassen nicht unter die Räder kommen und von Profis aus Baden-Württemberg nicht über-vorteilt werden. Die LBBW wird als Retter der Sachsen LB dargestellt – das stimmt ja auch; nur darf man nicht vergessen, dass die LBBW dies auch nicht aus altruistischen Gründen macht. Auch eine LBBW ist keine npo (non-profit-organization). Es ist unsere Pflicht, den leider eingetreten Schaden für den Freistaat, den SFG als Mitgesellschafter der Bank und über den SFG den Schaden der Kommunen und Landkreise möglichst weit zu begrenzen. Und wenn Herr Metz und Herr Milbradt bereits heute einen Erfolg freiern, ohne zu wissen, wie hoch der Preis am Ende der Tage ist, so scheint mir, sie befinden sich auf einer anderen Party. Ein Erfolg, Herr Metz und Herr Milbradt, der sieht wahrlich anders aus.

Wer keine Feuerversicherung abgeschlossen hat, kann sich anschließend nicht über sein abgebranntes Haus beklagen. Krisen, meine Damen und Herren, treten selten einfach so und Gottgewollt ein. Die Regel ist vielmehr, dass Krisen Ursachen haben und dass Krisen sich im Zeitablauf auch abzeichnen. Und die Krise, in die unsere Landesbank Sachsen hineingeraten ist, die hat Ursachen und es gab auch Hinweise und Anzeichen dafür.

Da die aktuelle Krise nicht gottgewollt und gottgeschuldet ist, sondern auf Entscheidungen und Handlungen von Personen zurückgeht, stellt sich selbstverständlich auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten. Und das, wie man so schön sagt, ohne Ansehen auf die betroffenen Personen. Verantwortlich für die Geschäfte einer Bank ist zunächst deren Vorstand; dies trifft hier bei der Sachsen LB, den amtierenden Vorstand und die in die Wüste geschickten ehemaligen Vorstände. Der noch bis zum 15.09.07 amtierende Vorstandschef Süß stellt für mich eher ein tragisches Schicksal dar: nach dem Rausschmiss seiner Vorgänger Weiss und Fuchs, wurde der verdiente Pensionär der Ostsächsischen Sparkasse Dresden auf den Leipziger Vorstandsstuhl gesetzt, der sich als Schleudersessel herausstellte. Unter der Ägide von Süß sind eine Reihe von Altlasten der Sachsen LB (ich nenne nur mal MDL, Real) abgearbeitet worden und ist eine neue strategische Ausrichtung der Bank vorgenommen, die die völlig verfehlte Kapitalmarktausrichtung seiner Vorgänge korrigierte.

Aber und dass muss ich leider auch sagen, unter seiner Ägide sind die außerbilanziellen Geschäfte, die der Bank das Genick der Eigenständigkeit gebrochen haben, weiter ausgebaut worden. Ferner wird Herr Süß seit der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung vom 30.08.2007 bezichtigt, dass er gemeinsam mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden Staatsminister Metz wesentliche Informationen den anderen, „normalen“ Mitgliedern des Verwaltungsrates vorenthalten hat. Verwaltungsratsmitgliedern, die sich heute getäuscht bis belogen fühlen. Es wird sich noch herausstellen, wer von Süß und Metz in diesem Thema Treibender und wer Getriebener war. In jedem Fall scheint klar, dass Süß die Geister, die ihn nach Leipzig gerufen haben, nicht losgeworden ist. – Klar ist in jedem Fall, dass diese außerbilanziellen Geschäfte entwickelt und angelegt wurden unter der Ägide von Weiss und Fuchs und den persönlich vertrauten von Fuchs, den damaligen Managern der SLB ein Dublin, Wilsing und Fitgibben. Die Risiken, die der KPMG-Bericht im April 2005 insbesondere für das Conduit Ormond feststellte, diese Risiken haben uns diese vier begnadeten Banker hinterlassen und diese Risiken haben die nachfolgenden Vorstände bereits vorgefunden (aber dann im Volumen leider noch erhöht).

Für die Kontrolle und Aufsicht der Vorstände ist der Verwaltungsrat, sowie als Fachausschuss der Kreditaus-schuss verantwortlich. Herr Staatsminister Metz hat rund um die Bank gleich vier vorsitzende Funktionen: er ist Vorsitzender von Anteilseignerversammlung, Verwaltungsrat und Kredit-ausschuss der Bank und auch noch Vorsitzender der Anteils-eignerversammlung beim SFG. Mehr Gremien hat es nicht gegeben, sonst wäre Metz noch öfter Vorsitzender gewesen. Wer so oft Vorsitzender in Gremien war, der muss einen um-fassenden Überblick gehabt haben. Und wenn er nun behauptet, er habe keinen umfassenden Überblick gehabt, so müsste er doch eingestehen, dass er seine Aufgabe nicht pflichtgemäß erfüllt hat. Als Vorsitzender dieser ganzen Gremien hatte er jederzeit Recht und Macht Einblick in alle Unterlagen zu verlangen. Aber inzwischen sind wir ja eine Stufe weiter: Mitglieder gerade des Verwaltungsrates beschuldigen ihn, dass er brisante Informationen vor den normal-sterblichen Mitgliedern des Verwaltungsrates der Sachsen LB zurückgehalten hat und sich geweigert hat, Informationen herauszugeben. Wäre die Sachsen LB bereits eine Aktiengesellschaft gewesen, hätte sich ein Aufsichtsrats-vorsitzender, der sich weigert an die anderen Aufsichtsräte Unterlagen herauszugeben der Pflichtverletzung schuldig gemacht, welche unter anderem Schadensersatzforderungen begründen kann.

Man wird sich noch ansehen müssen, wie die entsprechenden Regelungen bei einem Verwaltungsrat sind. – Aber auch die anderen Mitglieder in den Gremien Verwaltungs-rat und Kreditausschuss müssen sich die Frage nach ihren Ver-antwortlichkeiten vorhalten lassen auch dann, wenn sie sich nicht ausreichend unterrichtet fühlen. Und auch hier gilt das alte Sprichwort „Unwissenheit schützt nicht“. Wenn schon Politiker meinen, worauf ich seit Jahren hinweise, dass sie Aufsichtsman-date wahrnehmen müssen bei Gesellschaften, deren Geschäfte sie gar nicht bis ins Detail durchdringen können, dann sollten sie wenigstens erkennen, wann ihr eigenes Latein am Ende ist und sich dann der Hilfe und Begleitung sachkundiger Dritte bedienen. Wenn der Kontrollierte (Vorstand) mehr weiss, als der Kontrollierende, dann kann das gewollte System von Aufgabenteilung von Geschäftsführung und Aufsicht nicht mehr funktionieren. Das gilt nicht nur für Landesbanken, sondern auch bei den Sparkassen und allen öffentlich-rechtlichen Unternehmen.

Kritisch fragen lassen müssen sich aber auch die bisherigen Anteilseigner der Sachsen LB: Solange die Bank steigende Gewinne verzeichnet hat und die Ausschüttungen an die Gesellschafter geflossen sind, herrschte nur „Friede, Freude, Eierkuchen“. Erst jetzt nachdem allen völlig klar ist, dass sie als Folge des Verkaufs der Sachsen LB von dieser keine Ausschüttungen mehr erhalten werden und damit die Haushaltspläne der Anteilseigner ins Wanken geraten, kann man die kritischen Töne der Anteilseigner vernehmen. Wo war deren Kritik vorher, als die Kritiker der Bank mit Schimpf und Schande im Land verfolgt wurden?

Und um Himmel Willen: Vergessen wir nicht die „graue Eminenz“ der Sachsen LB. Seit Gründung der Bank ist kein anderer Name so eng mit der Landesbank verbunden wie der von Prof. Georg Milbradt. Sicher, seit Biedenkopf ihn des Amtes als Finanzminister enthoben hat, hat Milbradt kein Amt mehr in den Gremien der Bank begleitet. Und weiter? Der laufende Untersuchungsausschuss des Landtages hat sich Teile des e-mail-, Fax- und Briefverkehrs zwischen Sachsen LB und Staatsregierung vorlegen lassen: Aus diesen Dokumenten geht eindeutig hervor, dass Weiss auch nachdem Milbradt kein Mandat mehr bei der Bank hatte, einen regelmäßigen Kontakt zum MP hatte und der MP über alle wesentlichen Entwicklungen in der Bank – bis hin zu Details zu laufenden Gerichtsverfahren – informiert war. In der Presse ist ja mehrfach darüber berichtet worden, dass der eigentliche Drahtzieher in Sachen Sachsen LB in der Staatskanzlei sitzt und via Fernsteuerung den Finanzminister als Schutzschild benutzt. Hier gibt es nicht viel hinzuzufügen. Ein MP, der behauptet über die eigene Landesbank nicht „aktuell informiert“ zu sein, über eine Landesbank, die immerhin mit rund € 1,5 Mrd. ausgestattet war und für deren Verbindlichkeiten noch im Wesentlichen der Freistaat Sachsen aus dem Grandfathering der Gewährträgerhaftung gerade steht, dem ist nicht mehr zu helfen. Da muss schon mehr vorliegen, als Beratungsresistenz.

Im November 1991 erfolgte die erste Lesung zum „Errichtungs-gesetz der Landesbank“. Ich zitiere den EX-Finanzminister Milbradt und das ist kein Namenszufall, es ist unser heutiger Ministerpräsident, der begründete warum wir die Sachsen LB brauchen:

„ich meine wir müssen es uns leisten, weil unsere sächsischen Sparkassen unbedingt auf eine Landesbank angewiesen sind, weil auch der Freistaat selbst eine Staatsbank braucht, weil mit einer großen sächsischen Universalbank im Geld- und Kreditgewerbe eine originär sächsische Einrichtung geschaffen wird, die in Erfüllung der eben genannten Funktionen einen wichtigen Baustein für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Sachsens sein wird. … Ich bin überzeugt dass jede Mark, die in die Bank investiert wird, sinnvoll angelegt ist und Zinsen bringen wird. Wir schaffen damit nicht nur dauerhafte und sinnvolle Arbeitsplätze, sondern auch ein bedeutendes finanzwirt-schaftliches Instrument, das für die Zukunft Sachsens Bedeutung haben wird.“

An dieses Versprechen gegenüber dem Sächsischen Landtag, Herr Milbradt, seien Sie heute erinnert: dass jede Mark in der Bank sinnvoll angelegt ist und Zinsen bringen wird. Wie wollen Sie dieses Versprechen in Zukunft einlösen?

Die WELT berichtete am 29.10.2001 mit „Die Sachsen LB ringt um das richtige Konzept“ über die heftige Strategiediskussion 2001 im Vorstand und Verwaltungsrat der Bank. Dort stand „Die Sachsen LB rührt überall herum, aber es funktioniert nie richtig, urteilt ein Insider. Mehrfach habe es schon Zoff mit dem BAFIN gegeben. Trotzdem werde weiter vor sich hinge-wurstelt“. In einer von Ex-Vorstand Weiss unterzeichneten Vorlage für die Verwaltungsratsitzung vom 07.09.2001 findet sich folgender Vorschlag:

„1. Die Sachsen LB wird sich aus wesentlichen Segmenten des Kreditgeschäftes zurückziehen. Betroffen sind das Firmenkundengeschäft mit nicht gerateten Adressen und das Immobiliengeschäft. 2. Die Sachsen LB wird sich in den Kapitalmarktbereichen neu aufstellen, um eine Verstetigung der Erträge zu erreichen“.

Zu dieser Vorlage von Weiss gibt es ein „Minderheitenvotum“ des damaligen Kreditvorstandes Laible – ich zitiere:

„Der vorliegende Antrag sieht den Umbau der Landesbank in eine Kapitalmarktbank mit einer Beschränkung des Kreditgeschäftes auf Adressen mit externem Rating vor. … Derzeit ist kein einziges sächsisches Unternehmen (extern) geratet, ein Sachverhalt, der sich auch in überschaubarer Zeit nur unwesentlich verändern wird. … Die Generierung von Provisionen kann die Bank bei der Erfüllung ihres Renditeziels effektiv unterstützen, jedoch keine Nachhaltigkeit der Erträge gewährleisten. Die zuletzt publizierten Halbjahresergebnisse von Banken, die ähnliche Strategien bereits seit Jahren verfolgen, beweisen, dass auf diese Weise Ertragsvolatilität, nicht jedoch Ertragsstabilität erreicht wird. … Bei dem radikalen Strategiewechsel handelt es sich um einen weitgehend irreversiblen Prozess. Die direkten Kundenbeziehungen, die die Bank in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, können, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand wieder zurückgewonnen werden“.

Bereits damals haben die Befürworter der Ausrichtung Ka-pitalmarktbank Weiss und Fuchs zusammen mit der SLBE an Modellen der „Ausplatzierung“ von Wertpapieren gearbeitet um das begrenzte Eigenkapital der Bank nicht zu strapazieren und höhere Erträge zu generieren. Wir wissen heute, dass die außerbilanziellen Geschäfte und Conduits spätestens 2003 aufgenommen wurden. – Entschieden wurde der Strategie-wechsel schließlich in einer Verwaltungsratssitzung im November 2001 und wir wissen ja, mit welchem Ergebnis. Wir diese Strategiediskussion mit Sicherheit im UA nun durchleuchten müssen. Der Verwaltungsrat der Bank hat seinerzeit der Umorientierung der Sachsen LB in eine Kapitalmarktbank zugestimmt und damit die Türen dafür geöffnet, dass sich die Banker der Sachsen LB noch mehr als zuvor auf internationalen Finanzmärkten tummeln konnten. Ziel des ganzen sollte es nach Weiss und Fuchs sein, bei dem bevorstehenden Wegfall der Gewährträgerhaftung und beschränktem Eigenkapital die Rendite der Bank zu steigern. Auf die Bedenken von Laible antworteten Fuchs und Weiss in einer Notiz vom 24.08.2001 drohend:

„Sollte die Sachsen LB bei ihren Bemühungen nicht erfolgreich sein, ist es aus unserer Sicht wahrscheinlich, das als eine realistische Alternative der Verkauf an bzw. die Fusion mit einer anderen Landesbank erwogen wird. Damit wären dann der Abbau von Arbeitsplätzen und die Verlagerung des Steueraufkommens verbunden.“

Sie haben leider Recht gehabt, die vom Ministerpräsidenten noch (zu) lange als „Ehrenmänner“ bezeichneten Herren Weiss und Fuchs – nur dass heute der Verkauf bzw. die Fusion der Sachsen LB zurück geht auf nicht gedeckte Risiken im Geschäftsfeld Kapitalmarkt, das diese Herren bewusst ausgebaut haben. Im Aufbau außerbilanzieller Geschäfte in Mrd.-Höhe hat man die Ausrichtung „Kapitalmarktbank“ pervertiert.


Kommen wir zurück zur aktuellen Krise der Landesbank, deren Ursachen und den Symptomen. Seit 2004 wurde der Führung der Sachsen LB immer wieder vorgehalten, sie agiere intranspa-rent. Nach aufgeflogener Dokumentenfälschung und überteuertem Immobilienerwerb bei der Real Immobilien GmbH sah sich der alte Vorstand der Bank veranlasst eine Stellung-nahme zu veröffentlichen. Es lohnt sich, diese heute noch mal zu lesen – ich zitiere:

„Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht die Behauptung, die Sachsen LB habe in den zurückliegenden Jahren in erheb-lichem Umfang und unkontrolliert Risiken aufgehäuft, die jetzt die Wirtschaftlichkeit und sogar den Fortbestand der Bank bedrohten und deshalb Stützungsmaßnahmen der Eigentümer in dreistelliger Millionenhöhe notwendig machten (gemeint war die in 2005 realisierte Ka-pitalerhöhung von € 300 Mio.). Überdies agiere die Bank intransparent und unternehme den Versuch, bestehende Risiken zu verschleiern. Diese Behauptungen entbehren jeder Grundlage. Wir weisen sie entschieden zurück.“
Diese Stellungnahme vom 06.02.2005 war unterzeichnet von den Sachsen LB-Vorständen Dr. Weiss, Fuchs, Raupach und Klumpp. Noch weiter in dieser Stellungnahme:

„Über die jeweils aktuellen Kreditrisiken wird regelmäßig im Kreditausschuss berichtet. Dem Verwaltungsrat der Bank wird regelmäßig der Risikobericht vorgelegt, der sämtliche Risiken aus der Geschäftstätigkeit der Bank aufzeigt. Dieser Bericht belegt, dass die Risikotragfähigkeit der Bank zu jedem Zeitpunkt gegeben war und ist.“

Meine Damen und Herren, wir sollten uns ja jetzt noch einmal die Risikoberichte der Sachsen LB anschauen und prüfen, ob da wirklich alle Risiken enthalten sind. Insbesondere, ob DAS Risiko, das schließlich zum Fiasko der Bank geführt hat. Ich komme gleich dazu. Aber eines wird klar: die Organe der Bank wussten und wissen mehr, als ihnen heute lieb sein kann.

Seit 2004 bin ich immer wieder kritisiert worden, dass ich die Sachsen LB Europe plc. als „black box“ bezeichnet habe. Meine black-box-Aussage basierte auf mehreren Beobachtungen: Zum einen zeichnete sich seit Ende 2003 ab, dass die Ergebnislage der Sachsen LB von Jahr zu Jahr stärker abhängig wurde von den Ausschüttungen ihrer kleinen Tochter in Dublin. Zweitens, die wenigen zugänglichen Informationen über SLBE ließen erkennen, dass die Erträge in Dublin nach 2003 wuchsen nicht im Zinsergebnis, sondern bei den Pro-visionserlösen resultierten, die niemand so richtig erklären konnte. Drittens, als Tochter der Sachsen LB unterlag die SLBE nur indirekt der Kontrolle durch die Organe der Bank, weil das Aufsichtsgremium der SLBE deren board of directors war (das waren damals die Herren Fuchs, Weiss und Süß) und ich mich nicht des Eindruckes entziehen konnte, dass die Leipziger Vorstände Weiss und Fuchs die das Kapitalmarktgeschäft der Bank ausbauten, sich quasi in Dublin selbst kontrollierten. Viertens, wird seit Jahren in Bankenkreisen gemunkelt, dass die SLBE in Dublin zweistellige Milliardenvolumen dreht – diese Volumen waren aber weder in der Bilanz der Bank noch der der SLBE zu erkennen.

Von Herbst 2004 bis Frühjahr 2005 hat KPMG im Auftrag des BAFIN bei der Sachsen LB eine Sonderprüfung durchgeführt und dort unter anderem die SLBE einer Prüfung unterzogen. Die Prüfung begann, als die alten Vorstände noch an Board waren und wurde beendet, als die neue Führung 2005 schon im Amt war. Wer den Bericht liest, erkennt auch die zahlreichen Hin-weise von KPMG, wie die alte Führung die Untersuchung eher behindert, als gefördert hat. KPMG hat im April 2005 sein Gutachten vorgelegt. Das Gutachten wurde dem BAFIN zugeleitet; wie wir heute wissen, hat BAFIN das Gutachten an die Bundesbank geschickt. Wie die Fachpresse berichtet besteht im Bundesfinanzministerium Unbehagen darüber, dass weder BAFIN noch Bundesbank obgleich des Berichtes eingeschritten sind; über eine Neuordnung der Bankenaufsicht wird diskutiert.

Der Untersuchungsausschuss (UA) des Landtages hat mehr als ein Jahr mit der der Sachsen LB über die Herausgabe dieses Gutachtens gestritten. Mit aller Gewalt, am Ende aber ergebnislos, hat die Bank versucht, die Herausgabe des Prüfberichtes an den UA zu unterbinden. Ich zitiere aus einem Brief der Bank vom 26.04.2006 an den UA:

„Der Prüfungsbericht ist in Diktion, Struktur und Inhalt aus sicher heraus selbst für einen mit entsprechendem Fach- und Sachwissen ausgewiesenen erfahrenen Bankmanager schwer verständlich und bedarf bei einem sinnvollen Studium einer Begleitung und Interpretation von Experten, will man nicht Gefahr laufen, dass Missverständnisse oder gar Fehlschlüsse zu objektiv unrichtigen Fehlstellungen führen. … Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass der Prüfungsbericht überaus streng vertrauliche und teilweise auch brisante Daten und Informationen enthält, deren Offenlegung nicht abzuschätzende wirtschaftliche Folgen … haben kann … und für die Bank nicht zu schwer-wiegenden Nachteilen, sondern auch zu einem nicht unerheblichen Schaden führen“ kann.

Aus heutiger Sicht und bei aller Klarheit des KPMG-Berichtes, wusste die Bank wohl genau, warum der Bericht nicht zum UA sollte und führte in dem Brief aus:
„Wir betrachten aus den vorgenannten Gründen eine Herausgabe des Berichtes für uns als unzumutbar. Auch unser Verwaltungsrat konnte sich im Unternehmens-interesse der Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen vertraulichen Behandlung nicht verschließen..:“

Die Lektüre des Gutachtens, löste das reine Entsetzen aus obgleich der Missstände, die da für die SLBE berichtet wurden. Die Zeit erlaubt mir nicht, hierauf im Detail einzugehen. Das Gutachten lies auch erkennen, wie stark der Umbau der Sachsen LB in eine Kapitalmarktbank inzwischen vorangeschritten war: Der Konzerngewinn der Bank betrug in 2004 etwa € 45 Mio. – der Gewinn in Dublin in etwa. € 36 Mio; in 2005 lag der Ge-winn im Konzern bei € 17 Mio. und in Dublin bei € 41 Mio. In 2006 lag das Konzernergebnis bei € 53 Mio. und das von Dublin bei € 47 Mio.! Längst hatten sich die Verhältnisse umgekehrt: da war eine kleine Bank in Leipzig mit großer Tochter in Dublin. Diese Ertragslage war kein Zufall, sie war Ergebnis der ge-wollten Verstärkung des Kapitalsmarktgeschäftes und gewolltes Ergebnis der Steigerung von Gewinnen. Vielleicht wollte sich auch die in die Kritik geratene Bank durch steigende Gewinne einfach profilieren?

Bundesminister Glos (CSU) wurde dieser Tage im Spiegel wie folgt zitiert:
„Das Gefühl für Risiken scheint mir bei manchen Instituten abhanden gekommen zu sein in dem Bestreben, die Er-träge durch riskante Anlagen zu erhöhen“.
Erst über dieses Gutachten war zu erkennen, dass die Sachsen LB über die SLBE in Dublin erhebliche „außerbilanzielle Geschäfte“ in einer Größenordnung von € 30,7 Mrd. per August 2004 betreut. Im Rahmen der Anhörung habe ich den Ex-Vorstand Laible gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass SLBE außerbilanzielle Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe managet. Laible sagte hierzu:

„Das übersteigt meine Vorstellungskraft im Augenblick, ohne die genauen Umstände zu kennen. … Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wirtschaftsprüfer so etwas anerkennen und testieren.“

Am 17.07.2006 haben wir im UA den Revisionsleiter der Sachsen LB, Herrn Wille und einen Wirtschaftsprüfer der Bank befragt. Die Vertreter der Bank bemühten sich im Ausschuss darzustellen, dass die Bank seit Vorlage des Gutachtens alle Maßnahmen unternommen habe, um die dort beschriebenen Defizite abzustellen. Befragt zu den außerbilanziellen Geschäften führte der Revisor aus:
„In diesem Teil, das von den in Rede stehenden 30,7 Milliarden diese etwa 27 Milliarden ausmacht, besteht für die Bank kein Ausfallrisiko, sondern wir vergleichen das einmal mit dem Agieren einer Fondsgesellschaft. So oder ähnlich kann man sich die Konstruktion vielleicht deutlich machen, dass die Gesellschaft verwaltet, aber im Obligo die Anleger, in unserem Fall institutionelle Anleger stehen, sodass aus dem außerbilanziellen Geschäft über diesen vergleichsweise geringen Anteil, wo wir selbst im Obligo sind, keine weiteren Ausfallrisiken – weder für die Sachsen LB noch für die Sachsen LB Europe plc. – resultieren“.

Am 08.11.2006 konnten wir mit dem Ex-Vorstand Fuchs einen der Miterfinder dieser Conduits zu den außerbilanziellen Geschäften befragen. Fuchs hat dort ausgeführt:
„Wenn wir in diesem Umfang, wie Sie die Summe genannt haben, Aktienbestände gedreht hätten, dann hätten Sie Recht, dann wären wir die Hasardeure, wie sie, wie das in der Presse, wie wir oft genannt worden sind. Aber wir haben fast ausschließlich bei diesen Transaktionen, über die wir jetzt sprechen, sprechen wir über Triple A geratete Asset Backed Securities, die eine Ausfallwahrscheinlichkeit haben im Promillebereich. Insofern darf man keine Angst vor größeren Volumina haben. Da wird jetzt nichts unkontrolliert aufs Spiel gesetzt, sondern da wird sehr kalkuliert, mit einem geringen Risikogehalt Ertrag erwirtschaftet für Dritte und für die Sachsen LB“.

Auf meine Nachfrage, dass es ja neben den klassischen Aus-fallrisiken noch andere Risiken wie Haftungsrisiken, Verletzung von Sorgfaltspflichten etc. auch bei den außerbilanziellen Geschäften geben könne, antwortete Fuchs:
„Natürlich haben Sie Recht. Man muss sehr sorgfältig umgehen, wie bei jedem Geschäft, bei dem man Dritte berät im Wertpapierbereich und für Dritte aktiv wird. Insofern kann das Restrisiko nie ausgeschlossen werden, ja“.

Merkwürdig, dass Herr Fuchs hier von generierten Erträgen für Dritte und die Sachsen LB sprach. Merkwürdig ist das vor allem deshalb, weil Fachleute bezweifeln, dass die von der SLBE für das Verwalten der außerbilanziellen Geschäfte kassierten Provisionen den kompletten Gesamtertrag aus diesen außerbilanziellen Geschäften darstellen und es für möglich gehalten wird, dass Erträge noch woanders hin geflossen sein könnten. In 2006 erhielt SLBE für die beiden Conduits Georges und Ormond Provisionserlöse in Höhe von € 31,2 Mio. bei einem Volumen der außerbilanziellen Geschäfte zum Jahresendbestand von € 21 Mrd. – dies entspricht einer Provision von etwa 0,15%. p.a. – Es ist noch nicht bekannt, ob jene Gesellschaft, die Fuchs und Weiss das Management von Dublin gründen ließen, diese AC Capital plc., auch an der Betreuung der Conduits beteiligt war und ist. Jene Gesellschaft, die gegründet wurde um den armen Managern von Dublin Zusatzeinkünfte zu ermöglichen und jene Gesellschaft, der von der Sachsen LB zu Anlagezwecken € 400 Mio. zur Verfügung gestellt wurde, wobei die Grundvergütung für diese Tätigkeit bei 1,25% pro Jahr – sprich € 5 Mio. – lag.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte bereits am 19.05.2005 unter der Überschrift „Rezept für ein Desaster“ berichtet, dass die „Derivatenblase platzt – die einzige Frage ist nur wann und wie“.

Schauen wir uns den KPMG-Bericht zur SLBE von 2005 aus heutiger Sicht noch einmal an, so sehen wir, dass hier genau das Risiko beschrieben wird, das im August 2007 eingetreten ist und die Bank zu Fall gebracht hat:
„Eine dokumentierte Beurteilung des Ertrags- und Liquiditätsrisikos, die auch den Wegfall der Gewähr-trägerhaftung zu berücksichtigen hätte, hat uns nicht vorgelegen“.

Aber Hallo, meine Damen und Herren, steht nicht im Kreditwesengesetz § 10 folgende, dass eine Bank JEDERZEIT ihre Liquidität zu sichern habe und dafür die geeigneten Steuerungssysteme vorzuhalten hat? Das lernt jeder Auszubildende im Beruf „Bankkaufmann /-kauffrau“ – dafür benötigt man kein Studium der Wasserwirtschaft und auch keine Habilitation in Volkswirtschaft. Das einfache Wissen eines Bankkaufmanns reicht hierfür aus.

Die Refinanzierungsstrategie der SLBE kommentiert KPMG wie folgt:
„Bei Umsetzung dieser Strategie würde die SLBE mittel- und langfristige Kapitalanlagen nahezu aus-schließlich kurzfristig refinanzieren. Dies kann bei Marktstörungen im Re-purchaseMarkt zur Vermeidung von Liquiditäts-schwierigkeiten in größerem Umfang zum Verkauf von Wertpapieren des Anlagevermögens oder, falls dies nicht möglich sein sollte, zu einem Ertragsrisiko auf Grund der Nutzung alternativer Refinanzierungsinstrumente führen, deren Refinanzierungskosten direkt von dem Rating der SLBE beeinflusst werden. Die Strategie der SLBE setzt somit immer voraus, dass es grundsätzlich nie zu Marktstörungen kommt“.

Meine Damen und Herren, KPMG hat im April 2005 beschrieben, was im August 2007 eingetreten ist: Es ging für die Sachsen LB in diesem August gar nicht darum, ob die innerhalb oder außerhalb der Bilanz gehaltenen Wertpapiere kleinere Ausfälle verzeichneten oder nicht. Es ging darum, dass diese Wertpapiere zu wesentlichen Teilen kurzfristig über Commercial Paper refinanziert waren und infolge der US-Hypothekenkrise es zu Störungen im Kapitalmarkt und im Interbankenmarkt kam. Diese Störungen haben die Liquiditätskrise der Sachsen LB verursacht. – Übrigens hat auch die Ratingagentur Standard & Poors im April 2007 in einem Emissionsprospekt für das Commercial Paper Programm zum Conduit Sachsen Funding I Ltd. unter „Schwächen“ angemerkt, dass das Risiko besteht, dass es zu Liquiditätsengpässen kommen kann, wenn der CP-Markt gestört sei.

Nicht die Marktstörungen haben die Krise der Sachsen LB ausgelöst, sondern der Umstand, dass eine Refinanzierungs-strategie gefahren wurde, die auf einem reibungslosen Funktionieren des Marktes aufbaute und das Risiko von Marktstörungen völlig außer Acht lies. Gegen dieses Risiko von Marktstörungen hat man sich nicht weiter abgesichert. Man hätte dies aber durchaus tun können z.B. über Kredit- und Liquiditätslinien die gerade im Falle von Marktstörungen im CP-Markt in Anspruch genommen werden können.

Und da taucht ein weiterer Haken in diesem Milliardenpoker auf: Das Risiko, dass Commercial Paper im Geld- und Kapitalmarkt nicht mehr untergebracht werden können, kann man auffangen, indem man sich in der Höhe des Programms (also bei Ormond: € 17,3 Mrd.) so genannte Commercial-Paper-Back-Up-Linien, also Liquiditätslinien einräumen lässt. Der Zweck dieser Linien besteht einzig und alleine darin, dass diese Linien dann in Anspruch genommen werden können, wenn im Geld- und Kapitalmarkt Störungen vorliegen. Aber natürlich kosten diese Linien Geld und diese Linien hätten vermutlich zur Unrentabilität der Conduits beigetragen. Was hat man also gemacht? Anstelle einer 100%tigen Unterlegung des Programms hat man nur eine relativ kleine Liquiditätslinie seitens der Sachsen LB (etwa € 500 Mio.) zur Verfügung gestellt und über den nicht gedeckten Anteil des Conduits ein „Valuation Agreement“ unterzeichnet; dieses „Valuation Agreement“ ver-pflichtet die Sachsen LB gegenüber den Anlegern Bewertungsschwankungen (Marktwert zu Nominalwert) bei den zugrunde liegenden (AAA-) Wert-papieren so auszugleichen, dass die Erwerber der Commercial Paper bedient werden. Und dieses Valuation Agreement wurde vor Abschaffung der Gewährträgerhaftung vereinbart, so dass die Gewährträgerhaftung vollends auf das Conduit Ormond durchschlägt. Man hat sich die Kosten einer Absicherung gegen Marktstörungen gespart, die Erträge maximiert und das Risiko über die Gewährträgerhaftung auf den Freistaat abgewälzt.

Die Alternativen hierzu wären gewesen: die Conduits nur mit 100% Unterlegung von Liquiditätskrediten zu fahren und wegen der Kosten dieser Linie eine geringe Marge zu akzeptieren ODER das Geschäft wegen ungenügender Rendite sein zu lassen ODER aber das Volumen des Geschäftes soweit abzusenken, dass dieses Geschäft keine bedrohliche Gefahr für die Bank werden kann. Aber nein, es sollten hohe Erträge generiert werden und dazu wurden die hohen Volumen gebraucht.

Im Vertrauen darauf, dass Marktstörungen nie eintreten werden, wurde die Existenz der Bank aufs Spiel gesetzt. Und es hat ja in der Geschichte der internationalen Kapitalmärkte noch nie Marktstörungen gegeben: nein, nie. Nicht nach dem 11.09.2001, nicht nach den Irak-Kriegen, nicht nach den Ölpreisschocks vor dreißig Jahren. Nein, die Kapitalmärkte funktionieren immer.

Der KPMG-Bericht war der Bank, den Vorständen und den Organen der Bank bekannt. Spätestens über die Liqui-Kredite der Sachsen LB an die Conduits ist auch der Kreditausschuss über die Strukturen der außerbilanziellen Geschäfte informiert gewesen. – Natürlich hat auch das BAFIN den Bericht erhalten und ihn sogar noch an die Bundesbank weitergeleitet. Dies führt ja auch zur aktuellen Diskussion, ob die Finanzaufsicht weiter verbessert werden muss.
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Ich komme zum Ende meiner Ausführungen: Warum konnte eine in internationalen Dimensionen relativ kleine Bank, wie die Sachsen LB, eine öffentlich-rechtliche Bank, sich Verpflichtun-gen außerhalb ihrer Bilanz aufladen, die Eigenkapital und Liquiditätsreserve der Bank um ein Vielfaches überschritten? Wie kann etwas „außerbilanziell“ sein, wenn die Bank faktisch alle Risiken daraus tragen muss? Als mittelständischem Unternehmer im Nebenberuf, da muss mir das jemand erklären.

Was haben BAFIN und Bundesbank unternommen, als sie den Prüfbericht von KPMG erhalten haben?

Haben die Aufsichtsorgane der Sachsen LB den Prüfbericht von KPMG erhalten oder nicht und was haben sie damit gemacht? Kann es sein, dass eine kleine Tochtergesellschaft einer Bank 90% der Konzerngewinne erzielt und niemand interessiert sich dafür, woher die Gewinne stammen? Geschäfte ohne jegliches Risiko? Wie blind kann ein Anteilseigner sein, wenn er Ausschüttungen in Mio-Höhe kassiert und ihm erklärt wird, dahinter steckt kein Risiko?

Der dem Freistaat entstandene Schaden lässt sich gegenwärtig kaum prognostizieren: Das Kapital der Sachsen LB von zuletzt ca. € 1,5 Mrd. – davon bleiben im schlimmsten Fall der Min-destkaufpreis von € 300 Mio., den sich LBBW zu „zahlen“ verpflichtet hat. Die kommunalen Anteilseigner schreien bereits auf, weil ihnen für die künftigen Haushalte die Ausschüttungen der Sachsen LB fehlen werden; gelingt es dem Finanzmini-sterium durch Aufstockungen im kommunalen Finanzausgleich (FAG) die aufschreienden Kommunen „kalt“ zu stellen und wer bezahlt diese Zeche denn am Ende der Tage? Die Schluss-abrechnung zur Landesbank Sachsen, die wird uns wohl erst in zwei bis drei Jahren von der LBBW präsentiert werden: aus Risiken, die der Freistaat Sachsen bereits heute über die alte Gewährträgerhaftung trägt.

Als Käufer der Sachsen LB wird die LBBW vor allem ein Interesse daran haben, die Bank zu sanieren und auf einen Kurs zu bringen, der für den neuen Eigentümer eben die LBBW eine rentable Investition verspricht. Alles andere kann man von dem neuen Eigentümer fairer Weise nicht erwarten.

Ich sage dies ganz bewusst, weil man von dem neuen Eigentümer nicht erwarten kann, dass er nach Verantwortlichen für die Finanzmisere Sachsen und sächsischer Kommunen sucht und diese Verantwortlichen auch noch zur Rechenschaft zieht. Das kann und wird man von der LBBW nicht erwarten können.

Wenn die Verantwortlichen für diese größte Krise in der Nachwendezeit des Freistaates Sachsen zur Verantwortung gezogen werden sollen, dann können sie es nur als Folge des entschlossenen Willens der alten Eigentümer, hier vor allem des Freistaates Sachsen. Soweit sich die Politik hierzu nicht verständigen kann, bleibt nur noch die Hoffnung auf die hoffentlich wirklich unabhängigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften, die sich ja bereits eingeschaltet haben.


Meine Damen und Herren, ich möchte meine Ausführungen schließen mit einer kurzen Replik auf ein Stück des schweizer Dramatikers Friedrich Dürrenmatt. Dieser hatte 1969 ein Stück „Portrait eines Planeten“ uraufführen lassen, in dem die Götter des Alten Testamentes gelangweilt die Milchstrasse entlang gehen:

ADAM: Eine Sonne geht dort hops
KAIN: Wer?
ADAM: Eine Sonne dort, hops.
KAIN: Ach so.
ABEL: Wann?
ADAM: Nächstens.
HENNOCH: Sie wird eine Supernova.
KAIN: Eine was?
ABEL: Sie bricht auseinander, und ihre Materie fegt in den Raum. …
HENNOCH: Eigentlich ist diese Sonne doch stabil. …
ABEL: Dann wird sie keine Supernova.
HENNOCH: Aber sie wird doch eine Supernova.
ABEL: Dann ist sie nicht stabil.
HENNOCH: Ich kenne mich in Sonnen nicht aus. ..
ADAM: Ob sie Planeten hat? …
ABEL: Keine Ahnung.
KAIN: Wie? …
HENNOCH: Planeten mit Lebewesen.
KAIN: Mit was?
ABEL: Mit Pflanzen, Tieren und Menschen.
KAIN: Ach so.
HENNOCH: Mit Lebewesen kenne ich mich nicht aus.
ABEL: Spielt auch keine Rolle.
HENNOCH: Wandern wir weiter? …
ADAM: Hops geht sie ohnehin.


Und dieses Drama lässt sich auf die aktuelle Situation bei der Sachsen LB übertragen:


HERBERT: Ein Conduit geht dort hops.
HORST: Bitte was geht hops?
GEORG: Ein Conduit geht hops und wird zur Katastrophe.
HORST: Aber Conduits sind doch AAA-geratet und können gar nicht hops gehen.
GEORG: Dann haben wir doch Glück gehabt, das Conduit geht nicht hops.
HERBERT: Dann gibt es auch keine Katastrophe.
GEORG: In Sachsen gibt es nie Katastrophen, Herbert.
HERBERT: Aber ich sehe doch die Katastrophe.
HORST: Dann war es bestimmt kein Triple-A. Dann stand bestimmt nur Triple-A drauf und war kein Tripple-A drin. Verdammte Produktpiraten.
HERBERT: Mit Conduits kenne ich mich nicht aus, muss mal Ex-Kollege Michael fragen.
HORST: Geht es da um Euros bei den Conduits?
HERBERT: Mit Euros und Conduits kenne ich mich nicht aus.
GEORG: Gehen wir weiter? Da hinten gibt’s was zu trinken.
HORST: Okay, gehen wir weiter, spielt sowieso keine Rolle.
HERBERT: Hops ging das Conduit ohnehin.
GEORG: Aber wir haben doch alles versucht um das zu verhindern?
HORST: Natürlich Georg, wir haben alle Conduits verkauft mit Ausnahme von dem, der gerade hops ging.
GEORG: Meinst du andere Conduits gehen auch noch hops?
HORST: Du nervst Georg, das weiss ich doch nicht.
HERBERT: Ich auch nicht.
GEORG: Herbert, wozu brauchen wir dich eigentlich noch?
HORST: Georg, er muss doch den Kaufvertrag über die
die restlichen Conduits und den anderen Kram noch unterzeichnen.
GEORG: Wieso muss das der Herbert machen, ich dachte du machst das, Horst.
HORST: Eben, darüber müssen wir noch reden.
GEORG: Du meinst, darüber, wie lange ich dich noch
brauche?
HORST: Eben, einer muss das Licht ausmachen.
GEORG: Das ist eindeutig mein Verdienst, Horst – Basta!

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