Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.08.2008

Im Schatten der „Königskobra“

Die Staatssekretärin im Justizministerium, Gabriele Hauser, ist wegen ihrer Personalpolitik in die Kritik geraten.
 
Der Präsident des Landgerichts Dresden, Gerd Halfar, muss sehr wütend gewesen sein, als er vor etwa einem Jahr an den Präsidenten des Oberlandesgerichts einen Brief schrieb: „Hiermit beantrage ich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen mich“, lautet der erste Satz. Die Staatssekretärin im Justizministerium, Gabriele Hauser, habe ihm indirekt vorgeworfen, eine unkorrekte Beurteilung über einen Richter verfasst zu haben, begründete Halfar sein ungewöhnliches Anliegen.

Er habe die Urteile des Richters gar nicht gelesen und ihm dennoch eine gute Beurteilung geschrieben, habe sie behauptet. „Ich bitte den Vorwurf zu prüfen“, heißt es in Halfars Selbstanzeige vom vorigen September, die der SZ vorliegt. Halfar selbst hat es abgelehnt, sich dazu zu äußern. Es gibt aber Stimmen in der Justiz, die den ungewöhnlichen Vorfall als Beleg für die Stimmung in der Justiz werten.

Der Brief sei nichts anderes als eine Kriegserklärung an Staatssekretärin Hauser, formuliert es ein hochrangiger Jurist. Hauser sei im Justizministerium hauptsächlich verantwortlich für Beförderungen und Versetzungen von Richtern und Staatsanwälten, und ihre Methoden sollen, so meinen einige, nicht immer sehr vornehm sein. Ihr Spitzname: „Königskobra“.

So ging es zum Beispiel bei der Beurteilung des Richters darum, ihn zur Rücknahme einer Bewerbung zum Leitenden Oberstaatsanwalt zu bewegen – nachdem er zunächst aufgefordert worden war, sich für diese Position zu bewerben. Offenbar erschien inzwischen ein anderer Kandidat als geeigneter. Weil er dem plötzlichen Sinneswandel nicht sofort folgen wollte, habe ihm die Staatssekretärin eines seiner Urteile vorgehalten – es enthielt einen Flüchtigkeitsfehler.

Wenn er seine Bewerbung nicht zurückziehe, werde man alle seine alten Akten durchforsten und nötigenfalls seine bisher gute Beurteilung nachträglich ändern, sei ihm angedroht worden. Das Justizministerium wollte sich unter Berufung auf den Datenschutz nicht zu dem Thema äußern.

Die Geschichte hat sich inzwischen in der sächsischen Justiz herumgesprochen. Sie ist jetzt auch nachzulesen in der Mitgliederzeitung der Neuen Richtervereinigung. In der neuen Ausgabe des Heftes wird erstmals öffentlich die Personalpolitik in der Justiz kritisiert. Noch nie habe eine einzelne Person eine derart einflussreiche Position innegehabt wie Gabriele Hauser, heißt es in einem Beitrag von Christian Avenarius. Er ist Oberstaatsanwalt, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dresden und Vorstandsmitglied der Richtervereinigung.

„Enttäuschte Bewerber“

Sie habe eine Machtposition, von der sie auf berufliche Entwicklungen und damit auf persönliche Schicksale Einfluss nehme wie kaum ein anderer, schreibt der Autor unter der Überschrift „Im Schatten der Königskobra“. Auch wenn viele ihrer Entscheidungen korrekt seien, müsse die Personalpolitik offener und transparenter werden, fordert der Verband. Manche Stellenausschreibungen für Führungspositionen würden so gezielt formuliert, dass sich auf viele Führungspositionen nur der bewerben könne, der den Job auch tatsächlich bekommen soll. Enttäuscht äußern sich Richter wie Staatsanwälte darüber, dass Justizminister Geert Mackenroth (CDU), der selbst lange Jahre Richter und Chef des Deutschen Richterbundes war, sich wenig mit Personalfragen befasse.

Mackenroth lässt die Vorwürfe zurückweisen. Er entscheide auf der Basis von Beurteilungen und Fachvoten selbst über Stellenbesetzungen, und zwar nach einem reglementierten Verfahren. Die Auswahl erfolge nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, beteuert seine Pressestelle in einer Stellungnahme.

Die Kritik an der Personalpolitik des Ministeriums bügelt der Minister mit dem Hinweis auf die Unzufriedenheit abgelehnter Bewerber ab, obwohl sich nicht nur unterlegene Kandidaten zu Wort gemeldet haben. Die Zufriedenheit der Richter und Staatsanwälte mit den Personalentscheidungen zeige sich daran, dass die seit 2007 veröffentlichten 71 Stellenausschreibungen nur eine Konkurrentenklage nach sich gezogen hätten. Das ist nicht verwunderlich: Wer gegen Personalentscheidungen des Ministeriums klagt, kann sich in der Regel jede weitere Bewerbung sparen.
Von Karin Schlottmann