Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 05.05.2001

Dresdner Regierungshotel droht die Schließung

Meyer-Anweisung aufgetaucht: "Dringlich", aber nicht nachgehakt
 
DRESDEN. Wenn es darum geht, Konsequenzen aus Schlampereien rund um die vertraglichen Konstruktionen und die Bewirtschaftung des Gästehauses an der Dresdner Schevenstraße zu ziehen, will sich Sachsens Staatsregierung an Offenheit nicht mehr überbieten lassen. „Die könnten bis zur Aufgabe des Gästehauses reichen", sagte gestern Regierungssprecher Michael Sagurna.

Der öffentliche Druck auf den Ministerpräsidenten hat sich verstärkt, nachdem Anlagen des 100 Seiten umfassenden Berichts von Staatskanzlei-Chef Georg Brüggen aus dem Haushalts- und Finanzausschuss bekannt geworden sind. Die beziehen sich auf das selbst beklagte „Missmanagement der Staatskanzlei beim Betrieb des Gästehauses". Darin wird aus dem Rechnungshof-Bericht von 1994 zitiert, es handele sich bei den Leistungen in der Schevenstraße um eine „hotelähnliche Unterbringung". 1992 wäre ein Entgeld von 77 Mark pro Quadratmeter angemessen gewesen, 1993 gar 92 Mark.

Es habe sich nicht um eine Prüfung der Mietverhältnisse des Ehepaares Biedenkopf, sondern um eine Bewertung des Gesamtobjekts gehandelt, bemühte sich Sagurna um Klarstellung. Die fällt seit gestern etwas leichter. Ein Schreiben des Finanzministeriums, das den Korrekturbedarf des Rechnungshofs beinhaltet, ist in der Staatskanzlei aufgetaucht. Ex-Staatssekretär Günther Meyer hatte es sogar mit dem Vermerk „dringlich" versehen. Wo und warum die Aufforderung versickerte, harrt jetzt der Aufklärung. Meyer, der als Pensionär jetzt ein Sprachstudium in Perugia (Italien) betreibt, will das Schreiben einem Referatsleiter weitergereicht haben. Warum er trotz der Brisanz nicht mit Biedenkopf gesprochen und nachgehakt habe, kann er sich heute selbst nicht mehr erklären. „Mit Biedenkopf habe ich über die Angelegenheit damals nicht gesprochen", versicherte Meyer gegenüber der „Freien Presse".

Es sei klar, dass ein Gästehaus ein Zuschussgeschäft sei, sagte Sagurna. Die Frage ist nur, wie hoch rechtlich der Zuschuss sein darf. Geht es nach der PDS, so müssten Biedenkopfs 350 Mark pro Tag bezahlen. Mit seiner Rechnung von 1,2 Millionen Mark Nachzahlung sieht sich Fraktionschef Peter Porsch in Einklang mit dem Rechnungshof-Vermerk. Wie mit Zahlen jongliert wird, macht die Forderung seines SPD-Kollegen Thomas Jurk deutlich: „Korrekt wäre, wenn der Freistaat dem Ministerpräsidenten eine Rechnung über die Privatnutzung staatlicher Bediensteter über 30.000 Mark stellt und Biedenkopf diesen Betrag umgehend bezahlt." Nur versteckt formuliert Jurk seine Rücktrittsforderung an den Ministerpräsidenten. „Für weit geringere private Vorteile haben schon Minister und Ministerpräsidenten Konsequenzen gezogen."

Der Brüggen-Bericht zur Schevenstraße entpuppe sich als Brandbeschleuniger, hakte der SPD-Abgeordnete Karl Nolle nach und stellte der Staatsregierung einen umfangreichen Fragenkatalog vom Besoldungsrecht über Telefonkosten bis zur Nutzung von Dienstwagen.
(Hubert Kemper)