Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 15.05.2001

"An meinem Stuhl sägt niemand." - Neue Nachfolge-Debatte löst Erstaunen aus

Die CDU plant schon Szenarien für Biedenkopfs Rücktritt - doch der bleibt standhaft
 
DRESDEN. Mit der Nennung von potenziellen Nachfolgern hat Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) auch die eigenen Parteifreunde überrascht. Einen Rücktritt schloss er gestern trotz neuer Vorwürfe aus.
"An meinem Stuhl sägt niemand." So einfach ist das, wenn man die Welt durch die Augen von Kurt Biedenkopf sieht. Kampfeslustig wies er gestern, vor Beginn der Sitzung des CDU-Bundespräsidiums, jegliche Rücktrittsabsichten weit von sich. Der jüngste "Spiegel"-Bericht über die Amigo-Beziehungen zu dem bayerischen Baulöwen Max Schlereth schien seinen Durchhaltewillen nur gestärkt zu haben.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

"An meinem Stuhl sägt niemand" - der Satz ist gleichwohl mehr Wunsch denn Realität. Das wird der sächsische Ministerpräsident spätestens morgen zur Kenntnis nehmen müssen. Dann kommt der Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Rücktrittsforderung an Biedenkopf. Vorsichtshalber hat die CDU-Fraktion schon mal klar gestellt, dass es keine geheime Abstimmung geben wird, da es sich um einen Sachantrag handelt. Die PDS vermutet dahinter eher die Angst, dass Biedenkopf keine Mehrheit mehr bekommen würde.
Ganz unbegründet ist diese Annahme nicht. Selbst in der Union rechnen immer mehr mit dem Schlimmsten. Die Forderung von Landesvize Heinz Eggert, für den Fall eines überraschenden Biedenkopf-Rücktritts einen Sonderparteitag einzuberufen, stößt in beiden Lagern der gespaltenen Partei auf Zustimmung - auch wenn die Ansichten über den Zeitpunkt ziemlich auseinander gehen.

Vogtland schlägt Flath als Nachfolger vor

Ausgelöst hat Biedenkopf solche Überlegungen selbst. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" hatte er geäußert, dass jedes Kabinettsmitglied unter 50 Jahren als sein Nachfolger in Betracht komme. "Das hat mich schon verwundert", bemerkte Generalsekretär Frank Kupfer. Schließlich habe man im Landesvorstand den Verzicht auf jegliche Personaldebatten beschlossen. Auch Vorstandsmitglied Hermann Winkler reagierte erbost: "Dieses Verfahren ist unmöglich." Es sei nicht nachzuvollziehen, warum nur die "Gruppe der U 50" den Segen von oben bekomme, obwohl einige von deren Mitgliedern offenbar nur ihre Karriere retten wollten. Unterstützung bekam der Ministerpräsident dagegen wieder einmal aus dem Vogtlandkreis. Der dortige CDU-Kreisvorsitzende, Fredo Georgi, kann sich sogar einen ganz bestimmten Minister aus dem Sextett als Nachfolger vorstellen: "Umwelt- und Agrarminister Steffen Flath hätte sicher den nötigen Rückhalt."
Noch mehr als über die ungelöste Nachfolge sorgt sich Georgi indes um die eigene Partei: "Zurzeit leben wir in einem machtfreien Raum", umschreibt er seine Kritik am Landesvorstand. Den Worten soll schon bald die Tat folgen: eine "programmatische Neuorientierung" für die Zeit nach Biedenkopf.
(Steffen Klameth)

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