Karl Nolle, MdL

DNN, 26.05.2001

Für Biedenkopf verdüstert sich der politische Himmel

Scharfe Rüge des Rechnungshofs an Mietverhältnissen in der Schevenstraße
 
Leipzig/Dresden. Die Chefs von Landesrechnungshöfen sind eigentlich zurückhaltende Menschen. Gestern demonstrierte Hans-Günther Koehn die Ausnahme von dieser Regel: In seltener Härte und Direktheit nahm sich der Präsident der sächsischen Finanzkontrolleure die umstrittenen Mietverhältnisse von Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) im Gästehaus in der Scherenstraße zur Brust, von Hausmeistern, Köchen und Bewirtungsservice über Chiemsee-Essen bis hin zur Miethöhe für den Ministerpräsidenten. Ergebnis: Das Meiste geschah rechtswidrig, Nachzahlungen für Biedenkopf inklusive.

Das entscheidende Thema für die Rechnungsprüfer ist der hotelähnliche Allroundservice in der Villa. „Ein er-heblicher Teil des Personals", fasste Koehn die Ergeb-nisse zusammen, „arbeitete für pri-vate Zwecke". Da-bei sei das Ganze „ohne vertragliche Grundlage" ge-schehen und war eben nicht – wie von der Staats-kanzlei behauptet - vom Mietvertrag gedeckt. Das Schlimmste aber kam dann per nacktem Zahlen-werk: Bis zu 100 000 Mark be-trägt laut Finanz-prüfer die offene Rechnung für den Ministerpräsiden-ten - pro Jahr. Da Biedenkopf ab 1994, spätestens aber ab 1997 nachzahlen müsse, kämen in übelsten aller Fälle bis zu 700 000 Mark allein fürs Personal auf den Regierungschef zu.

Doch damit nicht genug. Auch die Miethöhe im Gästehaus ist nach Ansicht der Rechnungsprüfer allemal für eine Rüge gut. Aus drei Gründen: Erstens sei die Kaltmiete von 8,15 Mark „zu gering"; zweitens müsse das rund 30 Quadratmeter große Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten mit hinzugerechnet werden; und drittens sei für die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen - vom Keller bis zum Garten - ebenfalls ein Nachschlag fällig.

Damit verdüstert sich der Himmel für den Ministerpräsidenten. Hatte er bisher stets darauf verwiesen, die Attacken seien das Machwerk einer unheiligen Allianz aus Opposition und veröffentlichter Meinung, so rückt er jetzt endgültig ins Zentrum des Desas-ters. Ansatzpunkt ist jene Rüge des Rechnungshofs an den Verhältnissen in der Schevenstraße aus dem Jahr 1994. Denn für Präsident Koehn ist klar, dass diese Kritik „an höchster Stelle" angekommen sei, also in der Staatskanzlei: Der Ministerpräsident aber sei „in gewisser Weise" auch Chef der Regierungszentrale. Staatskanz-lei-Chef, Georg Brüggen (CDU), be-zeichnete es dagegen als „nicht nach- vollziehbar", warum die Prüfbehörde ihre Beanstandungen von 1994 nicht weiterverfolgt habe.

Für die gestern extra nach Leipzig gereisten Zaungäste von der Opposition ist das ein gefundenes Fressen. PDS-Fraktionschef Peter Porsch warf Biedenkopf vor, „offensichtlich vom Problem gewusst" zu haben. Und SPD-Frontmann Karl Nolle legte nach: „ Der Bericht übertrifft alles, was bisher geäußert wurde."

Damit ist die Regierungskrise auf Dauer gestellt. Zwar kündigte die Staatsregierung gestern Nachbesserungen an, aber bereits in wenigen Tagen droht neues Ungemach für den Regierungschef. Dann nämlich tagt der Finanzausschuss zum Thema. Und das Hauptproblem ist eh weiter ungelöste: die offene Nachfolge des Ministerpräsidenten.
(Jürgen Kochinke)

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