Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 29.05.2001

Wütender Biedenkopf attackiert Rechnungshof

"Eine Verletzung unserer Ehre" / Präsident Koehn weist Vorwurf zurück: Zahlen korrekt
 
DRESDEN. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue", schnaubte Sachsens Ministerpräsident empört in die Mikrofone. "Aber ich werde nicht zulassen, dass der Name meiner Familie in dieser Weise beschmutzt wird."

In der seit Wochen schwelenden Gästehaus-Affäre hat sich der Zorn von Kurt Biedenkopf gegen den Präsidenten des Landesrechnungshofes, Hans-Günther Koehn, gerichtet. Dessen Prüfbericht zu Biedenkopfs Wohnung auf der Dresdner Schevenstraße hat die Vorwürfe der Billig-Miete und der kostenlosen Privatnutzung von Staatspersonal bestätigt. Biedenkopf drohen dadurch Nachzahlungen von 400 000 bis zu einer Million Mark. Der Premier wirft Koehn jetzt vor, diese Summen öffentlich verbreitet zu haben, obwohl sie im Prüfbericht nicht auftauchen. Er und seine Frau würden somit als Leute verunglimpft, die nach Sachsen gekommen sind, um in die Kassen zu greifen. "Das ist eine Verletzung unserer Ehre."

Koehn wies den Vorwurf gestern entschieden zurück. Die genannten Zahlen seien alle korrekt. Den Versuch, ihm eine Mitschuld an der Affäre zuzuschieben, bezeichnete Koehn als "Ablenkung".

Die Drohungen gegen den Rechnungshof-Chef haben inzwischen für empörte Reaktionen gesorgt. FDP-Chef Holger Zastrow fordert eine Entschuldigung. "Biedenkopfs Realitätsverlust übertrifft mittlerweile das Kohlsche Niveau." Die SPD-Vorsitzende Constanze Krehl rügte die Attacke gegen Koehn als Verletzung der politischen Kultur.

SPD-Spitze beendet Diskussion über Rot-Rot

Die SPD drängt zudem auf einen Untersuchungsausschuss "Schevenstraße". Die 14-köpfige Landtagsfraktion braucht dafür zehn weitere Unterstützungsunterschriften. Laut Fraktionschef Thomas Jurk haben einzelne PDS-Abgeordnete bereits Zusagen gemacht. Jurk rechnet damit, dass der Ausschuss noch im Sommer beschlossen wird und im Oktober die Arbeit aufnimmt.
Scharfe Kritik übten Krehl und Jurk dagegen am SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle, der erstmals offiziell eine SPD-PDS-Koalition für Sachsen sowie Neuwahlen ins Gespräch gebracht hatte. Krehl sagte, über Bündnisse werde frühestens entschieden, wenn die SPD ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2004 benannt hat. Jurk schränkte ein, auch danach müsse man erst das Wahlergebnis abwarten. Beide schlossen die rot-rote Option nicht grundsätzlich aus. Gegenwärtig sei es aber eine Diskussion zur "Unzeit". Nolles Einzelmeinung helfe nur der CDU, von deren Dilemma abzulenken.
Bei den Christdemokraten wächst derweil die Unzufriedenheit über die Gästehaus-Affäre. Der Dresdner CDU-Kreisvorsitzende Dieter Reinfried kritisierte Staatskanzlei und Finanzministerium. "Dort hätte man die Dinge zügiger vom Tisch bekommen müssen."

Unklar ist auch, ob es innerhalb der CDU zu Rücktrittsforderungen an Biedenkopf kommen wird. Landesvize Heinz Eggert hatte im Vorfeld des Rechnungshofberichts erklärt, dies sei die sauberste Lösung, falls die Vorwürfe zutreffen. Am Mittwoch wird der Haushaltsausschuss des Landtages beraten. Davon hängt maßgeblich ab, wie tief der Ministerpräsident künftig in die eigenen Taschen greifen muss.
(Gunnar Saft)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: