Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 02.06.2001

"Hier geht es nicht um Petitessen"

Der Präsident des sächsischen Rechnungshofes, Hans-Günther Koehn, ist mit den vereinbarten Nachzahlungen Biedenkopfs nicht einverstanden
 
Nach einer Rüge durch den sächsischen Rechnungshof will Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, den Vorschlägen seines Finanzministers folgend, rund 100.000 Mark für die private Nutzung des vom Land bezahlten Personals in seiner Dienstvilla und in seinem Haus am Chiemsee nachzahlen. Bis zu 22000 Mark sollen darüber hinaus für die private Nutzung der Dienstwagenflotte durch seine Frau gezahlt werden. Jens Schneider sprach mit dem Präsidenten des Rechnungshofes, Hans- Günther Koehn, über diese Regelung.

SZ: Herr Koehn, sind Sie mit der jetzt gefundenen Regelung einverstanden?

Koehn: Der Rechnungshof findet es insgesamt positiv, dass sich etwas bewegt. Es wird jetzt eingeräumt, dass für die private Inanspruchnahme von Personal durch den Ministerpräsidenten etwas gezahlt werden muss, und zwar für die Vergangenheit und in Zukunft. Allerdings sind wir vor allem nicht einverstanden mit der Höhe der Zahlungen, die für die Vergangenheit geleistet werden sollen. Das sind für die private Personalnutzung knapp 100000 Mark. Wir sehen das als deutlich zu gering an.

SZ: Womit begründen Sie Ihren Widerspruch?

Koehn: Es ist die Art der Berechnung. Sie beruht für die Vergangenheit auf Annahmen, die uns nicht realistisch erscheinen. Es wurde notiert, wie weit der Ministerpräsident und seine Frau das Personal für konkrete Einsätze, wie Bügeln oder Kochen oder Putzen, bräuchten. Das addiert sich insgesamt auf wöchentlich 20,5 Stunden, also den Einsatz einer Halbtagskraft. Tatsächlich gibt es im Gästehaus derzeit 5,5 besetzte Personalstellen. Rechnet man den Hausmeister ab, dessen Arbeit man ganz der dienstlichen Funktion als Gästehaus zurechnen kann, so wissen wir, dass das übrige Personal mit höchstens der Hälfte seiner Arbeit Repräsentationsaufgaben erledigt. Dann müsste es viel freie Zeit für das Personal geben.

SZ: Und gab es diesen Leerlauf?

Koehn: Jedenfalls im Jahr 1999 ging man von einer Auslastung des Personals aus, denn man sah die Notwendigkeit, den krankheitsbedingten Ausfall einer Halbtagskraft durch einen Reinigungsdienst zu ersetzen. Deshalb gehen wir von einem intensiveren Einsatz des Personals für private Zwecke der Familie des Ministerpräsidenten aus. Unsere Annahme, die Kosten dieses Einsatzes beliefen sich auf etwa 80000 bis 100000 Mark pro Jahr, sehen wir nicht als widerlegt an.

SZ: Damit liegen Sie deutlich über dem Ansatz des Finanzministers.

Koehn: Je nachdem, wie weit man zurückgeht, käme ein Betrag von etwa 500000 bis 600000 Mark heraus. Den kann man als Nachzahlung aber nicht verlangen. Er muss natürlich im Sinne einer Billigkeitsregelung verringert werden, da der Ministerpräsident die jahrelange Praxis nicht allein zu verantworten hat.

SZ: Im Sinne dieser Billigkeitsentscheidung hat der Finanzminister dem Ministerpräsidenten jetzt 60 Prozent der Kosten angerechnet. Wenn man bei diesem Schlüssel bliebe, aber von ihren Beträgen ausginge, kämen Nachforderungen von weit mehr als 300000 Mark zustande.

Koehn: Diesen Schluss muss ich Ihnen überlassen. Aber für uns steht fest, dass die Forderung für die Vergangenheit mehrere hunderttausend Mark umfassen müsste.

SZ: Sie haben auch Zweifel in Bezug auf die Miete des Ministerpräsidenten.

Koehn: Für die Vergangenheit gilt der Mietvertrag – das ist klar. Wir haben zwar Nachverhandlungen auch darüber als möglich angesehen, aber dazu gibt es keine Verpflichtung. Was die Zukunft angeht, meinen wir zum Einen, dass das Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten von 30 Quadratmetern berechnet gehört. Zudem ist man entgegen unseren Vorschlägen beim alten Quadratmeterpreis geblieben und hat dem Ministerpräsidenten lediglich die Benutzung von Gemeinschafts- und Nebenräumen berechnet.

SZ: Sind dies insgesamt wirklich gravierende Einwände?

Koehn: Das sind gravierende Einwände. Würde man uns fragen, welcher Regelung wir zustimmen können, würden wir nicht von vorneherein jeglichen „Verhandlungsspielraum“ ablehnen, aber man müsste deutlicher auf uns zu zugehen, damit der Rechnungshof zustimmen kann.

SZ: Der Ministerpräsident sprach von Petitessen. Können Sie ihm folgen?

Koehn: Nein. Es handelt sich in keiner Weise um Petitessen, sondern um eine sehr grundsätzliche Frage. Die Bürger müssen in sparsamen Zeiten für viele Einschränkungen viel Verständnis aufbringen. Es geht nun gerade darum, dass dieses Verständnis nicht verloren geht.

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