Karl Nolle, MdL

VORWÄRTS 6/2001, 02.06.2001

Es hat sich ausgekönigt

Das Regieren nach Gutsherrenart ist vorbei. Karl Nolle* über Kurt Biedenkopf
 
Nichts ist mehr so wie es war in Sachsen. Zehn Jahre lang konnte ein Ministerpräsident schalten und walten, wie seiner Hoheit es beliebte. Nun unterlaufen dem alten Fuchs Fehler am laufenden Band. Und seit neustem bohrt auch noch die Opposition in den unangenehmen Ungereimtheiten höfischer Familien-Herrschaft der Biedenkopfs. Im Landtag, selbst in der CDU, rumort es kräftig.

Da wurden in der Vergangenheit konsequent öffentliche Aufträge an Freunde des Ministerpräsidenten gegeben, „natürlich zum Wohle Sachsens“. Die Gattin des Ministerpräsidenten mischte sich in Mietverhandlungen des Finanzministeriums ein, zu Lasten des Freistaates. Das Verfassungsgericht kassierte in rekordverdächtiger Weise ein Landesgesetz nach dem anderen, selbst die das Quorum von 450.000 übersteigende Zahl von Unterschriften für einen Volksentscheid zum Erhalt der Sparkassen mußte erst gerichtlich gültig gesprochen werden. Und seit kurzem ist bekannt, daß sich die Familie des Ministerpräsidenten aus Steuergeldern einen Lebensstil gönnt, der wohl im Robinson-Club, aber ansonsten bei keinem deutschen Ministerpräsidenten üblich ist. Und das alles soll ganz normal und zum Wohle Sachsens sein.

Lebensstil wie im Robinson-Club

Dabei ist Biedenkopf das politische Gespür abhanden gekommen. Das Gespür dafür, welche Kraft Langzeitarbeitslose jeden Morgen beim Aufstehen brauchen, was junge Menschen, deren Eltern und Großeltern bewegt, wenn sie in Sachsen keinen Job oder Ausbildungsplatz bekommen, wie man mit Stundenlöhnen von 5 –7 Mark brutto eine Familie im Niedriglohnland Sachsen unterhalten soll. Auf diese Fragen fallen dem Ministerpräsidenten immer nur seine 10-Jahre-alten-Reden ein.

Bei ehrlichem Respekt vor persönlichem Mut und Engagement der Biedenkopfs, Dank gilt vor allem den Menschen in Sachsen für die Aufbaujahre nach 1990. Aber neben dem Anlocken von Investoren, dem Aufbau neuer Verwaltungen kam der ersten freigewählten Landesregierung eine besondere Aufgabe zu. Sie mußte die Demokratie wieder in den Köpfen und Herzen der Menschen verankern. Eine Demokratie, die die Menschen in Sachsen auf der Straße erkämpft hatten.

Das Parlament ausgeschaltet

Statt einer besonderen Sensibilität im Umgang mit der neuen Macht, etablierte die Regierung Biedenkopf jedoch einen Stil der jeder Demokratie spottet. In alle Ecken des Landes hat sich ein schwarzer Schleier gelegt. Im Windschatten Biedenkopfs hat die CDU alle Ämter im Land besetzt, bis zum letzten Hausmeister. Das Parlament als Kontrollorgan wurde praktisch ausgeschaltet. Die Opposition hat keine Chance, gehört zu werden. Jede ihrer Ideen wird mit der Arroganz der Macht abgebügelt. Sachsen – im Vergleich dazu ist das CSU-Bayern ein Hort des Liberalismus.

Die Fraktion ein Abnickverein

Die CDU-Fraktion und das Kabinett – ein Abnickverein. Es wurde gemacht, was Kurt Biedenkopf wollte. Den Sinn von Parlamentarismus – Aushandlen, Interessen an einen Tisch bringen, Widerspüche austragen, Macht kontrollieren – führt ein solcher Regierungsstil ad absurdum.

So etwas geht nicht ewig gut. Die Quittung dafür bekommt Biedenkopf nun. Und mit ihm die CDU gleich mit. Denn die ist tief darüber gespalten, wie sie mit ihrem alternden Meister umgehen soll – christdemokratische Handlungstarre.

Eines hat die Biedenkopf-Krise auf jeden Fall bewirkt: die in Sachsen schwer gebeutelte SPD hat sich zurückgemeldet. Und insofern hat jede Krise auch ihr gutes. Denn ohne eine lautstarke Opposition, ohne ein ständiges Finger-in-die-Wunde-legen kann keine Demokratie auf Dauer überleben. Die Zeit des Regierens nach Gutsherrenart ist endgültig vorbei.

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*Karl Nolle ist 56 Jahre alt, SPD-Landtagsabgeordneter und Unternehmer in Dresden. 1991 übernahm der gebürtige Hattendorfer die konkursreife Druckhaus Dresden GmbH

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