Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.08.2001

Wir brauchen den Wettbewerb von Ideen und Personen

In dieser Woche entscheidet sich, ob es bei der Neuwahl des CDU-Landesvorstandes am 15. September zum Duell zwischen Agrarminister Steffen Flath und Ex-Finanzminister Georg Milbradt kommt. SZ sprach mit dem Nur-noch-Landtagsabgeordneten Milbradt.
 
# Man hat lange nichts von Ihnen gehört. Was macht eigentlich Georg Milbradt?

Im Augenblick mache ich Urlaub. Im Kommunalwahlkampf hatte ich fast 150 Termine, da bin ich ganz froh mich etwas erholen zu können.

# Herr Flath ist da rühriger und hat schon mal Interesse am CDU-Landesvorsitz angemeldet. Werden Sie auch antreten?

Es gibt die Vereinbarung, dass man sich bis zum 10. August erklären soll. Daran halte ich mich.

# Braucht die CDU überhaupt einen neuen Landesvorsitzenden?

Fritz Hähle steht, wenn man seine Zeit als Generalsekretär mitrechnet, fast zehn Jahre an der Spitze der Sächsischen Union. Das ist eine lange Zeit, in der sich viel verändert hat. Die guten Wahlergebnisse der Vergangenheit hängen entscheidend mit der Person Kurt Biedenkopf zusammen, der zur nächsten Landtagswahl nicht mehr zur Verfügung steht. Ich will keine grundlegend andere Politik. Aber die Aufbausituation ist vorbei. Die Partei konnte sich noch nicht so entwickeln, wie es notwendig ist, um auch in Zukunft die politisch bestimmende Kraft in Sachsen zu bleiben. Wir bekommen nun eine politische Normalisierung. Die Partei muss eine stärkere Rolle im Kräftedreieck mit Fraktion und Regierung übernehmen. Das sollte mit einem personellen Wechsel und neuem Schwung verbunden sein.

# Was sind die wichtigsten Aufgaben der sächsischen CDU?

Eine Partei wird nur gewählt, wenn der Bürger ihr zutraut die Zukunft zu gestalten. Dankbarkeit für die Vergangenheit spielt nur eine untergeordnete Rolle. Wir müssen uns mit den neuen Herausforderungen beschäftigen: Konsequenzen aus dem demografischen Wandel, aus der Informationstechnologie, der Globalisierung und der europäischen Einigung. Darauf müssen wir Antworten geben. Die Politik darf nicht dem Bürger verordnen, was gut für ihn ist, sondern sie muss in ständigem Dialog mit ihm stehen, ihn bei den Veränderungen begleiten und ihm seine Ängste nehmen. Dafür brauchen wir mehr aktive Mitglieder und neue Formen der Zusammenarbeit mit Nahe- und Außenstehenden.

# Da hätten Sie doch schon was tun können, schließlich sind Sie seit zwei Jahren stellvertretender Parteichef

Ich habe schon während meiner Ministerzeit intensiv Kreis- und Ortsverbände besucht und mich der Diskussion mit den Bürgern gestellt. Aber das hat seine Grenzen. Frei vom Ministeramt habe ich meine Besuche und Kontakte an der Basis intensivieren können und mir einen Überblick über die Situation in der Partei verschafft. Der Verlust der Kommunalwahl in Dresden, das blamable Abschneiden in Chemnitz und der glückliche Sieg in Zwickau machen deutlich, dass wir zunehmend in den Großstädten Probleme haben. Darüber täuschen auch nicht die hervorragenden Wahlergebnisse in vielen Kreisen und kleineren Gemeinden hinweg.

# Welche Eigenschaften muss der künftige CDU-Ministerpräsident haben, um gegen einen möglichen SPD-Herausforderer Wolfgang Tiefensee bestehen zu können?

Keiner weiß, wen die SPD ins Rennen schicken wird. Aber Tiefensee wäre sicherlich ein ernst zu nehmender Herausforderer. Der Bürger will Kompetenz, er will jemanden an der Spitze des Landes, dem er sein Schicksal anvertrauen kann, der glaubwürdig, engagiert und bürgernah ist.

# Spielt das Alter eine Rolle?

Nicht so sehr. Das Beispiel Biedenkopfs zeigt, dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch das Vertrauen der Bürger bekommen kann.

# Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind derzeit nicht die besten: lahmende Konjunktur, sinkende Steuereinnahmen . . .

Es ist schade, dass dieser Konjunkturaufschwung so schnell ausläuft. Dafür gibt es globale und nationale Ursachen. Schröder ist es nicht gelungen, während des Aufschwungs die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen. In Europa war der Zuwachs an Arbeitsplätzen in Deutschland am geringsten. Wir brauchen eine Reform der Arbeits- und Sozialsysteme mit dem Ziel, dass größere materielle Anreize zur Aufnahme von Arbeit existieren und dass auch die Betriebe wieder mehr Arbeit nachfragen. Andere Länder sind uns da weit voraus.

# In Sachsen verhängte der Finanzminister eine Haushaltssperre. War der Einschnitt vermeidbar?

Es ist ganz normal, dass die Ausgaben an sinkende Einnahmen angepasst werden müssen. 250 Millionen Mark sind bei einem Haushaltsvolumen von 31 Milliarden aber gar nicht so dramatisch. Das Problem ist nur, dass sich die Einsparungen auf wenige Haushaltstitel verteilen sollen.

# Sachsen hat in den vergangenen Jahren viel gespart. Kann man in so einer Situation nicht auch mal tiefer in die Schuldenkiste greifen?

Im landläufigen Sinne wird gespart, wenn man Geld, was man hat, zur Seite legt. Wir haben dagegen nur das Geld, das wir nicht haben, nicht ausgegeben. Schulden belasten immer die folgenden Generationen, deswegen muss man mit diesem Instrument sehr zurückhaltend umgehen.

# Auf Bundesebene hat Ihre Parteivorsitzende, Angela Merkel, ein Konjunkturprogramm angeregt - notfalls auch mit Schulden finanziert. Macht das Sinn?

Kurzfristige Ausgabeprogramme verpuffen schnell. Sinnvoller wäre ein Vorziehen der Teile der beschlossenen Steuersenkungen, die erst wesentlich später in Kraft treten sollen. Weil damit auch ein Selbstfinanzierungseffekt über ein höheres Wirtschaftswachstum verbunden ist, kommt es nicht zu einer Erhöhung der Verschuldung in gleichem Umfang.

# Hat die CDU bei der Bundestagswahl 2002 noch eine Chance?

Ja. Im nächsten Jahr wird sich zeigen, dass Schröders Versprechen zur Senkung der Arbeitslosigkeit nicht zu halten sind.
Gleichzeitig muss es der Bundes-CDU gelingen ihre wirtschaftliche Kompetenz zurück zu erlangen. Dazu gehören klare Konzepte, aber auch eine Person, mit der man diese Kompetenz verbindet. Und schließlich muss die Frage der Kanzlerkandidatur zügig entschieden werden. Auf keinen Fall dürfen wir damit bis zum nächsten Frühjahr warten.

# Zurück nach Sachsen. Wann haben Sie das letzte Mal mit Kurt Biedenkopf gesprochen?

Das war im April. Ich bin nicht mehr Regierungsmitglied und sehe ihn nur noch selten.

# Vermissen Sie die ehemals engen Kontakte zum Ministerpräsidenten?

Ich kenne Kurt Biedenkopf seit über 25 Jahren und bin seinetwegen nach Sachsen gekommen. Mich belastet die Veränderung schon. Ich wünsche mir wieder ein besseres Verhältnis.

# Auch andere Kabinettskollegen wenden sich von ihnen ab, manche - wie Wissenschaftsminister Meyer - sogar mit harter Kritik an Ihrer Amtsführung.

Man sollte Kritik äußern, wenn es den konkreten Anlass gibt, und nicht in Form einer Geschichtsbewältigung. Natürlich spielen im Vorfeld von Wahlen unterschiedliche Meinungen, Sympathien und Antipathien ein Rolle. Wir brauchen aber den Wettbewerb von Ideen und Personen. Er stärkt die Partei, wenn er fair ist und niemanden beschädigt. Die Äußerungen von Herrn Meyer tragen eher zu einer Verschärfung der Situation bei.

# Kommt es bei der Neuwahl des CDU-Landesvorsitzenden zur Kampfkandidatur Flath-Milbradt?

Den Ausdruck Kampfkandidatur finde ich nicht gut. Dass mehrere Kandidaten zur Wahl stehen, sollte doch der Normalzustand in der Demokratie sein. Natürlich kann man den Delegierten auch einen Konsenskandidaten vorstellen. Das setzt aber voraus, dass es einen breiten Konsens gibt.

Das Gespräch führten Christian Striefler und Steffen Klameth.

Karl Nolle im Webseitentest
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