Karl Nolle, MdL

LVZ, 13.11.2001

Für Sachsens "General" wird es langsam eng

Wegen seiner Amtsführung gerät Generalstaatsanwalt Schwalm unter Druck / Kritik auch von der CDU
 
Dresden. Sachsens Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm hat keinen leichten Job. Als oberster Ankläger im Freistaat sitzt der 57-Jährige an der Nahtstelle zwischen Justiz und Politik, muss vermitteln, ohne zu vermengen - und hat genau deshalb in der Vergangenheit kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Jetzt ziehen schwarze Wolken auf. Längst ist es nicht mehr nur die Opposition, die Schwalms Amtsführung kritisiert, auch die CDU hat Bedenken.

Grund ist jenes Schreiben von Schwalm vom 29. Oktober an die Staatsanwaltschaften im Freistaat. Tenor: Die strafrechtliche Relevanz von Neonazi-Parolen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" sei juristisch umstritten, die Verfolgung könne eingestellt werden. Für Marko Schiemann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, ist das zu viel des Guten. Vehement macht er Front. Die Parole verweise "eindeutig auf eine verfassungsfeindliche Einstellung", so sein Argument, juristische Winkelzüge á la Schwalm nützten nur den "Propagandisten dieses Gedankenguts".

Für den Angeschlagenen ist das mehr als eine Ohrfeige. Denn mittlerweile muss er sich auch gegen Angriffe auf anderen Feldern wehren. Es geht um einen Aktenvermerk zur Paunsdorf-Affäre, aus dem sich ein böser Verdacht ableiten lässt: Einflussnahme auf die Ermittlungen rund um Investor Heinz Barth, einen Duz-Freund von Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU). Genau deshalb ermittelt jetzt auch die Staatsanwaltschaft gegen Schwalms Behörde wegen möglicher Strafvereitelung im Amt. Schwalm hat diese Vorwürfe bisher stets zurückgewiesen.

Das Pikante aber liegt auf anderem Gebiet: Die Gesprächsnotiz über das Telefonat mit der Leipziger Staatsanwältin Claudia Laube stammt aus Schwalms eigener Behörde, und ist datiert mit Ende Januar 2001 - zehn Monate nach dem Gespräch. Das ist kurios, dürfte aber einen einfachen Grund haben: Zu jenem Zeitpunkt gewann die Paunsdorf-Affäre öffentlich an Fahrt, Schwalms Mitarbeiter könnten intern auf Distanz gegangen sein zu ihrem "General".

Das deckt sich mit dem Kopfschütteln im Justizministerium von Ressortchef Manfred Kolbe (CDU). "Nicht optimal" sei das Vorgehen in Sachen Waffen-SS gewesen, heißt es dort unter der Hand, Schwalm habe den Eindruck entstehen lassen, es gebe einen "Freibrief für Neonazis". Entsprechend ging auch Kolbe in die Offensive. Öffentlich forderte er Schwalm auf, seine "Anweisung vom 29. Oktober zurückzunehmen" und in Zukunft gegen Neonazi-Parolen zu ermitteln. Für den Justizminister droht der Fall Schwalm dennoch zum Dauerproblem zu werden. Zwar wurde gestern die Landtagssondersitzung wegen des Flugzeugabsturzes in New York gestrichen, doch schon am kommenden Mittwoch befasst sich der Rechtsausschuss mit den Nazi-Aufmärschen.

Für Hermann Winkler ist das ein heißes Eisen. Schwalm, meint Sachsens CDU-Generalsekretär, tendiere zur "Verquickung von juristischen Tatbeständen mit politischen Interessen". Ein solches Amtsverständnis beschädige das "Vertrauen in die Demokratie". Wenn der Generalstaatsanwalt so weiter mache, "wird es langsam eng".

Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
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