Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung - Online, 17.01.2002

Nach Affären und politischem Druck: "König Kurt" dankt ab

 
DRESDEN. Noch einmal schlüpfte Kurt Biedenkopf in die Rolle des unumstrittenen Hausherrn. Nicht gebeugt, sondern angriffslustig wie in besten Zeiten präsentierte sich Sachsens Ministerpräsident am Mittwoch in Dresden vor laufenden Kameras. Der 71-Jährige nutzte die Gunst der Stunde, um mit seinem einstigen Kronprinzen Georg Milbradt abzurechen. Dessen Nachfolge-Ambitionen hätten, so sieht es Biedenkopf, einen Strudel ausgelöst, in dessen Folge der dienstälteste Ost- Ministerpräsident am 18. April zurücktreten wird.

Mit hoch rotem Kopf begründete Biedenkopf vor den Journalisten seinen vorzeitigen Abgang: Intrigen und völlig unverhältnismäßige bundesweite Feldzüge, die auch aus den Reihen seiner eigenen Partei geschürt worden seien, hätten dazu geführt. So fasste Biedenkopf das vergangene Jahr mit Miet- und Dienstwagenaffäre, Amigo-Vorwürfen, Ikea-Rabatt und Rücktrittsforderungen zusammen. Nur beiläufig erwähnte er, dass Anlass für derartige Kampagnen eigene Fehler gewesen seien.

Dass es dem im Volksmund «König Kurt» genannten Biedenkopf nicht leicht fällt, seinen Thron zu räumen, ist nach den bereits im vergangenen Jahr offen ausgebrochenen Debatten um seine Nachfolge kein Geheimnis. Doch der zunehmende Machtverlust war unaufhaltsam. Trotz aller Hartnäckigkeit konnte Biedenkopf nicht mehr mit seinen politischen Thesen wie zu Rente oder Aufbau Ost die Schlagzeilen beherrschen. Besonders hart traf es ihn, dass die eigene Partei nach den erfolgreichen Aufbaujahren im Ost-Musterland ihm nicht mehr geschlossen folgte. Fast mehr noch kämpfte er aber gegen den Imageverlust seiner Frau Ingrid, die bei den Affären-Vorwürfen immer wieder mit in die Schlagzeilen geriet.

Sein Zenit war bereits längst überschritten, als Biedenkopf vor Jahresfrist erstmals von einem vorzeitigen Rückzug sprach. Damals hieß es ganz offiziell, die Amtsübergabe solle sich «wohlgeordnet, nach der Bundestagswahl, Ende 2002/Anfang 2003» vollziehen. Der Abschied folgte in Raten: In seiner letzten Neujahransprache als Regierungschef machte Biedenkopf dann deutlich, dass bereits im Verlauf des Jahres Schluss sein soll. Nur wenige Tage später sprach er von einem wesentlich kürzeren Zeitraum bis zum Amtswechsel. Nun steht er im April bevor.

Bis dahin dürften der CDU noch einmal harte Tage bevorstehen. Denn anders als sein Ministerpräsidenten-Kollegen Bernhard Vogel (CDU) in Thüringen hat sich Biedenkopf keinen potenziellen Nachfolger herangezogen. Im Gegenteil: Den eigentlich als Kronprinzen gehandelten Finanzminister Milbradt hatte der Regierungschef vor einem Jahr im Streit vom Kabinettstisch verbannt. Anlass war genau das, was nun offen ist - die Nachfolge.

Angesichts des schwelenden Machtkampfes ist die sächsische Union weiter gespalten - in Gegner und Anhänger Milbradts, der seit vier Monaten die CDU führt. Der einstige Duz-Freund Biedenkopfs war im September gegen dessen Willen zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Ob der 56-Jährige in den vergangenen Monaten genügend Unterstützer um sich scharen konnte, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen erweisen. Milbradt warf am Mittwoch noch einmal den Hut in den Ring: «Das klare Votum auf dem letzten Landesparteitag sehe ich als Verpflichtung, mich um das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten zu bewerben.» Eine wichtige Etappe ist dabei die Zeit bis zum Sonderparteitag der CDU, auf dem ein Nachfolger nominiert werden soll.
(dpa)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: