Karl Nolle, MdL

DNN, 17.01.2002

Aura der Macht

Kommentar von Philipp v. Wilcke
 
Kurt Biedenkopf scheidet in Zorn und Bitternis. Dies war gestern das Aufsehenerregendere im Vergleich zur Bekanntgabe des von vielen erwarteten Rücktrittstermins Mitte April. In Richtung seiner innerparteilichen Gegner teilte er noch einmal kräftig aus und benahm sich so uneinsichtig wie gewohnt. Das Dresdner Rücktrittszenario zeigt, wie sehr der Ministerpräsident inzwischen vom Vorzeigepolitiker zum Problemfall geworden ist. In Sachsen: Wo der CDU-interne Machtkampf kaum noch Regierungsarbeit möglich macht. Im Bund: Wo sich Unionskandidat Stoiber keinen ostdeutschen Nebenkriegsschauplatz leisten kann. So gibt es jetzt ein Ende mit Schrecken, aber wenigstens überhaupt ein Ende des unwürdigen Dresdner Spektakels.

Noch vor der Bundestagswahl können nun die Verhältnisse von der allein regierenden CDU neu geordnet werden. Wie weit das Land dann schon Schaden genommen hat oder noch nehmen wird, bleibt die Frage. Ex-Finanzminister Georg Milbradt als wahrscheinlicher neuer Ministerpräsident soll Biedenkopfs höchst erfolgreiches Aufbauwerk fortsetzen. Aber er besitzt dafür weder den Segen des Ex noch ist er von diesem an die Aufgabe herangeführt worden.

Es ist die Tragik des dienstältesten Ost-Ministerpräsidenten, der soviel für Sachsen und die neuen Bundesländer getan hat, der die großen Chancen nach der Wende schnell erkannte und nutzte, dass er sein Machtgebäude unaufgeräumt, ja chaotisch und zu spät verlässt. Statt für eine kontinuierliche Fortsetzung seiner Politik zu sorgen - wo er dann auch selbst noch als Ratgeber gefragt wäre - wird er sich alsbald in die Schmollecke im Haus am Chiemsee zurück ziehen.

Das wenig ruhmreiche Ende seiner Karriere muss sich Biedenkopf vor allem selbst zuschreiben. Natürlich haben die Intriganten und Machtbesessenen heftig an seinem Stuhl gesägt. Schließlich war es ein Rabatt im Möbelhaus, der seinen Abtritt einleitete. Auf dem Höhepunkt seiner Macht wäre er dafür vielleicht noch als Cleverer gelobt worden, nun brachte die Instinktlosigkeit das Fass zum Überlaufen. Dass der Ministerpräsident hier wie bei der Mietaffäre und weiteren „Großzügigkeiten" nicht das geringste Unrechtsbewusstsein an den Tag legte, zeigte einen zunehmenden Realitätsverlust während der langen Amtszeit. König Kurt hatte um sich eine Aura der Macht geschaffen, die Kritik nicht duldete und ihn unantastbar erscheinen ließ. Dies mündete schließlich, wie beim Rausschmiss Georg Milbradts, auch in politische und personelle Fehlentscheidungen. Da wagten sich die Widersacher aus der Deckung und die Freunde drehten ab. Und wenn es auch nur darum ging, die Pfründe als Minister oder Abgeordneter zu sichern.

Es ist ein unappetitliches Machtspiel in der Art, wie es viele an unserem Staatswesen zweifeln lässt und die Politikverdrossenheit fördert. Um Biedenkopf und seine Verdienste muss einem dabei gar nicht so sehr bange sein. Die Zustimmung zu seiner Politik ist laut jüngster Umfrage mit 64 Prozent immer noch erstaunlich hoch, während seine Partei, die CDU, auf 43 Prozent abgesackt ist. Ihre Allmacht auf sächsischer Landesebene könnte mit dem Abgang von König Kurt schnell zu Ende gehen.
(Philipp v. Wilcke)

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