Karl Nolle, MdL

Junge Welt, 17.01.2002

»Verbrannte Erde« an der Elbe

Kurt und Ingrid Biedenkopf danken nach diversen Skandälchen im Freistaat Sachsen ab
 
DRESDEN. Die Ermüdungserscheinungen der Akteure sind unverkennbar. Nach fast einem Jahr der Enthüllungen, der Skandälchen und Behauptungen sind selbst die Hauptdarsteller erschöpft. Die vage Ankündigung seines Rücktritts noch in diesem Jahr in Biedenkopfs Neujahrsansprache hatte zu heftigen Spekulationen geführt. Anläßlich des zehnten Jahrestages der Landesverfassung im Mai? Oder doch schon zum Ende diesen Monats, an seinem Geburtstag? Oder wartet er noch bis Ende Februar, denn dann muß Ingrid Biedenkopf vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuß erscheinen?

In diesem Ausschuß geht es um den Verdacht, daß Biedenkopf einem Spezi nicht nur einen guten Bauauftrag für eine Büroanlage, sondern auch die teilweise Belegung durch Behörden bei überdurchschnittlich gutem Mietzins verschafft habe. Vor einigen Wochen tauchten dann noch Dokumente auf, die den Verdacht nahe- legten, Biedenkopf habe die geschäftlichen Vorstellungen seines alten Freundes eins zu eins übernommen. Die PDS sprach von einem Schaden in dreistelliger Millionenhöhe. Doch wie bereits in einer aktuellen Stunde konnte der Ministerpräsident auch vergangene Woche während einer Befragung durch den Ausschuß brillieren. »Der Alte hatte alles im Griff«, sagte ein Journalist anschließend. Und selbst der unermüdliche Biedenkopf-Jäger Karl Nolle (SPD) räumte ein, daß zwar politisch, aber nicht juristisch eine Schuld bestünde.

Wahrscheinlich würde Biedenkopf seine vor vierzehn Tagen gemachte Ankündigung der vorzeitgen Rücktritts gern ungeschehen machen, zumal Umfragen behaupten, daß die CDU zwar ihre absolute Mehrheit verloren habe, andererseits Biedenkopf aber bis zum Ende der Legislatur weitermachen soll, seine Sachsen also mehrheitlich hinter ihm stehen.

Wirklich zu schaffen macht Biedenkopf nur seine Frau und deren Äußerungen wie die in einer Sonntagzeitung, daß man mit einem Jahresgehalt von knapp 200000 auch keine großen Sprünge machen kann. Und nun läuft auch noch eine Ermittlung gegen die wegen ihrer aggressiven Betulichkeit als »Landesmutti« bespöttelte »First Lady«. In einer Sendung des Regierungsfernsehens mdr hatte sie über einen Zeugen im Ausschuß gesagt, der Mann sei ja krank. Auch Biedenkopf ist immer wieder mit derlei Ausfällen öffentlich geworden. So als er im Dresdner OB-Wahlkampf einen Kandidaten als »menschlichen Schrott« titulierte.

Gestern mittag, nach der Fraktionssitzung, gaben der Noch-Ministerpräsident und sein treuer Fraktionsvorsitzender Fritz Hähle den Rücktrittstermin bekannt. Am 18. April sei alles zu Ende. Begleitet von massiven Angriffen gegen »die neue Führung der Partei und einen Teil ihrer Funktionsträger« und insbesondere Kronprinz Georg Milbradt, zog Biedenkopf Bilanz. Von »gegen den Ministerpräsidenten gerichtete Intrigen« war die Rede. Die sächsische CDU-Führung habe »parallel zur Opposition im Landtag den Rücktritt des Ministerpräsidenten« betrieben. Auf Nachfragen der Presse wirkte er am Mittwoch wie ein Kellner im Wiener Caféhaus, ruppig bis bösartig: »Sie«, sagte er zu einem Reporter, »reden wie der Blinde von der Farbe.«

Als Milbradt anschließend vor die Presse trat, wollte er sich zu Biedenkopfs Verschwörungstheorien, wie in den vergangenen zwölf Monaten, nicht äußern. Lediglich das Wort »grotesk« rutschte ihm heraus. Er habe viele »bittere Pillen« schlucken müssen, was nötig war, um Partei und Fraktion zusammenzuhalten. Damit dürfte es spätestens nach seiner als wahrscheinlich geltenden Wahl zum Regierungschef vorbei sein. Der ehemalige Finanzminister wird den Ärger weitergeben – an die, von denen kaum Gegenwehr zu erwarten ist. Seine Abneigung gegen den Sozialstaat sind bekannt.

Eine historische Parallele zog schließlich SPD-Mann Nolle zu Biedenkopfs Abgang als Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen: »verbrannte Erde«.
(Jens-Uwe Richter/ Gunnar Schubert)

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