Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 15:57 Uhr, 18.01.2002

Rechenexempel an der Elbe

Mit einem simplen Zahlenspiel rätselt die CDU um die Biedenkopf-Nachfolge - und reagiert so auf PISA
 
Dresden (ddp-lsc). Mathematik, so bringt es die im Landtag debattierte PISA-Studie ans Licht, wird in Deutschland zu trocken unterrichtet. Die Schulstunden, kritisiert Kultusminister Matthias Rößler (CDU) in seinem Redemanuskript, seien «zu schematisch, zu wenig anschaulich» und ließen «nicht ausreichend Lösungsvarianten zu - das müssen wir ändern.»

Mit gutem, wenn auch nicht freiwilligem Beispiel, scheint da die CDU-Fraktion voranzuschreiten. Von den Medien scharf beäugt, illustrieren die Parlamentarier derzeit anhand einer relativ simplen Aufgabe unterschiedlichste Ansätze. Das Problem lautet: Wie viel ist 76 minus 15 ?

Die Antwort scheint einfach und hat dennoch freistaatstragende Dimensionen: 61. Denn so viele Stimmen benötigt jemand, der vom Landtag im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt werden will. Diese Absicht hat unbestreitbar CDU-Landeschef Georg Milbradt. Doch werden bei der entscheidenden Sitzung Mitte April so viele der 76 CDU-Abgeordneten für den Ex-Finanzminister stimmen?

Der 56-Jährige hat das Problem, dass ihn sein früherer Chef nicht mehr mag. Erst entließ Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) den markanten Finanzexperten wegen Differenzen in der Nachfolgefrage aus dem Kabinett, dann beschuldigte er ihn in dieser Woche vor laufenden Kameras, seinen vorverlegten Rücktritt «betrieben» zu haben.

Die heftige Kritik zeigt Auswirkungen in der Fraktion. Nicht ausgeschlossen, dass Teile der Abgeordneten dem Gescholtenen die Zustimmung versagen, obwohl jenem mit der Wahl zum CDU-Chef ein seltenes Comeback gelang. Und nicht erst seit Biedenkopfs spektakulärem Auftritt vom Mittwoch machen an der Elbe Gerüchte über einen Gegenkandidaten die Runde. Spekuliert wird dabei am hartnäckigsten über Finanzminister Thomas de Maiziere (CDU).

Dieser schweigt - und schließt so erst einmal nichts aus. Dagegen kursierte am Rande der Landtagssitzung vom Freitag ein neues Gerücht. Auf dem voraussichtlich im März stattfindenden Nominierungsparteitag könnte sich neben Milbradt und de Maiziere ein Dritter um die Gunst der Delegierten bewerben. Im zweiten Wahlgang, so das Kalkül, zöge dieser dann zu Gunsten des von Biedenkopf ins Kabinett geholten Ministers zurück - und Milbradt blickte in die Röhre.

Wie wahrscheinlich solche Spekulationen sind, ist kaum zu beurteilen. Prognosen erschwert zudem die Fraktion, die so etwas wie ein unbekanntes Wesen ist. Denn mehrfach ließ sie - trotz anders verlaufener offizieller oder informeller Testläufe - Bewerber für die unterschiedlichsten Jobs durchrasseln. So etwa die Anwärterin auf das Amt des Stasi-Landesbeauftragten Angelika Barbe, oder Rößler und Horst Metz, die beide Fraktionschef werden wollten. Es bleibt also spannend - und Mathematiklehrer erhalten gratis Anschauungsunterricht.

(Von ddp-Korrespondent Thilo Alexe)

ddp/ale/lam
181557 Jan 02

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