Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.01.2002

Neutrales Unionslager geht auf "Königsmörder" Milbradt zu

CDU-Mitglieder solidarisieren sich mit ihrem Parteichef / Abgeordnete sind zu schneller Einigung verdammt
 
Dresden. Es sollte ein politischer Coup mit Tiefenwirkung werden: Kein anderer als der CDU-Landeschef persönlich, meinte Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) vor Tagen, sei der Grund für seinen Rückzug im April. Schließlich habe Georg Milbradt seine Demontage betrieben, die "Geschäftsgrundlage" zerstört. Das klang brachial, war aber mehr als eine Warnung vor dem Erzrivalen; es ging um die Wirkung auf Partei und Fraktion. Tenor: Mit Königsmördern wie Milbradt lässt sich schlecht Politik betreiben und Wahlen gewinnen schon gar nicht.

Doch der Schuss ging weitgehend nach hinten los. Der Vorstoß des Ministerpräsidenten, meint Ex-Gleichstellungsministerin Friederike de Haas (CDU), sei "eine Falle" gewesen, aufgestellt für die Unschlüssigen in der Fraktion. Das Spiel mit der Dolchstoßlegende aber sei "nicht aufgegangen". Ähnlich klar sieht auch Ex-Justizminister Steffen Heitmann (CDU) die Lage: "Das unwürdige Auftreten von Biedenkopf hat zur Solidarisierung mit dem Parteichef geführt", und das sei schlicht das Gegenteil von dem, was der Ministerpräsident gewollt habe.

Das ist der entscheidende Punkt. Mindestens 61 der insgesamt 76 CDU-Stimmen im Parlament braucht der neue Regierungschef, und für Milbradt steht die Mehrheit derzeit noch nicht. Aber die Stimmung hat sich gewandelt zu Gunsten von Milbradt, spürbar gerade bei jenen in der CDU-Fraktion, die keinem Lager zugehören. "Biedenkopf hat unklug gehandelt", lautet eine Stimme von vielen, "das schmiedet die Fraktion zusammen". Das erschwert das weitere Taktieren der Biedenkopf-Getreuen, deren Hoffnung einen Namen hat: Thomas de Maizire. Der Finanzminister ist nach dem Abwinken von Europaminister Stanislaw Tillich Biedenkopfs letzter Trumpf. Der Plan lautete offensichtlich: Mehrere Kreischefs sollten de Maizire vorschlagen, als Votum der Partei zur Verhinderung von Milbradt.

Doch auch diese Rechnung ging nicht auf vorerst jedenfalls. Gestern machten mit Thomas Hermsdorfer (Chemnitz) und Bernd Lange (Niederschlesischer Oberlausitzkreis) gleich zwei CDU-Kreishäuptlinge Front gegen Biedenkopf, und die Kreischefs von Aue-Schwarzenberg und Leipzig, Wolfgang Leonhardt und Kurt-Ulrich Mayer, votierten gar direkt für Milbradt.

Hinzu kommt das, was Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU) "Selbsterhaltungstrieb" der Fraktionäre nennt: die Angst vor Neuwahlen. Kann sich die Fraktion nicht auf einen Kandidaten einigen, stehen diese an. Mit Folgen für nicht wenige Mandatsträger, ihr erneuter Einzug ins Parlament ist ungewiss. Dabei geht's auch ums liebe Geld. Wer heraus fällt, bekommt keine Diäten (3943 Euro), und auch die Pensionsansprüche (erst nach acht Jahren) sind für viele Parlamentsneulinge in Gefahr.

Das will die CDU vermeiden und ist zu schneller Einigung verdammt. Das nützt Milbradt, meint Ex-Minister Heitmann weil dieser bereits zur Verfügung stehe und Thomas de Maizire, sein virtueller Konkurrent, bisher eben nicht.

Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
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