Karl Nolle, MdL

DNN, 22.01.2002

Im Streit um Biedenkopf-Nachfolge gerät de Maiziére stark unter Druck

Abwanderungsgelüste nach Berlin? / Vogel warnt vor "rheinland-pfälzischen Verhältnissen"
 
Dresden/Leipzig. Seinen Ehrentag hatte sich der Kandidat auf Abruf sicher etwas ruhiger vorgestellt: Gestern wurde Finanzminister Thomas de Maiziere (CDU) 48 Jahre alt, doch zum Feiern passte die politische Großwetterlage nicht. De Maiziere, der Vorzeige-Jurist ohne Stallgeruch in der Sachsen-Union, steht unter Druck von allen Seiten. Grund: Der Minister hält sich weiter bedeckt, will nicht sagen, wo er im CDU-internen Machtkampf steht: ob hinter Landeschef Georg Milbradt oder doch zu Regierungschef Kurt Biedenkopf als potenzieller Nachfolgekandidat von dessen Gnaden.

Dabei ist seine Lage alles andere als komfortabel. "De Maizière", meint der Chef der Jungen Union, Robert Clemen, "ist in der Partei nicht verankert", was so viel heißt wie: chancenlos. Dazu passt, dass die Fürsprache von der Parteibasis ausblieb. Gleich mehrere der mächtigen CDU-Kreischefs haben sich für Milbradt ausgesprochen, verbriefte Biedenkopf-Getreue wie Fredo Georgi (Vogtlandkreis) beginnen zähneknirschend mit dem Ungeliebten Frieden zu schließen. Und selbst Landrat Michael Czupalla, Biedenkopfs große Hoffnung im Kreis Delitzsch-Eilenburg, schweigt vernehmbar.

Das bietet Raum für Spekulationen. Diese Woche, heißt es in Dresden, werde sich de Maiziere erklären wahrscheinlich noch heute. Grund: Der Minister habe andere Ambitionen, derzeit liefen Gespräche mit CDU-Bundeschefin Angela Merkel. Das Ergebnis wolle de Maizière noch abwarten, das Ziel aber sei klar: zu schwer wiegt die "Erblast Biedenkopf"(Ex-Justizminister Steffen Heitmann), besser wäre ein Spitzenjob in Berlin.

Zugleich wächst die Furcht in der Union, dass die Wahlkämpfe auf Bundesebene durch die sächsischen Querelen belastet werden könnten. So erinnerte Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) die Sachsen-Union in einem Gespräch mit unserer Zeitung an "rheinland-pfälzische Verhältnisse". Vogel war 1988 als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz nach einem CDU-internen Streit zurückgetreten. Im weiteren Verlauf des Kraches ("Gott schütze Rheinland-Pfalz", so Vogel beim Abgang) verlor die CDU bis heute die Vorherrschaft in dem Bundesland. Auf die Frage, ob in Sachsen angesichts des CDU-Streites nach Biedenkopf ähnliche Verhältnisse auszuschließen seien, meinte Vogel: "Ich hoffe, ja. Denn Geschlossenheit der eigenen Truppe ist die Mutter aller Erfolge."

Gleichzeitig setzt Vogel auf eine starke Rolle Biedenkopfs im Bundestags-Wahlkampf. Ausdrücklich begrüßte er die Absicht des scheidenden sächsischen Ministerpräsidenten, in der heißen Wahlkampf-Phase ohne Rücksicht auf Amtspflichten auf die Beschädigung des Aufbaus Ost durch rot-rote Bündnisse hinweisen zu wollen. "In der Auseinandersetzung, die uns im Bundestagswahlkampf bevorsteht, ist jeder sachkundige Kopf herzlich willkommen, zumal wenn er sich mit der Lage im Osten bestens auskennt und dort großartige Leistungen vollbracht hat."

Vogel nannte die rot-rote Koalition in Berlin "einen Skandal". Sie werde "negative Folgen für den Osten" haben. "Im Westen entsteht dadurch ein völlig falsches Bild von dem, was sich im Osten vollzieht. Es steht zu befürchten, dass sich die Tendenz zur Abwanderung verstärken wird."
(J. Kochinke/D. Wonka)

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