Karl Nolle, MdL

DNN, 23.01.2002

"Er muss über den Haushälter hinauswachsen"

Sozialminister Hans Geisler äußert sich im DNN-Interview über das Für und Wider eines Nachfolge-Kandidaten Georg Milbradt
 
DRESDEN. Vor einigen Monaten bezeichnete Sozialminister Hans Geisler (CDU) den kurz zuvor als Finanzminister geschassten Georg Milbradt als den einzigen Mann, den man sich als Nachfolger des Ministerpräsidenten wünschen kann, wenn er sich noch bestimmte Fachkompetenzen aneignet. Heute wünscht sich Geisler einen Gegenkandidaten. DNN sprach mit ihm über die Hintergründe und die Motive seiner Demission.

DNN: Sie stehen mit dem Rücktritt von Kurt Biedenkopf ab 18. April auch nicht mehr als Minister zur Verfügung, hat das mit dem möglichen Nachfolger zu tun?

Hans Geisler: Nein, ich hatte schon 1999 mit dem Ministerpräsidenten über meine Pläne gesprochen. Mit der aktuellen Situation hat das nichts zu tun. Ich war mir klar darüber, dass ich zu den Wahlen 2004 nicht mehr antrete. Deshalb wollte ich rechtzeitig einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin die Möglichkeit zum Einarbeiten geben. Zum anderen habe ich in meinem Ministerium fast 40 Prozent der Mitarbeiter in Teilzeit. Da will ich keine Ausnahme machen. Weil es als Minister aber unsinnig ist, täglich ein paar Stunden weniger zu arbeiten, muss man das mit der Lebensarbeitszeit regeln. Deshalb hatte ich für mich schon längere Zeit 2002 im Blick.

DNN: Sehen Sie im jetzigen Kabinett eine Nachfolgelösung für ihr Amt?

Hans Geisler: Dazu äußere ich mich verständlicherweise nicht.

DNN: Ihnen werden Abneigungen gegen eine mögliche Nachfolgerin Christine Weber, die jetzige Frauenministerin, nachgesagt?

Hans Geisler: Da ist nichts dran. Aber die Entscheidung wird nun Sache des neuen Ministerpräsidenten sein.

DNN: Ihr Kabinettskollege Hans Joachim Meyer warnt ziemlich deutlich vor einem Ministerpräsidenten Georg Milbradt. Wie sehen Sie das?

Hans Geisler: So drastisch sehe ich das nicht. Milbradt hat als Haushälter im Finanzbereich, als Professor auch im Hochschulbereich und als Kämmerer im kommunalpolitischen Bereich große Erfahrungen mitgebracht. Diese Breite der Erfahrungen sehe ich bei niemandem sonst. Aber er muss beweisen, dass er über die Funktion Haushälter hinauswachsen und in anderen Bereichen, die bisher die Fachminister eingebracht haben, gleichermaßen verantwortlich und sensibel handeln kann.

DNN: Sie haben da eher Zweifel?

Hans Geisler: Die Diskussionen zum letzten Haushalt über die Förderung der Kindertagesstätten und die Kürzungen des Landeserziehungsgeldes haben bei mir Zweifel geweckt. Darüber würde ich gern offen und ehrlich diskutieren. Dazu müsste es aber einen zweiten Kandidaten geben. Ohne mögliche Alternative geht diese Diskussion ins Leere.

DNN: Also sollte sich, wer Ambitionen hat, schnell melden oder es lassen?

Hans Geisler: Da habe ich mich nicht festgelegt. Ich habe meine Zweifel, ob der designierte Kandidat langfristig, also über 2004 hinaus, die erfolgreiche Lösung ist. Das würde ich gern diskutieren, mich mit anderen austauschen. Ohne zweiten Kandidaten geht das aber nicht.

DNN: Sind Regionalkonferenzen nötig?

Hans Geisler: Ich weiß nicht, ob drei Konferenzen mehr bringen als eine beim Parteitag, ganz abgesehen von zeitlichen Problemen. Lafontaine hat den von den SPD-Mitglieder favorisierten Scharping vor Jahren mit einer einzigen Rede in den Schatten gestellt.

DNN: Die früheren Minister Steffen Heitmann und Heinz Eggert haben Regierungschef Kurt Biedenkopf scharf dafür kritisiert, wie er sich gegen Georg Milbradt ausgesprochen hat. Wie bewerten Sie das?

Hans Geisler: Ich habe noch nicht mit beiden über ihre Motive sprechen können, deshalb will ich die Äußerungen nicht kommentieren. Meine Bewertung zu Biedenkopfs Rücktrittserklärung sieht anders aus. Es ist nicht alles in der notwendigen Ausgewogenheit gesagt worden, wie ich es mir hätte vorstellen können. Andererseits gibt es auch noch unausgesprochene Dinge, zu denen ich mich nicht äußern kann.

DNN: Wie bewerten Sie, was sich seit einem Jahr abspielt, seit Biedenkopf seinen Finanzminister als ,guten Fachmann, aber miserablen Politiker' bezeichnete und entließ?

Hans Geisler: Es ist eine Tragödie, für die keiner der Beteiligten aus der Verantwortung entlassen werden kann, die aber ab einem gewissen Zeitpunkt praktisch unveränderbar ablief. Das ist bedauerlich. Diese Äußerung zu Milbradt hätten nicht gesagt werden sollen. Die verschiedenen Konflikte nicht anzusprechen, wäre der Gesamtverantwortung für Sachsen aber nicht gerecht geworden.
Interview: Ingolf Pleil

Karl Nolle im Webseitentest
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