Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 15.02.2002

Hähle-Forderungen provozieren Mildbradt

Sachsens CDU wieder zerrissen - Testwahl verlangt
 
DRESDEN. Im Vorfeld eines Sonderparteitages am 9. März, der einen Nachfolger für Ministerpräsident Kurt Biedenkopf nominieren soll, ist in der sächsischen CDU neuer Streit ausgebrochen. Parteichef Georg Milbradt lehnte Forderungen nach einer Probeabstimmung, wie sie von fünf Abgeordneten aus dem Vogtland erhoben wurden, ab. Ebenso widersprach er Fraktionschef Fritz Hähle, der Klarheit über Milbradts Kabinettsliste verlangt hatte. Vor dem 18. April, dem Tag der Ministerpräsidentenwahl, wolle er auch nicht über sein Programm sprechen.

Kurt Stempell, Andreas Heinz, Alfons Kienzle, Jürgen Pätzold und Uwe Grüning hatten am Mittwoch eine Testabstimmung beantragt, dies aber wieder zurückgezogen. Jetzt soll in der kommenden Woche der Kreisvorstand ein Votum abgeben. Generalsekretär Hermann Winkler will in Plauen die Basis auf Milbradt-Kurs einschwören. Andreas Heinz (Pöhl) plädiert für eine Probewahl, weil er Milbradt die Mehrheit zutraut. Kurt Stempell (Plauen) verfolgt mit anderen die Absicht, Milbradt vom Gegenteil zu überzeugen.

PDS-Fraktionschef Peter Porsch unterstützte Hähles Vorstellung, Milbradts Politik-Pläne kennenlernen zu wollen. Der Wunsch nach Einblick in die Ministerliste gehe aber an der Verfassungslage vorbei. Denn anders als in anderen Bundesländern würden in Sachsen die Minister nicht vom Parlament, sondern vom Ministerpräsidenten bestimmt.


Kommentar: Die Angst vor der Probe

Sollte sich Georg Milbradt einer Probeabstimmung stellen, bevor er am 9. März von einem Sonderparteitag der CDU als Nachfolge-Kandidat für Kurt Biedenkopf nominiert wird? - Nervösität ist in der Landtagsfraktion der Christdemokraten ausgebrochen, seitdem sich Forderungen einzelner Abgeordneter inzwischen bündeln. Noch ist keine geschlossene Gruppe zu erkennen, aber die Forderung von fünf Vogtländern, die später wieder zurückgezogen wurde, reichte bereits, um die Zuchtmeister der Regierungspartei aufzuschrecken.

Die Reaktion macht die Verunsicherung im Milbradt-Lager deutlich. Nichts fürchtet die neue Mannschaft mehr als eine Änderung des Fahrplans, der dem Votum des Parteitages den Vortritt lassen sollte. Bei den Delegierten hat ein Einzelkandidat und Landesvorsitzender Milbradt eine deutliche Zustimmung zu erwarten. Daran dürften sich auch die Abgeordneten gebunden fühlen - heißt die Rechnung.

In der CDU-Fraktion, die den neuen Ministerpräsidenten am 18. April wählen muss, kann sich Milbradt derzeit einer Mehrheit nicht sicher sein. Eine Probeabstimmung wäre für ihn aber nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Chance. Er könnte beweisen, dass die Minderheit, die ihn ablehnt, überschätzt wird. Mit dem Hinweis, dass damit der Parteitag entmündigt werde, sehen sich seine Gegner bestätigt: Die werten die Ablehnung als Zeichen der Unsicherheit und verlangen umso vehementer, dass sich der Kandidat dem Test stellt. Natürlich verfolgen sie damit das Ziel, Milbradt die Schwäche seiner Position zu verdeutlichen, damit er vor dem 9. März zurückzieht und den Weg für de Maiziere oder Tillich freimacht.

Georg Milbradt als Ministerpräsident: Daran scheint kein Weg vorbei zu führen, so viel Mühe sich die Vogtländer geben, Verbündete zu sammeln. Der Antrag bedarf schließlich einer Mehrheit, und die dürfte sich nicht finden. Der Zeitpunkt, einen Kandidaten zu finden, der frisch und mit Biedenkopfs Segen versehen, einen echten Neubeginn hätte wagen können, ist verpasst. Sachsen und die CDU werden einen Ministerpräsidenten erhalten, der mit einem Bündel von Problemen startet, aber eine faire Chance verdient hat.
(Von Hubert Kemper)

Karl Nolle im Webseitentest
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