Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 11.02.2002

Demontage durch die eigenen Leute

CDU-Landtagsabgeordneter Beyer geißelt "Netzwerk Milbradt" - "Biedenkopf ausmanövriert, Siegchance vertan"
 
DRESDEN. Georg Milbradt zähle zu den besten Leuten, die die CDU bundesweit aufzubieten habe, verkündete Friedrich Merz in einem Interview. Deswegen, so folgerte der Fraktionschef der Christenunion im Bundestag, gebe es für die Nachfolge von Kurt Biedenkopf nur einen Kandidaten, und der heiße Milbradt.
De facto ist das bisher so. Doch Wolf-Dieter Beyer, Landtagsabgeordneter der CDU, möchte dieses Merz-Urteil weder teilen, noch unkommentiert lassen. „Der Mann will am 18. April von mindestens 61 CDU-Abgeordneten im Landtag gewählt werden“, schreibt Beyer in einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden. Doch nach einer aktuellen Telefonumfrage von MDR-online hätten sich lediglich 35 von 76 Abgeordnete für Milbradt erklärt.

Für das große Ziel, 2004 zum vierten Mal in Folge eine Mehrheit für die CDU zu erlangen, habe es aus seiner Sicht „eine notwendige, zwingend einzuhaltende Bedingung“ gegeben: „Man muss die Autorität von Biedenkopf, der trotz der Kampagne noch immer einen enormen Rückhalt in der Bevölkerung besitzt, so nahe wie möglich an den Wahltermin 2004 heran erhalten.“ Dafür habe er einen "höchst vernünftigen" Zeitplan genannt: Rücktritt in den Abgeordnetenstand mehr als ein Jahr vor dem Wahltermin, Sichtung der potenziellen Nachfolger nach der Bundestagswahl 2002.

Beyer sieht als Beginn der Demontage Biedenkopfs ein Rundfunkinterview von Arnold Vaatz am 14. April 2000. Das habe er keineswegs unüberlegt, aber gegen jede Vernunft und als Mitglied des „Netzwerkes Milbradt“ gegeben. „Die Kampagne der Opposition und der veröffentlichten Meinung konnte sich so wirkungsvoll entfalten, weil unsere eigenen Leute die Demontage betrieben haben.“ Im Januar 2001 sei der Versuch Milbradts gescheitert, als Fraktionschef einen treuen Gefolgsmann zu installieren. „Er musste gefeuert werden, obwohl überregionale Zeitungen heute noch schreiben, dafür wäre kein Grund erkennbar“.

Aus Beyers Sicht resultieren die Probleme, die Sachsens CDU heute belasten und auch die Bundespartei berühren, „allein aus diesem brutalen Stilbruch und der Weigerung einer Person, sich in die Reihe potenzieller Nachfolger zu stellen. „Vor gut einem Jahr wurde unsere Siegchance durch das Ausmanövrieren von Biedenkopf vertan.“

Wolf-Dieter Beyer fordert Merz auf, über die Beweggründe von fünf sächsischen Ministern nachzudenken, die öffentlich erklärt hätten, nicht mit Milbradt zusammenzuarbeiten zu wollen beziehungsweise zu können.
(Von Hubert Kemper)

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