Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 02.03.2002

Der unsichtbare Dritte

Zwickaus OB Vettermann erntet für Angriff auf CDU-Chef Milbradt heftige Kritik aus den eigenen Reihen
 
Dietmar Vettermanns Auftritt vor der Presse am Freitagnachmittag in Dresden war genau so souverän wie merkwürdig. Nein, er halte CDU-Landeschef Georg Milbradt nicht für einen geeigneten Ministerpräsidenten. Ja, er glaube, dass Milbradt gegen Amtsinhaber Kurt Biedenkopf intrigiert habe. Nein, so Vettermann weiter, er könne jetzt noch nicht sagen, wer ihm zu der Bewerbung geraten habe. Ja, man könne fest davon ausgehen, dass es in der CDU eine landesweite Unterstützung für den Kandidaten Vettermann geben wird. Der plötzliche Frontalangriff des Zwickauer Oberbürgermeisters, der auch einer von Milbradts drei Stellvertretern in der Landes-CDU ist, hat bei vielen Christdemokraten Entsetzen und Kopfschütteln ausgelöst.

Als „blanken Unsinn“, bezeichnete Peter Jahr, CDU-Kreischef von Mittweida, den Vorstoß. Schon Vettermanns eigene Einschätzung, wonach er auf dem CDU-Sonderparteitag am 9. März höchstens 30 Prozent und Milbradt mindestens 70 Prozent der Stimmen holen wird, lasse nur den Schluss zu, dass es ihm gar nicht ums Gewinnen geht. „Warum tritt er aber überhaupt an, wenn er nur auf Platz setzt?“ In der Partei glauben viele, den Grund zu kennen. „Die 30 Prozent sollen nur zerstören“, ist Jahrs Abgeordnetenkollege Heinz Eggert überzeugt. Falls Milbradt auf dem Parteitag ein schlechtes Ergebnis erzielt, könne sofort nach einem neuen, dritten Kandidaten gerufen werden, so Eggert. Dass damit vor allem Europaminister Stanislaw Tillich und Finanzminister Thomas de Maizière (beide CDU) gemeint sind, ist ein offenes Geheimnis.

Gerade das Vorgehen de Maizières, der kürzlich auf ein offenes Machtduell mit Milbradt verzichtet hatte, lässt die Gerüchteküche brodeln. Eine Einzelkandidatur für den Fall, dass sich Milbradt zurückziehen muss, schloss der Finanzminister bisher nicht ausdrücklich aus. „Vettermann ist doch nur Mittel zum Zweck“, meint auch Christine Weber, Gleichstellungsministerin und ebenfalls CDU-Vize. Und mit dieser Meinung steht sie offenbar nicht allein. Auch Vettermanns eigener Kreisverband Zwickau-Werdau wusste bisher nichts von seinem Plan, im Gegenteil. Der geschäftsführende Kreisvorstand hatte s ich erst vor Tagen in einer Erklärung für Milbradt als neuen Ministerpräsidenten ausgesprochen. Kreischef Michael Luther stellt sich nun offen gegen Vettermann. „Meine Unterstützung hat er nicht.“

Hähle und Brüggen gelten als Drahtzieher

Als Drahtzieher der Kandidatur Vettermanns werden erneut CDU-Fraktionschef Fritz Hähle und Biedenkopfs Staatskanzleichef Georg Brüggen - parteiinterner Spitzname „Osama bin Brüggen“ - vermutet. Beide haben sich stets mehr oder weniger offen gegen Milbradt ausgesprochen. Hähle hielt sich am Freitag jedoch bedeckt. Die CDU habe bekommen, was lange gefordert wurde: zwei Kandidaten. Alles andere müsse man abwarten In vielen Kreisverbänden zeigte man sich dagegen unzufrieden. In Leipzig wies Kreischef Kurt-Ulrich Mayer die Kritik an Milbradt zurück. Die „unsachlichen Attacken“ dienten weder der Partei noch dem Land. Auch der Kreisverband Sächsische Schweiz sprach sich inzwischen für Milbradt aus. Die drei Kreisverbände Mittweida, Döbeln und Meißen bereiten eine Unterstützungserklärung für den Parteichef vor. Zu den geplanten Unterzeichnern gehören Kultusminister Matthias Rößler, der Mittweidaer Landrat Andreas Schramm sowie mehrere CDU-Landtagsabgeordnete. Allein in Westsachsen sind Vettermanns Ambitionen auf etwas Sympathie gestoßen. „Bei Alternativen macht das Wählen viel mehr Spass“, so der Vogtländer CDU-Chef Fredo Georgi. Mit einem klaren Votum für den neuen Bewerber hielt sich aber auch Georgi zurück.
(Von Gunnar Saft)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: