Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 01.03.2002

Vettermanns Vorstoß hält CDU-Politiker in Atem

Vaatz: Konkurrenz belebt Geschäft - Bundespartei von Kandidatur wenig erbaut
 
Dresden/Zwickau. Am Morgen stand er im Rathaus einer stattlichen Pressemannschaft Rede und Antwort, am Nachmittag stellte er sich in Dresden einer noch kopfstärkeren Journalistenschar: Dietmar Vettermann, der Mann, der Georg Milbradt das Amt des Ministerpräsidenten streitig machen will, war schlagartig in aller Munde. Selbstsicherer und unverkrampfer, als viele es erwartet hatten, sprach der Überraschungskandidat in die Mikrofone, diktierte jedem, der es hören wollte, in die Notizblöcke: „Ja, ich bin dem Drängen vieler Parteifreunde gefolgt, ich will eine personelle Alternative aufzeigen.“
Die Zahl der Fragen belegte den Umfang der Zweifel, die sich mit der Herausforderung des Oberbürgermeisters verbinden. Ob er Kontakt zu jenem Kurt Biedenkopf gehabt habe, den der favorisierte Milbradt angeblich per Intrige zum Rücktritt gedrängt habe. Und wer diejenigen sind, die ihn zu diesem Schritt motiviert hätten?

Mit Biedenkopf will Vettermann nicht gesprochen haben. Namen jener Parteifreunde, die ihn beeinflusst haben, wollte er öffentlich nicht nennen. Doch dann stellten sie sich der „Freien Presse“, die am Freitag mit ihrer Nachricht die sächsische Politik-Welt aufhorchen ließ. Michael Czupalla, zum Beispiel, Landrat aus Delitzsch. „Es gehört zum demokratischen Grundverständnis, dass man sich zur Wahl stellt“. Auch Christoph Scheurer, Landrat Chemitzer Land, Tassilo Lenk, Landrat aus dem Vogtlandkreis oder Thomas Pietzsch, Landtagsabgeordneter und CDU-Stadtverbandsvorsitzender aus Zwickau, begrüßten den Schritt.

„Die Basis hat schon immer die Auswahl unter mehreren Kandidaten gewünscht“, schloss sich Fritz Hähle, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion an. Die Fraktion müsse im Anschluss an das Votum des Parteitages entscheiden. Als erklärter Milbradt-Gegner ging Wolf-Dieter Beyer einen Schritt weiter. Wenn das Ergebnis für Milbradt schlecht ausfallen würde, könne bis zum 18. April noch ein anderer Kandidat gesucht werden, der auch das Vertrauen von Biedenkopf genieße, sagte der Chemnitzer, der am Freitag im Landtag eine "aufgelockerte Atmosphäre" festgestellt haben will.

Das sahen aber nicht alle so. Schon zwei Anrufe aus Berlin sollen in der Fraktion am Freitag eingegangen sein. Wenige Tage vor der Sachsen-Anhalt-Wahl fürchten die Strategen der Bundespartei, dass die traute Eintracht im CDU-Musterländle Sachsen bis zum 18. April nicht hält. Auch Michael Luther, der Zwickauer CDU-Kreisvorsitzende, zeigte sich wenig erbaut. Er warf Vettermann einen Alleingang zu Lasten der CDU vor. Der Kreisvorstand habe sich eindeutig für Milbradt ausgesprochen. Vettermanns Kandidatur trage nicht dazu bei, die CDU in Sachsen wieder zusammenzuführen.

„Konkurrenz belebt das Geschäft“, äußerte sich Milbradt-Freund Arnold Vaatz wesentlich unverkrampfter. Er bezweifelte aber, dass Vettermnann auf dem Landesparteitag genügend Rückhalt findet, um Ministerpräsident zu werden. „Für die partei-interne Zusammenarbeit wäre es besser gewesen, wenn er sich früher gemeldet hätte“, meinte CDU-Generalsekretär Hermann Winkler. Mit Regionalkonferenzen habe die Partei gute Erfahrungen gemacht. Vettermann hätte sich hier vorstellen können. Gelassen gab sich auch Milbradt. Er sprach von einem normalen demokratischen Verfahren.

So versteht auch Vettermann seinen Einsatz. Bei seiner gestrigen Präsentation vermied es geschickt, landespolitische Inhalte in den Mittelpunkt zu rücken. Stattdessen sprach er von Kerzen, die für eine demokratische Umwandlung 1989 in die Fenster gestellt wurden, von Unbehagen, wenn jetzt wieder nur hinter vorgehaltener Hand Kritik geübt wird und über die „kleinteilige Arbeit einer 100.000-Einwohner-Stadt“.

Welch rauher Wind einem Mann entgegen weht, der das Establishment herausfordert, spürte Vettermann am Freitag in Dresden. Da hatten Boulevard-Journalisten flugs die Rolle des Scientologen und Baulöwen Fiegerbauer in Zwickau ausgegraben. Doch auf diesem Parkett ließ sich der ehemalige Baudezernent nicht hereinlegen. Die damalige Auszeichnung für Fiegerbauer sei ohne Zutun der Stadt erfolgt.

Von Hubert Kemper, Rainer Räch und Peter Koard

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: