Karl Nolle, MdL

Freie Presse - Online, 16.01.2002

Porträt: Querdenker, Kohl-Gegner und König von Sachsen

Biedenkopf zieht sich nach einem Jahr der Affären zurück
 
Er gilt als Querdenker, Kohl-Gegner und König von Sachsen. Kurt Biedenkopf errang bei drei Wahlen im Freistaat die absolute Mehrheit für die CDU, ging wiederholt auf Distanz zum Partei-Übervater und machte sich mit kontrovers debattierten Vorschlägen zu Rente und Zuwanderung einen Namen als scharfsinniger Analytiker. Die ungelöste Nachfolgefrage und Vorwürfe wegen Miete und Rabatten verhinderten jedoch einen würdevollen Abgang als Regierungschef.

Biedenkopfs Laufbahn als Ministerpräsident begann mit der Wende:
1990 übernahm der Wirtschafsjurist zunächst eine Gastprofessur an der damaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig. Auf Drängen seines Parteifreundes Lothar Späth erklärte er sich wenig später zur Spitzenkandidatur für die Sachsen-Union bereit und wurde als 60-Jähriger erster Ministerpräsident des Freistaates.

Zu diesem Zeitpunkt konnte der gebürtige Ludwigshafener, der in Schkopau aufwuchs, auf vielschichtige Erfahrungen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zurückblicken. So stand er von 1967 bis 1969 als damals jüngster Rektor in der Bundesrepublik an der Spitze der Bochumer Ruhr-Universität. Zwei Jahre später wechselte Biedenkopf in die Geschäftsführung des Düsseldorfer Waschmittelkonzerns Henkel. 1973 wurde er - nach der Ablösung Rainer Barzels - auf Vorschlag von Helmut Kohl zum CDU-Generalsekretär gewählt.

In seiner vierjährigen Amtszeit und dem Engagement im Bundestag und dem NRW-Landtag profilierte sich Biedenkopf mit - parteiintern teils umstrittenen - Vorstößen zu Rente und der „ökologischen Erneuerung der Marktwirtschaft“. Der CDU-Politiker sprach sich etwa für das Konzept einer allgemeinen Grundrente aus und vertrat die Auffassung, dass die Politik steigender Staatsverschuldung scheitern werde.

In Nordrhein-Westfalen unterlag Biedenkopf 1980 als Spitzenkandidat seiner Partei gegen den Sozialdemokraten Johannes Rau. Querelen um seine positiven Äußerungen zur Politikfähigkeit der Grünen und Führungskämpfe in der aus zwei Verbänden fusionierten NRW-CDU verschärften für ihn das Klima. 1987 gab Biedenkopf den Landesvorsitz schließlich ab.

Als Ministerpräsident wurde der auch als „König Kurt“ apostrophierte Politiker zum engagierten Mahner für den Aufbau Ost. Er forderte wiederholt langfristige Finanzhilfen des Bundes. Zudem war der Freistaat Feder führend an den Verhandlungen zum Solidarpakt II beteiligt. Spektakuläre Großansiedlungen - etwa Quelle in Leipzig, die Chiphersteller AMD und Infineon in Dresden - festigten Biedenkopfs Ruf als staatsmännischer Macher für Sachsen.

Hohe Arbeitslosigkeit und Abwanderung aus dem Osten kratzten dieses Image kaum an. Auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre Ende 1999 wurde der Kohl-Widersacher immer wieder als Interims-Parteichef ins Gespräch gebracht. Unter Druck geriet Biedenkopf erst, als er Anfang 2001 seinen potenziellen Nachfolger Georg Milbradt als Finanzminister entließ. Die Sachsen-CDU quittierte dies, indem sie den Sauerländer ein dreiviertel Jahr später zum Parteichef wählte.

Die so genannte Mietaffäre um günstige Wohnkonditionen im Dresdner Regierungsgästehaus führte zum Umzug Biedenkopfs nach Radebeul - zuvor hatte er rund 120 000 Mark nachbezahlt. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle ritt immer wieder neue Attacken gegen den Ministerpräsidenten und seine Gattin Ingrid - auch im Zusammenhang mit der Behördenansiedlung in Leipziger Paunsdorf-Center, das von einem Biedenkopf-Freund errichtet wurde. Ein unüblicher Ikea-Rabatt für den Regierungschef sorgte bundesweit für Spott und Häme.

Trotzdem war immer wieder Lob ob Biedenkopfs politischer Fähigkeiten zu hören. Der ehemalige britische Außenminister Lord Howe bezeichnete den CDU-Politiker im Herbst 2001 als einen der „besten Kanzler, die Deutschland nie hatte.“
(ddp)

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