Karl Nolle, MdL

DNN, 27.12.2000

Paunsdorf-Ausschuss: Quälender Streit

Im Februar werden Ministerpräsident Biedenkopf und Finanzminister Milbradt vernommen
 
DRESDEN. Der künftige Ministerpräsident war voller Tatendrang: "Gestern Abend habe ich mit Heinz unsere Leipziger Initiativen durchgesprochen. Wir haben jetzt sieben entscheidungsreife Projekte, zum Teil Großprojekte, deren Verwirklichung etwa 1,5 Milliarden DM kosten wird", vertraute Kurt Biedenkopf am 6. September 1990 seinem Tagebuch an und setzte hinzu: "In der kommenden Woche werde ich mit der Leipziger Stadtverwaltung sprechen. Ich erwarte, dass die Voraussetzungen für die Durchführung dieser Bauvorhaben schnell geschaffen werden." Heinz, das war Biedenkopfs langjähriger Freund, der Kölner Baulöwe Heinz Barth. Und eines dieser Großprojekte ist das Einkaufs- und Behördenzentrum in Leipzig-Paunsdorf.

Zehn Jahre später, im April 2000, setzte der Landtag auf Antrag der PDS-Fraktion einen Untersuchungsausschuss wegen der 750-Millionen-Investition ein. Es geht vor allem um die mögliche Einflussnahme des Ministerpräsidenten und weiterer Mitglieder der Staatsregierung auf den Abschluss von nachteiligen Mietverträgen für den Bürokomplex, in dem mehrere Landesbehörden einquartiert sind.

Den Vorwurf der Einflussnahme hat Biedenkopf nie bestritten. Im Gegenteil: Es sei Tagesgeschäft des Ministerpräsidenten, sich um Investitionen zu kümmern. Empfindlicher trifft die Kritik, die für 24 DM pro Quadratmeter angemieteten Flächen sowie die Verträge mit einer Laufzeit von 25 Jahren seien viel zu teuer und weit überdimensioniert. Und das auf Weisung Biedenkopfs.

Kritik an zu teuren Mieten
Die Vertragskonditionen belasteten den Freistaat über Gebühr, rügte der Landesrechnungshof im November 1996 - neben schwerwiegenden formalen Bedenken. Der jährliche Schaden wurde auf 1,35 Millionen Mark beziffert. SPD-Ausschussobmann Karl Nolle spricht von einem Gesamtverlust für Land und Steuerzahler von 100 Millionen. Denn auch die Grundstückspreise sind umstritten.

Polizei, Staatsanwaltschaft und eine Einheit des Finanzministers ermittelten, Beamte des Liegenschaftsamtes standen im Verdacht der Untreue. Doch die akribische Recherche der Fahnder wurde eingestellt. Ob auf Druck aus der Regierung, ist nicht bewiesen. Die empörte Opposition will Licht in die Geschäfte bringen. Doch bis Ende dieses Jahres ist ihr Paunsdorf-Ausschuss immer noch nicht zum eigentlichen Thema vorgedrungen. Nach einer Debatte um die personelle Besetzung, in der der PDS-Jurist Klaus Bartl wegen Stasi-Vorwürfen von der CDU abgelehnt wurde, streiten die Parlamentarier seit Monaten um Ordner, Protokolle und Termine.

Als noch vor der Ausschuss-Konstituierung das Finanzministerium Akten aus der Liegenschaftsverwaltung in Leipzig anforderte, erhoben SPD und PDS den Vorwurf der Beseitigung und Manipulation von Dokumenten. Inzwischen ist die Aktenlage besser: 153 Ordner aus der Staatskanzlei, dem Finanz-, dem Innen- und dem Justizministerium sowie der Oberfinanzdirektion, dem Liegenschaftsamt, dem Regierungspräsidium und der Stadt Leipzig liegen seit Mitte Dezember vor.

PDS-Obmann André Hahn hegt dennoch den Verdacht, dass wichtige Materialien vorenthalten werden. So seien mehrere Dokumente im Finanzressort unauffindbar. Hahn: "Auch die durchnumerierten Akten der Oberfinanzdirektion weisen zahlreiche Fehlseiten auf, für die es keine Erklärung gibt." Hahn zitiert Georg Milbradt: Die "mit einem Leerblatt gekennzeichneten, fehlenden Seiten konnten trotz intensiver Suche nicht aufgefunden werden. Es ist dabei zu vermuten, dass die Ordner teilweise getrennt wurden und bei der handschriftlichen Paginierung gelegentliche Schreibfehler auftraten." Hahn vermisst zudem eine zentrale Akte Biedenkopfs: "Obwohl wiederholt Vermerke des Ministerpräsidenten unter dem Stichwort "Vorgang FTG" zu finden sind, liegt die Akte bislang nicht vor."

Vor Weihnachten begann der nächste Streit. Als die CDU beantragte, am 12. Februar Biedenkopf und am 13. Februar Milbradt als Zeugen zu laden, platzte Oppositionpolitikern der Kragen. Gerade waren ihnen 25 000 Seiten Akten geliefert worden. Die sind binnen weniger Wochen kaum zu sichten. Zudem liege die Biedenkopf-Anhörung in einer als sitzungsfrei vereinbarten Zeit. Er werde daher Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) schriftlich bitten, diese Sitzung nicht zu genehmigen, kündigt Hahn an. Man lasse sich die Termine nicht vom Ministerpräsidenten vorgeben. "Hier soll wohl ein Persilschein ausgestellt werden, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen", sagt SPD-Obmann Nolle.

Opposition: Verschleierung
Die Opposition wirft der Regierung eine Taktik des Verschleierns und Verzögerns vor, um die Abgeordneten zu gängeln und die Wahrheit zu vertuschen. SPD-Chefin Constanze Krehl forderte bereits den Rücktritt des Ministerpräsidenten, weil er das Parlament belogen habe. Die Staatskanzlei vermutet indes, die Opposition habe gar nichts in der Hand. "Es ist traurig, wie hier nach Themen gesucht wird, um dem Ministerpräsidenten an den Karren zu fahren", sagt Sagurna.
(von Sven Heitkamp)

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