Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 03.05.2001

Affäre Gästehaus Schevenstraße

Überraschendes Miet-Gutachten: Biedenkopf zahlte 62000 Mark zuviel!
 
DRESDEN. Alle glaubten, Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Gattin Ingrid würden viel zu wenig Miete im Gästehaus der Staatsregierung zahlen. Jetzt sagt ein Gutachter, sie hätten seit 1990 sogar 62 000 Mark zuviel gezahlt. Trotzdem ist die Affäre Biedenkopf nicht aus der Welt. Staatskanzleichef Georg Brüggen gestand in seinem gestern vorgelegten Bericht eine Reihe von „Grauzonen“ ein. Die Opposition droht mit einer neuen Untersuchung.

Rein juristisch sind die vielfach kritisierten Privilegien nicht zu beanstanden, die Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) im Gästehaus der Staatsregierung genießt. Zu dem Ergebnis kommt der von einer Arbeitsgruppe der Regierung vorgelegte Bericht. Trotzdem machte nicht einmal Staatskanzleichef Georg Brüggen (CDU) ernsthaft den Versuch, den Luxus zum Schnäppchenpreis zu rechtfertigen.

Acht Fernsehkameras führen gestern im Landtag auf, als Brüggen den Bericht erst dem Haushaltsauschuss vortrug und dann zur Pressekonferenz kam. Die Enthüllungen der letzten Wochen über die Inanspruchnahme von Koch, Putzfrau, Gärtner und Co. sowie die supergünstigen Mieten der Biedenkopfs in der Dresdner Schevenstraße hatten das Interesse der Medien angefacht.

Erstaunen löste Brüggen aus, als er zunächst ein Mietgutachten anführte. Experte Peter Jäpel kommt zu dem Ergebnis, dass Biedenkopf sogar viel zu viel (seit 1997 monatlich 1857 Mark warm) gezahlt habe: Das Finanzamt habe auf die für 1990 bis 1997 gezahlten 45 000 Mark wegen der Mietpreisbindung keinen Anspruch gehabt. Und seither seien knapp 17 000 Mark zu viel gezahlt worden, weil nur 130 statt 155 Quadratmeter anzurechnen seien.

Aber Biedenkopf stellt keine Rückforderung, weil der Dresdner Rechtsprofessor Justus Meyer anderer Meinung sei, versicherte Brüggen. Meyer zeichnete für die nächste Merkwürdigkeit verantwortlich: Biedenkopf habe Anspruch auf die Dienste der sechs Mitarbeiter des Gästehauses. Das gebe der Mietvertrag von 1997 her, weil es Gewohnheitsrecht war und das Finanzministerium bei Vertragsabschluss geschlampt habe. Brüggen gestand ein: „Es ist ausgesprochen schwierig, einem Nicht-Juristen die Regeln der Vertragsauslegung zu erklären.“

Nachzahlen soll Biedenkopf nur für Mini-Positionen. Brüggen sprach von „Grauzonen“ – etwa wenn der Koch auch im Anwesen der Biedenkopfs am Chiemsee kochte oder Dienstwagen für zweifelhafte „Stadtfahrten“ in Anspruch genommen wurden. Gesamtbetrag vielleicht 6.000 Mark.

Ein weiterer Fall von „Missmanagement“ wird aus dem Jahr 1994 bekannt gemacht. Schon damals wollte der Rechnungshof die Schevenstraße durchleuchten. Die Staatskanzlei wusste Bescheid, teilte Brüggen mit. Leider könne er nicht mehr nachvollziehen, wie der damalige Chef, Minister Günter Meyer, die Sache abblockte. Finanzstaatssekretär Karlheinz Carl hatte deshalb an Meyer geschrieben. Aber der Brief war im Postbuch nicht registriert.
(Stefan Rössel)

Karl Nolle im Webseitentest
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