Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 04.05.2001

Prüfvermerk von ´94 wirkt wie frischer Sprengstoff

Gutachten ist absurd
 
DRESDEN. Das von der Staatskanzlei bestellte Gutachten, wonach Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zu viel Miete gezahlt habe, entpuppt sich zunehmend als absurde Einzelmeinung. Im Sächsischen Rechnungshof wurden Beträge in zehnfacher Größenordnung für angemessen gehalten.

Schon 1994 hatte sich der Rechnungshof um das Anwesen in der Dresdner Schevenstraße gekümmert. In der Staatskanzlei wurde der Vorgang so gründlich vom Tisch gefegt, dass sogar der Eintrag im Postbuch über das Schreiben der Leipziger Prüfer fehlt (Morgenpost berichtete). Jetzt tauchte eine Kopie auf. Der Vermerk enthält Sprengstoff.

Zunächst heißt es darin lapidar: „Das Grundstück ist ohne Zweifel mietpreisgebunden.“ Damit entfällt ein Argument für die geringere Miete.

Weiter stellt der Rechnungshof klar, „dass für Mitglieder der Staatsregierung mindestens die Vollkosten für die von ihnen genutzten Wohnungen und sonstigen Leistungen als Entgelt anzusetzen sind“. Gemeint sind unter anderem die damals dort einquartierten Minister Georg Milbradt und Kajo Schommer. Zu den Leistungen heißt es deutlich: „Im Grunde handelt es sich um eine ´hotelähnliche´ Unterbringung.“

Dann teilten die Prüfer die Gesamtkosten für das Gästehaus auf und kamen zu dem Ergebnis: 1992 wäre ein Entgelt von 77 Mark pro Quadratmeter angemessen gewesen, 1993 sogar 92 Mark. Die jetzt vereinbarten 8,15 Mark Kaltmiete (plus 3,80 Mark Umlagen) fallen dagegen nicht ins Gewicht.

Die Prüfer berechneten auch die Ausfälle für den Freistaat, setzten dafür 70 Mark an. Damit kommen sie auf 259.000 Mark für 1992 und 306.000 Mark für 1993.

Aus dem Vermerk geht auch hervor, dass das Finanzministerium die Miete schon 1991 mit 20 Mark berechnet hatte. Aber erst 1993 wollte das Dresdner Liegenschaftsamt die Preise heraufsetzen, wogegen sich mehrere Mieter wehrten.

Drastisch wies der SPD-Abgeordnete Karl Nolle das Regierungsgutachten in einem Radiointerview mit dem Wort „Verarschung“ zurück: „Das ist unglaublich, dass das so dem sächsischen Volk verkauft werden soll.“

Staatskanzleichef Georg Brüggen (CDU) ging in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss übrigens stellenweise über Meinungen der Arbeitsgruppe hinweg, die er selbst zur Prüfung des Gästehauses eingesetzt hatte. Die hatte och aufgeschrieben, es sei „nicht ganz nachvollziehbar“, dass die Mietverträge als „Nutzungsvereinbarung“ bezeichnet wurden. Brüggen blieb bei dem Ausdruck und rechtfertigte ihm mit dem Hinweis, es seien eben keine typischen Mietverhältnisse. Darin war die Rechtfertigung zur Nutzung des Personals versteckt.

Zum Charakter des Anwesens Schevenstraße wird aus den Berichten klar, dass es weniger ein Gästehaus der Staatsregierung, sondern eher ein „Hotel Ingrid“ war. Frau Biedenkopf übernahm die Leitung des Hauses. Sie legte fest, wer dort einziehen konnte. Sie teilte das Personal ein.

Aber es gibt keine Regelung, wer zur Nutzung des Gästehauses befugt ist. Es wurden keine Gästelisten geführt. Und wenn jemand neu einzog, wurde das der Liegenschaftsverwaltung oft er mit monatelanger Verspätung zum Abschluss von Mietverträgen gemeldet.
(Stefan Rössel)

Karl Nolle im Webseitentest
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